Die Bank als Lebensraum und "Third Place"
„Mein Haus, mein Auto, mein Boot!“ Die beiden Männer sitzen sich am Tisch gegenüber und übertrumpfen einander mit Fotos ihrer Villen und Luxusschlitten. Es gewinnt der, der bei der besseren Bank ist, obwohl er in der Schule der Dümmere war, sagt der Werbespot aus den 1990er Jahren. Früher musste eine Bank groß und beeindruckend wirken. Das Versprechen der Architektur war: „Hier ist dein Geld sicher!“ und „Wir kennen uns aus, also kannst Du uns vertrauen!“.
Heute, einige Krisen später, wissen wir Konsumenten, dass das nicht immer einwandfrei funktionierte. Die alten und neuen Bankenpaläste stellten das Geld und sich selbst hochmütig auf ein Podest und behandelten uns von oben herab. So etwas konnte auf Dauer nicht gut gehen. Es ist nicht verwunderlich, dass viele Menschen die meisten Bankgeschäfte mittlerweile lieber virtuell erledigen. Dadurch wird die emotionale Kluft zur Bank jedoch noch mehr verstärkt.
Das haben inzwischen auch einige Banken verstanden. Das Ziel sollte sein, alle Kunden und deren Bedürfnisse wieder ernst zu nehmen. Geld ist für viele Menschen ein schwieriges Thema. Eine retail-orientierte Bank kann dabei mithelfen, die Konsumenten wieder auszubilden. Wenn die Bank mit ihren Kunden auf Augenhöhe kommuniziert, fallen diese nicht mehr auf die erstbesten virtuellen Lockangebote herein.
Es ist nicht verwunderlich, dass viele Menschen die meisten Bankgeschäfte mittlerweile lieber virtuell erledigen. Dadurch wird die emotionale Kluft zur Bank jedoch noch mehr verstärkt.
Ein solch ernst gemeintes Miteinander muss sich aber auch in der Gestaltung eines dafür geeigneten Ortes äußern. In der Strategischen Dramaturgie spricht man bei einer solchen Inszenierung von einem Dritten Ort. Das ist ein öffentlicher oder halböffentlicher Raum, der so viel Aufenthaltsqualität bietet, dass man dort nicht nur hingeht, um den eigentlichen Nutzen in Anspruch zu nehmen, sondern auch, um sich mit der Atmosphäre emotional aufzuladen. Die Marketingrelevanz solcher Dritten Orte liegt auf der Hand.
Im Bankensektor hat diese Entwicklung in den USA mit der Umpqua-Bank begonnen: Sie wurde ursprünglich als Holzfällerbank gegründet. Für diese Berufsgruppe musste oft ein kurzer Stadtaufenthalt genügen, bevor man wieder in die Wildnis aufbrach. Dass dabei ein starkes Bedürfnis entstand, nicht nur einfach die Geldgeschäfte zu erledigen, sondern auch sich ein wenig „umsorgt“ zu fühlen, ist nicht verwunderlich. So setzte die Umpqua-Bank bereits vor über 20 Jahren auf ein Filialkonzept, das in der Anmutung mehr an eine Lounge erinnert, als an eine Bank: Der Kunde trinkt einen Kaffee, schmökert ein wenig in aufliegenden Büchern zum Thema Geld und plaudert mit einem Berater über dieses und jenes. Die Bankgeschäfte und Beratungen erledigen sich für den Kunden sozusagen nebenbei.
© Fotos: Daniel Hinterramskogler
Dieser Paradigmenwechsel vom Geldpalast zum Laden um die Ecke (die Umpqua-Bank nennt ihre Filialen „Neighborhood Stores“) – aber eben mit Klasse und Design – ist nun auch in Europa angekommen. Durch unsere Arbeit als Beratende Dramaturgen für das neue Retail-Konzept der Erste Bank durften wir einen Teil davon mitgestalten. Im Beratungszentrum Floridsdorf kann man schon heute sehen wohin die Reise in den kommenden Jahren gehen wird.
Mein Vortrag bei der BIT 2016 wird sich mit den Hochgefühlen, die hinter den alten und den neuen Banken stehen, beschäftigen und jene psychotechnischen Faktoren entschlüsseln, die einen Finanz-Ort als emotionales Geschenk erlebbar machen.
Christian Mikunda spricht auf der BIT 2016 am 19./20. Mai 2016 in Stegersbach.