Die letzte Meile wie von selbst. Autonomes Fahren als Chance und Gefahr für den Schienenverkehr.
Es ist kein Geheimnis, dass im Gegensatz zur Automobilindustrie Selbstfahrkonzepte in der Schienenverkehrsbranche über lange Zeit vernachlässigt wurden. Probleme im Streckennetz, Überschneidungen zwischen Personen-, Güter, Nah- und Schnellverkehr sowie länderspezifische Eigenheiten haben den Faktor Mensch als schwer ersetzbares Element im Zugverkehr erhalten.
In Zeiten der Digitalisierung, weiter stark zunehmender Urbanisierung und der immer stärkeren Integration der Verkehre mit innerstädtischen Infrasturkturkonzepten sind die Vorteile einer autonomen Steuerung auch für Bahnen nicht mehr zu ignorieren. Gerade auf dem Logistiksektor wird es hier zwangsweise zu Veränderungen kommen. Mit den technologischen Fortschritten in der Automobilindustrie wird der Lkw zunehmend zur ernsthaften Konkurrenz der Bahn. Selbstfahrende LKW- Konvois, die zudem auf der ersten und letzten Meile deutliche Kosteneinsparungen gegenüber dem Zug versprechen sind laut Trendforschen bereits bis zum Jahr 2020 denkbar. Neue Geschäftsmodelle rund um die „freie Zeit der Insassen“ machen das selbstfahrende Auto auch zur Bedrohung für den schienengebundenen Personenverkehr.
Das diese Szenarien nicht nur real, sondern bereits mitten in der Entwicklung sind zeigten Stefan Poledna, Vorstand bei TTTech und Stefan Wolf, Leiter der Abteilung Langzeitstrategie bei VW-Nutzfahrzeuge in ihren Beiträgen zum 11. Europäischen Schienengipfel in Wien.
Dr. Stefan Poledna und Dr. Stefan Wolf präsentieren Konzepte vom selbstfahrenden Auto am Schienengipfel 2015
Autonome Steuerungssysteme sind aber bei weitem nicht die einzigen Faktoren die in den kommenden Jahren „Mobilität neu definieren“ werden. Die allgegenwärtige Digitalisierung wird von der Arbeitsplatzgestaltung bis hin zum Vertriebssystem tiefgreifende Veränderungen für Bahnmitarbeiter und Bahnkunden bringen. Großprojekte in der europäischen Schieneninfrastruktur eröffnen neue Routen und Perspektiven für die Bahn und zunehmend komplexere Personenflüsse werden hohe Flexibilität und Innovationswillen von der gesamten Branche verlangen. Dessen ist man sich in den Chefetagen der europäischen Bahnindustrie sehr bewusst, was einige prominente Vertreter im Vorstandspanel zum Thema „Mobilität im Wandel“ eindrucksvoll dargelegt haben.
Sicher ist: Es kommen spannende Zeiten auf die europäischen Bahnen zu. Wieweit sich Mobilität innerhalb eines kurzen Zeitraums neu definieren lässt wird mit Sicherheit zu einem der Themen auf dem 12. Europäischen Schienengipfel 2016 werden.