Wie die Initiatorin und Gastgeberin betonte, war 2020 dem Fachbeirat doppelt zu danken, weil das Programm gleich zweimal hatte konzipiert werden müssen.
Die Sprecherin des Fachbeirates, Gefion Hauer (HEAD), erwiderte den Dank mit dem Hinweis darauf wie wichtig es ist, dass Business Circle auch heuer wieder einen Treffpunkt für Unternehmensjuristen geschaffen hat, zumal sich diese nun verstärkt als Krisenmanager auf den Plan gerufen sind. Auch wenn jeder nur zwei bis drei wichtige Punkte, die man vorher noch nicht kannte, von der Konferenz mitnimmt, kann sich das schon als unendlich wertvoll erweisen.
Podiumsdiskussion: Unternehmensjuristen als Krisenmanager
Neben Dr. Hauer diskutierten Marielouise Gregory (A1 Telekom), Christian Kaufmann (voestalpine), und Alexander Schall (UniCredit Bank Austria) über neue Herausforderungen und neue Arbeitsweisen seit dem 13. März 2020. Alle hatten in ihren Unternehmen die Beobachtung gemacht, dass nun in kürzester Zeit Dinge und Projekte möglich waren, die kurz zuvor noch niemand anzugehen gewagt hatte. Das „Hinaus“ aus festgefahrenen Dingen – natürlich unter Wahrung des Compliance-Managements – wurde allgemein auch als große Chance verstanden. Als problematisch empfand man die unsichere Rechtslage aufgrund teilweise unklarer oder einander widersprechenden Aussagen seitens der Regierung. In dem Moment, in dem eine Guideline geschrieben war, war sie schon wieder unaktuell.
Unsere Arbeiter können den Hochofen nicht mit ins Home-Office nehmen
(Christian Kaufmann, voestalpine)
Die anschließende Diskussion mit dem Publikum drehte sich zunächst um das physische Organisieren von Teams im Home-Office und um das veränderte Führen und Motivieren, bevor das Augenmerk auf die Vorbereitung und Durchführung einer virtuellen Hauptversammlung schwenkte. Wie ein langjähriger Stammteilnehmer schmunzelnd anmerkte, hatte man vor 15 Jahren auf der RuSt noch über die Rechtsverbindlichkeit von E-Mails gegenüber Briefen diskutiert.
Alexander Petsche (Baker McKenzie) und Alexander Schall beschäftigten sich mit der Frage, inwieweit Force Majeure, also „Höhere Gewalt“ in der COVID-19-Zeit zum Tragen kommt. Als die FM-Klausen in Verträge geschrieben wurden wusste niemand, was damit eigentlich gemeint sein könnte, man hatte vielleicht einen Blitzschlag oder ein Hochwasser, nicht aber eine globale Pandemie im Sinn. Beide Vortragende erläuterten mit umfangreichen Praxisbeispielen, wie beispielsweise mit unterbrochenen Lieferketten, aus rechtlicher Sicht umzugehen ist.
Während es im ersten Teil also um die Leistungserhaltung bzw. Leistungssicherung ging, drehte sich der zweite Teil des Vormittags, geleitet von Stefan Weber (Weber RAe) und Katharina Gamharter (RBI), darum, Zahlungen erhalten und zu sichern. Hier wurde der Themenkreis um Verzug, Darlehen, Insolvenzgefahr und Cash-Pooling behandelt.
Nach der Mittagspause folgten die beliebten Round Table- Sessions, die sich mit den aktuellen Themen:
- EU Whistleblower Richtlinie: Einführung und Umsetzung
- Kurzarbeit und ihre arbeitsrechtlichen Folgen
- Finanzierungen: (Erste) Learnings aus COVID-19
- Homeoffice: Rechtliche Implikationen für Unternehmen und Mitarbeiter
befassten. In einem Setting ohne Frontalvortrag und Präsentationstechnik tauschten sich die Teilnehmer über ihre Herausforderungen und Lösungsansätze aus.
Mit Kreativität und Innovation die digitale Rechtsabteilung gestalten
Die letzte fachliche Session gestalte der General Counsel der Software AG, Martin Clemm, der aus Berlin zugeschaltet war und auch aus seiner Praxiserfahrung als technischer Berater der deutschen Unternehmensjuristenverbandes berichtete. Welche Voraussetzungen, und das nicht nur rechtlich, organisatorisch und technisch, sondern vor allem auch im Mindset, zum Beispiel ein modernes Dokumentenmanagement erfordert, haben viele jetzt erst gemerkt, wo plötzlich alles möglich zu sein scheint. Es schloss sich eine Q & A -Session an, in der insbesondere noch die Risiken in Bezug auf Cybersecurity besprochen wurden.
Sie werden nicht an der Zukunft vorbeilaufen können
(Martin Clemm)
Dennoch warnte Herr Clemm vor „Automatisierungsgläubigkeit“ – ein Vertrag muss nicht nur deswegen gut und richtig sein, weil er von einem Legal Bot maschinell erstellt wurde.
Das Schöne an der Krise
Der Philosoph und Bestsellerautor Michael Lehofer erklärte, warum eine Krise eine Chance bergen kann. Auf den ersten Blick muss das ja keinesfalls so sein: Man hat eine gutgehende Firma und plötzlich bricht das Geschäft weg, der Ehepartner/partnerin läuft davon, was soll das bringen? Von einer richtigen Krise kann man erst sprechen, wenn die Reaktion darauf über ein „naja, wird eh schon wieder“ hinausgeht.
Das gewohnte Unglück ist den meisten lieber als das ungewohnte Glück
(Michael Lehofer)
Inbegriff der Freiheit ist es, doch ohne das leben zu können, von dem man abhängig zu sein glaubte. Darüber darf aber nicht vergessen werden, dass ein Trauer- oder Verabschiedungsprozess vom Alten notwendig ist, um mit erleichtertem Herzen und frischem Geist Neues zu beginnen. Gerade das wird in Unternehmen oft übergangen, die Veränderungen per se mit Verbesserungen gleichsetzen.
Nach Prof. Lehofers Worten trat im Zuhörerkreis noch ein Moment nachdenklicher Stille ein, bevor ein großer Applaus einsetzte.
Romy Faisst bedankte sich in ihrem Schlusswort bei allen Mitwirkenden und stellte in Aussicht, dass die Krise auch für den Unternehmensjuristen Circle die Chance für einen Erneuerungsprozess bietet – man darf auf die 13. Durchführung im Jahr 2021 gespannt sein.
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