Alexander Tesche ist Leiter des Konzernstabsbereiches Business Compliance der STRABAG SE. Wir sprechen über die speziellen Herausforderungen im Compliance Management eines internationalen Bauunternehmens und darüber, welche Risikofelder in Zukunft ein besonderes Augenmerk verlangen.
Business Circle: Sehr geehrter Herr Dr. Tesche, Sie kommen mit Ihrem Werdegang eher aus dem Bereich Finanzen / Controlling, wie sind Sie zur jetzt zur Compliance gelangt und wie helfen Ihnen Ihre Controlling-Erfahrungen beim Compliance Management?
Alexander Tesche: Nach mehr als 30 Jahren Tätigkeit im Controlling und als kaufmännischer Geschäftsführer bzw. kaufmännischer Vorstand hat mich der CEO unseres Konzerns gebeten, den neu geschaffenen Konzernstabsbereich Compliance zu übernehmen. Wenn der CEO eines Konzerns um etwas bittet, dann können sie nicht nein sagen. Allerdings hat mich auch die Aufgabe gereizt, denn Business Compliance umfasst den gesamten STRABAG SE-Konzern und nicht nur eine Teileinheit. Die operative Erfahrung der vielen Jahrzehnte versetzt mich in die Lage, die Sorgen und Nöte der operativen Kolleg:innen im Hinblick auf Compliance zu verstehen und ihnen pragmatische, aber rechtlich saubere Lösungen anzubieten.
BC: Im Lichte Ihrer Erfahrungen aus den letzten zwei Jahren: Sehen Sie Verbesserungspotenzial bei der Kommunikation zwischen Unternehmen und Regulator? Welche Learnings haben Sie erzielt?
Tesche: Die Kommunikation zwischen Unternehmen und Regulator muss stets offen und zielgerichtet verlaufen. Mit pragmatischen Beispielen, wie es nicht gehen darf oder soll und konkreten Lösungsvorschlägen werden hohe Lernerfolge im Unternehmen erzielt. Nicht die theoretischen Abhandlungen sondern die praktischen Probleme und deren Lösungen helfen den Kolleg:innen weiter.
Priorität für Compliance Officer ist es, den Konzern vor den größtmöglichen Risiken zu bewahren
BC: Welche Strategien und Vorgehensweisen würden Sie Ihren Compliance-Kollegen empfehlen, um trotz Ressourcenknappheit ethisch einwandfreies Wirtschaften sicherzustellen? Wie setzt man am besten Prioritäten?
Tesche: Die Priorität eines Compliance Officers ist es, den Konzern vor den größtmöglichen Risiken, das sind Amtsträgerkorruption, Kartellbildung und Sanktionsverstöße, zu bewahren. Hierzu ist eine ständige Bewusstseinsbildung beim Management erforderlich. Dies sollte einerseits durch Online-Schulungen, andererseits durch gezielte Präsenz-Schulungen in besonders kritischen operativen Einheiten geschehen. Selbstverständlich hilft ein klarer ton from the top des CEO bei der Durchsetzung ethisch einwandfreien wirtschaftens.
BC: CS3D und Lieferkettengesetz waren jetzt die juristischen Buzzwords im Frühjahr. Welche zukünftigen Wechselwirkungen und Entwicklungen erwarten Sie im Themenkomplex Lieferkettengesetz und Wirtschaftssanktionen?
Tesche: Das Lieferkettengesetz und auch z. B. die EU-Entwaldungsverordnung können sehr schnell zu Sanktionen führen, wenn die Europäische Union feststellt, dass in bestimmten Ländern ein nachhaltiges Wirtschaften nicht zu erreichen ist. Ob es gleich zu Sanktionen kommt, sei dahingestellt, sicher ist, dass die Thematik sorgfältige Auswahl der Lieferanten ein ganz wichtiger Teil des Compliance Managements, wir nennen es Social Compliance, sein wird. Wirtschaftssanktionen sind nicht vorhersehbar, stellen aber eine große Bedrohung für ein Unternehmen dar, wenn sie missachtet werden. Hier muss Compliance in den Schulungen das Augenmerk auf Aufklärung legen und Mittel zur Prüfung vor dem Eingehen einer Geschäftsbeziehung zur Verfügung stellen.
BC: Im Ukraine-Krieg stehen Indien und China eher auf Seite Russlands. Welche weiteren Märkte und Krisenherde sehen Sie als potenziell risikoreich in Bezug auf zukünftige Sanktionen, insbesondere hinsichtlich der BRICS-Staaten?
Tesche: Kritisch sind alle Staaten, in denen ein hohes Investment aus Russland zu vermuten ist. Ich sehe weniger grundsätzlich die BRICS-Staaten als kritisch, sondern eher mit Russland verbündete oder besonders benachbarte Staaten, mit denen Russland die Wirtschaftssanktionen umgeht. Hier sehe ich die Gefahr einer deutlichen Ausweitung der Wirtschaftssanktionen, damit nicht durch Umgehungstatbestände sensible Waren und Materialien nach Russland gelangen können.
BC: Die Sanktionen haben – zumindest kurzfristig - Russland weniger geschadet als Deutschland, welche Schlussfolgerungen für die Zukunft kann man daraus ziehen? Insbesondere, falls China (z.B. durch Aggression gegen Taiwan) in den Fokus von Sanktionen rücken sollte?
Tesche: Ob die Sanktionen Russland weniger geschadet haben als Deutschland oder Österreich, kann ich nicht beurteilen, da ich den Zustand der russischen Wirtschaft nicht im Detail kenne. Allerdings gibt es zahlreiche Abhandlungen über die Wirksamkeit von Sanktionen oder Boykott-Aufrufen, die allesamt zu dem Ergebnis kommen, dass auf Grund der Heterogenität der Staaten und der Welt, alle diese Maßnahmen letztendlich nicht zum gewünschten Erfolg geführt haben. Totalitäre Staaten, die ein einziges politisches Ziel verfolgen, lassen sich von Sanktionen nicht beeindrucken. Der Iran ist ein klassisches Beispiel dafür. Die Staatengemeinschaft muss mit diesen Ländern keinen Handel treiben, aber vor allem im Finanzsystem sehe ich die Hebel, weniger im Waren- und Dienstleistungsaustausch.
BC: Abschließend: Sie werden zur „Compliance now!“ zum ersten Male bei uns vortragen (Glückwunsch dazu!). Warum ist es für Sie so wichtig, sich im Bereich Compliance zu vernetzen und worauf freuen Sie sich am meisten?
Tesche: Im Bereich Compliance können wir alle viel voneinander lernen. Alle Compliance Officer arbeiten in unterschiedlichen Branchen, unterschiedlichen Firmenstrukturen und unterschiedlichen Ländern. Jede Konferenz, an der ich teilgenommen habe, hat mir neue und wichtige Informationen gegeben, wie es die anderen „machen“. Ich freue mich besonders darauf, die Erfahrungen und Methoden der Kolleg:innen aus dem Bereich Compliance, aber auch auf den juristischen Sektor, kennen zu lernen, um die eine oder andere Anregung für unser eigenes Compliance Management System mitzunehmen.
BC: Sehr geehrter Herr Dr. Tesche, Danke für diesen spannenden Input, wir freuen uns schon sehr, Sie persönlich zur „Compliance now!“ zu begrüßen, um diese Einsichten noch mehr zu vertiefen.
Dr. Alexander Tesche ist Leiter des Konzernstabsbereiches Business Compliance der STRABAG SE, eines der größten Bauunternehmen in Europa und weltweit. Im Rahmen der "Compliance now!" ist er gastgebewr eines Panels: "New Normal“ - Resümee, Handlungsempfehlungen, Grauzonen, offene Punkte in der Sanktionsumsetzung mit Russland.