- Public CbC-Reporting
Maßnahme 1 sieht vor, dass große Unternehmen mit einem konsolidierten Konzernumsatz von mehr als EUR 750 Mio verpflichtet sein sollen, Informationen über ihre effektive Körperschaftsteuerbelastung der breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Diese effektive Steuerbelastung soll aus dem Verhältnis der tatsächlich weltweit entrichteten Körperschaftsteuer zu dem unternehmensrechtlichen Ergebnis errechnet werden. Als Blaupause soll die Methodik der Ermittlung der „Effective Tax Rate“ im Rahmen der globalen Mindestbesteuerung (Säule II) dienen. Dieses „Public CbCR-Reporting“ zielt darauf ab, Ertragsteuerinformationen multinationaler, in der EU tätiger Konzerne transparent zu machen und einer intensiveren öffentlichen Kontrolle zu unterziehen. Die entsprechende Richtlinie der Kommission vom 24.11.2021 (EU) 2021/2101 (ABl L 429/1 v. 1.12.2021) - in Kraft seit 21.12.2021 - ist von den Mitgliedstaaten bis zum 22.6.2023 in nationales Recht zu übernehmen und gilt für Geschäftsjahre, die am oder nach dem 22.6.2023 beginnen.
Die Veröffentlichungspflicht trifft sowohl Unternehmensgruppen, deren Konzernobergesellschaft die in einem EU-Mitgliedstaat ansässig ist, als auch in Drittstaaten ansässigen Unternehmensgruppen, die mittelgroße oder große Tochtergesellschaften oder entsprechende Zweigniederlassungen (Betriebsstätten) innerhalb der EU halten. Ausgenommen von vom „Public CbC-Reporting“ sind Kreditinstitute, wenn diese nach aufsichtsrechtlichen Vorschriften ohnehin einen solchen Bericht veröffentlichen müssen.
- Maßnahmen gegen Briefkastenfirmen
Als Maßnahme 2 wurde in der Mitteilung der Kommission eine Richtlinie angekündigt, die sich gegen die missbräuchliche Nutzung von Briefkastenfirmen für Steuerzwecke in der EU richten soll und den steuerschonenden Einsatz substanzlosere Rechtsgebilde, die keiner wirtschaftlichen Tätigkeit nachgehen, verhindern soll. Die Kommission hat am 22.12.2021 [COM(2021) 565 final] den Richtlinienvorschlag einer „Unshell Directive“ veröffentlicht, der inzwischen aufgrund einer Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses angepasst worden ist.
Innerhalb der EU ansässigen Briefkastenfirmen sollen dadurch zusätzliche Erklärungspflichten auferlegt werden, abkommensrechtliche Steuervorteile und solche die sich aus EU-Richtlinien ergeben, sollen verweigert werden. Einkünfte solcher Briefkastenfirmen sollen dem dahinter stehenden Nutzungsberechtigten zugeordnet werden. Ergänzt durch einen Informationsaustausch auf Grundlage der EU-Amtshilferichtlinie („DAC 9“). Den Mitgliedstaaten soll auch das Recht eingeräumt werden, in diesem Zusammenhang grenzüberschreitende Betriebsprüfungen („Joint Audits“) zu initiieren. Auch durch die verstärkte Prüfung nationaler Steuerrechtsordnungen anhand der Vorschriften über staatliche Beihilfen soll eine faire Besteuerung innerhalb der EU sichergestellt werden. Geht es nach der Kommission, soll die Richtlinie auf Geschäftsjahre anzuwenden sein, die ab dem 1.1.2024 beginnen.
- Empfehlung zur steuerlichen Behandlung von Verlusten
In Maßnahme 3 hat sich die Kommission in einer Empfehlung (EU) 20217801 v. 18.5.2021 zur steuerlichen Behandlung von Verlusten während der COVID-19-Krise geäußert und den Mitgliedstaaten vorgeschlagen, Verlustrückträge bis zu einem Betrag von EUR 3 Mio zumindest rückwirkend bis 2017 zu gestatten und Unternehmen die Möglichkeit einzuräumen, die nach ihren Schätzungen im Steuerjahr 2021 zu erwartenden Verluste sofort nutzen zu können, ohne bis zur Abgabe der Jahressteuererklärung zuwarten zu müssen.
Österreich hat mit dem KonStG 2020 (BGBl I 96/20209 bzw der COVID-19-Verlustberücksichtigungsverordnung (BGBl II 2020/405) zur Abmilderung der wirtschaftlichen Auswirkungen der COVID-19-Kriste zeitlich befristet im Bereich des Einkommen- und Körperschaftsteuerrechts die Möglichkeit vorgesehen, betriebliche Verluste zeitlich befristet innerhalb eines Höchstbetrages von insgesamt EUR 5 Mio in das Jahr 2019 rückzutragen und unter bestimmten Voraussetzungen maximal EUR 2 Mio in das Jahr 2018. Auch Maßnahmen zur vorgezogenen Verlustberücksichtigung wurden gesetzt.
In ihrer Mitteilung hat die Kommission auch ins Auge gefasst, sich auch mit der grenzüberschreitenden Berücksichtigung von Verlusten beschäftigen zu wollen.
- Eigenkapitalverzinsung und Begrenzung des Zinsabzugs
In Maßnahme 4 wurde die Erarbeitung des Richtlinienvorschlags einer „debt equity bias reduction allowance“ (DEBRA) in Form eines Freibetrages für die Zufuhr von Eigenkapital vorgeschlagen, wozu die Kommission am 11.5.2022 [COM(2022) 216 final] einen Richtlinienentwurf und ein Arbeitspapier präsentiert hat. Der Richtlinienvorschlag sieht vor, dass für Eigenkapital, das einem Unternehmen neu zugeführt wird, fiktive Zinsen steuerlich abzugsfähig sein sollen. Der Freibetrag soll sich aus der Differenz zwischen dem Nettoeigenkapital am Ende des Steuerjahres und dem Nettokapital am Ende des vorangegangenen Steuerjahres errechnen, multipliziert mit einem fiktiven Zinssatz. Der fiktive Zinssatz soll dem 10-jährigen risikofreien Zinssatz für die jeweilige Währung entsprechen, aufgestockt um einen Risikoaufschlag von 1 % bzw 1,5 % für KMUs. Ungenützte Freibeträge sollen zeitlich unbegrenzt vorgetragen werden können. Jener Anteil des Freibetrages, der 30 % des EBITDA übersteigt, soll nur 5 Jahre vorgetragen werden können.
Der Richtlinienentwurf sieht verschiedene Anti-Missbrauchsbestimmungen vor, darunter eine Beschränkung der Abzugsfähigkeit von Fremdkapitalzinsen, die auf 85 % beschränkt werden soll. Ist die sich daraus ergebende Betriebsausgabe höher als die Zinsschranke gemäß Art. 4 Abs. 1 ATAD I (§ 12a KStG) kann nur der jeweils niedrigere Betrag gelten gemacht werden. Die Differenz soll vor- und rücktragsfähig sein. Ziel der Kommission ist es, die Richtlinie 2023 zu verabschieden und ab 1.1.2024 wirksam werden zu lassen.
- BEFIT – Ein KöSt-System für das 21. Jahrhundert
Als Maßnahme 5 hat die EU-Kommission unter dem Titel „Business in Europe: Framework for Income Taxation“, kurz „BEFIT“ angekündigt, die CCCTB-Richtlinienvorschläge aus 2011 und 2016 betreffend die Schaffung einer gemeinsamen konsolidierten Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage zu ersetzen und ein System zu schaffen, bei dem die Gewinne einer innerhalb der EU tätigen Unternehmensgruppe anhand einer Formel verteilt werden. Damit sollen Befolgungskosten gesenkt, Investitionshemmnisse beseitigt und die Standortattraktivität der EU erhöht werden. Die Arbeiten zur CCCTB und Elemente des von der OECD entwickelten „Zwei-Säulen-Konzepts“ sollen dabei mitberücksichtigt werden. Die OECD-Arbeiten zur „Säule II“ sind bereits in die ab 1.1.2024 anzuwendende Richtlinie zur Gewährleistung einer globalen Mindestbesteuerung für multinationale Unternehmensgruppen und große inländische Gruppen in der EU eingeflossen (ABl EU L 321/1 v. 22.12.2022). BEFIT besteht aus fünf zentralen Bausteinen, die im dritten Quartal 2023 in eine EU-Richtlinie gegossen werden sollen.
Offen ist, ob der Anwendungsbereich der BEFIT-Regelung, auf Unternehmensgruppen mit einem konsolidierten Gesamtumsatz von EUR 750 Mio eingeschränkt werden soll, oder eine niedrigere Eintrittsschwelle zweckmäßiger wäre, um auch KMUs den Zugang zu der pauschalen Gewinnaufteilung zu ermöglichen. Ähnlich der globalen Mindestbesteuerung („Säule II“) soll die KöSt-Bemessungsgrundlage auf Grundlage des unternehmensrechtlichen Jahresabschlusses ermittelt werden. Um eine Gewinnaufteilung im Konzern anhand komplexer Verrechnungspreisregeln zu vermeiden, sollen Gewinne und Verluste einer Unternehmensgruppe formelbasiert (Sachanlagen/Personalkosten/Umsatz) auf die einzelnen EU-Mitgliedstaaten aufgeteilt werden. Im Verhältnis zu Gesellschaften in Drittstaaten müssen zwar die internationalen Verrechnungspreisvorschriften eingehalten werden. EU-Unternehmen sollen jedoch entlastet werden, indem zur Bestimmung der Fremdüblichkeit makroökonomische Branchen-Benchmarks als Orientierungshilfe herangezogen werden.
- Maßnahmen gegen Vermittler aggressiver Steuergestaltungsmodelle
Die Kommission arbeitet an Maßnahmen, die es ermöglichen sollen, gegen sogenannte „Professional Enabler“ vorzugehen, die Steuerhinterziehung und aggressive Steuerplanungen ermöglichen und begünstigen. Dabei handelt es sich um angehörige bestimmter Berufsgruppen – darunter Steuerberater und Anwälte – die ihre besonderen Kenntnisse und Fähigkeiten dazu verwenden, Abgaben zu hinterziehen, diese zu fördern oder rechtliche Graubereiche zu nutzen, die dem Gesetzeszweck widersprechen. Solche „Vermittler“ sollen speziellen Sorgfaltspflichten unterliegen und verpflichtet werden, im Wege einer Selbsteinschätzung zu evaluieren, ob die von ihnen ermöglichten Gestaltungen Steuerhinterziehung oder aggressive Steuerplanung ermöglichen. Auch die Einführung eines Verhaltenskodex wird evaluiert, samt einem Verbot, sich an aggressiven Steuergestaltungen im Ausland zu beteiligen, solche Modelle auszuarbeiten, zu vermarkten, einzurichten oder bei deren Umsetzung zu helfen. Zuwiderhandeln soll mit Geldstraften bis hin zu einem Berufsverbot geahndet werden. Für Berater aus Drittstaaten, die innerhalb der EU Steuerberatung anbieten, soll eine Registrierungspflicht eingeführt werden.
Auch Unternehmen könnten insofern neue Meldepflichten drohen, als sie verpflichtet werden könnten, in ihren Steuererklärungen jede Beteiligungen an einem nicht börsennotierten Unternehmen außerhalb der EU, die 25 % überschreitet, anzugeben.
- Quellensteuerentlastung innerhalb der EU
Unter dem Titel „Quellensteuern – ein neues EU-System zur Vermeidung von Doppelbesteuerung“ hat die Kommission Anfang 2022 eine öffentliche Konsultation mit dem Ziel gestartet, die mühsamen Verfahren iZm der Entlastung bzw der Erstattung von Quellensteuern auf Dividenden und Zinsen innerhalb der EU zu vereinfachen, missbrauchsresistenter zu gestalten und durch Ergänzung der Amtshilferichtlinie einen automatischen Informationsaustausch über die betroffenen grenzüberschreitenden Zahlungen zu ermöglichen.
StB Prof. Dr. Stefan Bendlinger
StB Prof. Dr. Stefan Bendlinger ist Partner der ICON Wirtschaftstreuhand GmbH. Er ist Fachautor, Vortragender, Lektor an Universitäten und Fachhochschulen und stv. Leiter der Arbeitsgruppe„ Internationales Steuerrecht“ des Fachsenats für Steuerrecht der KSW. Beim TAX Circle ist Stefan Bendlinger langjähriges Mitglied im Fachbeirat und gibt in diesem Jahr in bewährter Form ein Update aus dem internationalen Steuerrecht.