Als Folge der Annexion der Halbinsel Krim und der Unterstützung der prorussischen Separatistengebiete Luhansk und Donetsk wurden bereits 2014 Sanktionen gegen Russland verhängt. Im Vergleich zu den heutigen Sanktionen können die ersten Beschränkungen als relativ mild eingestuft werden – auch wenn die Wahrnehmung damals eine ganz andere war und die Sanktionen als sehr problematisch und kritisch empfunden wurden.
Neben viel Verunsicherung haben die Sanktionen von 2014 zu erhöhten Compliance-Anforderungen geführt und bereits damals die russische Wirtschaftsentwicklung negativ beeinflusst – u.a. durch die Unterbindung des Zugangs zum günstigen EU-Kapitalmarkt oder der Sanktionierung von Exportwaren für den strategisch wichtigen Ölsektor in Russland. Es wurde auch ein Lieferverbot für militärisch verwendete Dual-Use-Güter, ein Militärgüterembargo sowie ein Handelsembargo für die Halbinsel Krim eingeführt. Die Personenlistungen waren hingegen überschaubar und betrafen kaum wirtschaftlich relevante Unternehmen.
In der Praxis waren Exporteure und Investoren jedoch plötzlich damit konfrontiert, das Russlandgeschäft im Vorfeld auf Sanktionen zu prüfen – schließlich tragen sie die Verantwortung für das jeweilige Geschäft und müssen der Ausfuhrkontrolle bei Bedarf nachweisen, dass sie sanktionskonform gehandelt haben. Viele dieser – vor allem kleineren – Unternehmen hatten aber oft noch keine eigene Compliance-Abteilung und standen daher vor neuen Herausforderungen.
Um österreichische Firmen beim Export nach Russland bzw. der Investition in Russland zu unterstützen, bietet das AußenwirtschaftsCenter Moskau seit 2014 umfassende Sanktionsberatungen an. Diese beinhalten in erster Linie die Erläuterung von Sanktionsbestimmungen sowie konkrete Hinweise, welche Prüfungsschritte zu setzen sind. Darüber hinaus stellt das AußenwirtschaftsCenter Moskau auch Eigentümerauskünfte zu russischen Geschäftspartnern bereit und hilft beim Namensabgleich mit sanktionierten Personen sowie dem Abgleich des Exportguts mit sanktionierten Zolltarifnummern. Zudem hat das AußenwirtschaftsCenter Moskau mit der Sanktions-Gesamtübersicht einen praktischen Leitfaden für den Umgang mit Russland-Sanktionen erstellt.
Von 2014 bis 2021 haben die Russland-Sanktionen der EU sich kaum verändert – sie wurden im Wesentlichen nur um einige Personenlistungen erweitert. Im Gegensatz dazu hat die USA Ihre Sanktionen in dieser Zeit extrem verschärft und neben umfassenden neuen Personenlistungen im Jahr 2017 auch extraterritoriale Sanktionen – die sogenannten „secondary sanctions“ - gegen Russland eingeführt. 2019 folgten zudem die ersten US-Sanktionen gegen die neue Gaspipeline Nord Stream 2.
Erst mit Beginn des Angriffskriegs auf die Ukraine 2022 hat auch die EU ihre Sanktionen gegen Russland massiv ausgeweitet. Die Anzahl der gelisteten natürlichen Personen hat sich mit knapp 1190 Personen mehr als verfünffacht und die Zahl der sanktionierten Firmen mit 110 verdoppelt. Unter den Listungen waren erstmals Schlüsselfirmen aus verschiedenen Sektoren, Oligarchen sowie hochrangigste Politiker bis hin zum russischen Präsidenten zu finden.
Embargos für Donezk und Luhansk
Daneben wurden Embargos für die besetzen Gebiete Donezk und Luhansk sowie schmerzhafte Sanktionen gegen wichtige Sektoren der russischen Wirtschaft eingeführt. Hierzu zählte ein Investitionsverbot für den Energiesektor und die Ausweitung bestehender Exportverbote auf zivile Dual-Use-Güter. Zudem wurden Ausfuhrbeschränkungen für gänzlich neue Bereiche eingeführt – so für den gesamten Luftfahrtbereich und Teile der Schifffahrt. Auch Hochtechnologien und Industriegüter wurden mit Exportverboten belegt, um die russische exportorientierte Industrie und auch die Militärindustrie zu schwächen. Gleichzeitig wurden aber auch Importverbote von der EU eingeführt, um die Erlöse aus den russischen Exportgeschäften zu reduzieren und die Finanzierung des Krieges in der Ukraine für Russland zu erschweren. Unter das Importverbot fallen russische Waren aus Eisen und Stahl, Erdöl, Kohle sowie andere wichtige russische Exportwaren wie Holz, Wodka oder Kaviar.
Neben Investitions- und Handelsbeschränkungen schränkte die EU auch die Erbringung bestimmter Dienstleistungen für russische Personen oder auf russischem Territorium ein (bspw. Treuhand, Rating oder Buchhaltung) und verbot die Ausstrahlung russischer staatlicher Nachrichtenkanäle in der EU. Zudem wurde die Reistätigkeit zwischen der EU und Russland massiv eingeschränkt. Der direkte Flugverkehr wurde sanktionsbedingt unterbunden und die Visavergabe für russische Staatsangehörige erschwert. Russische Kreditkarten Visa und Mastercard funktionieren aufgrund von Sanktionen außerhalb Russlands nicht mehr und russische Lastwägen dürfen nur mit einer Ausnahmegenehmigung in die EU einreisen. Sogar die Schifffahrt ist betroffen, denn Schiffen unter russischer Flagge ist der Zugang zu Schleusen oder Häfen in der EU untersagt.
Nicht zuletzt sind auch die EU-Beschränkungen im Finanzbereich stark erweitert worden, um Russland von westlichen Finanzmärkten weiter zu isolieren. So wurden große russische – primär unter staatlichen Einfluss stehende - Banken vom SWIFT-System ausgeschlossen oder gar generell sanktioniert (Sberbank und VTB). Die Bereitstellung öffentlicher Finanzmittel für den Handel mit Russland bzw. Investitionen in Russland sind ebenso verboten wie der Verkauf von in Euro notierenden Wertpapieren an russische Personen. Der EU-Börsenhandel und EU-Bankkontoeinlagen sind für russische Personen nur beschränkt zugänglich. Die Bereitstellung von Euro-Banknoten nach Russland ist untersagt.
Trotz der massiven Verschärfungen der Sanktionen ist ein wirtschaftlicher Austausch aber in gewissen Bereichen weiterhin möglich. Das AußenwirtschaftsCenter Moskau steht österreichischen Exporteuren und Investoren in Russland daher weiterhin zur Seite, um sie durch das höchst komplexe Sanktionsthema zu navigieren und die sanktionsfreien Bereiche aufzuzeigen. Das ist insbesondere für jene österreichische Firmen relevant, die in den letzten Jahren in Russland selbst investiert haben und damit auch ihre eigenen Betriebe in Russland schützen müssen. Dass dieser Service gerne angenommen wird, bezeugt die Vielzahl an Anfragen, die laufend im AußenwirtschaftsCenter eintreffen. Sollten auch Sie Fragen zu den Russland-Sanktionen haben, schreiben Sie gerne an moskau@wko.at.
Der Autor: Mag. Nuri Feichtinger ist seit 2013 am AußenwirtschaftsCenter Moskau tätig und federführend für das Sanktionsthema verantwortlich. Zu seinen Aufgaben gehört insbesondere die Beratung zu Russlandsanktionen und Unterstützung bei Sanktionsprüfungen, wo er in den die letzten 9 Jahren wertvolle Erfahrung sammeln konnte. Am 17. November 2022 ist er zusammen mit Alexander Krause, Andritz AG und Monika Polzin, WU Wien Gastgeber eines Workshops „Compliance vor neuen Ufern: Europa im Umbruch Politik, Wirtschaft & Gesellschaft vor der Sinnesfrage und der Restrukturierung“
Weiterführender Link:
Gesamtübersicht Russland-Sanktionen der WKO