Business Circle: Sehr geehrte Frau Dr. Ségur-Cabanac, Eingangs bitten wir Sie um Ihre Einschätzung als Head of Compliance: Für wann rechnen Sie mit einem österreichischen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz?
Natalie Ségur-Cabanac: Ich gehe davon aus, dass erst die Verabschiedung der entsprechenden Lieferkettenregulierung (CSDD – Corporate Sustainability Due Diligence Directive) auf EU Ebene abgewartet wird. Mit einem Abschluss der CSDD ist nicht vor Ende 2023/Anfang 2024 zu rechnen, eine Umsetzung ist bis 2025 geplant. Es wird wohl erst danach konkrete Umsetzungsschritte in Österreich geben.
BC: Aufgrund der starken wirtschaftlichen Verflechtung stellt sich anschließend die Frage, inwiefern österreichische Unternehmen ohnehin schon davon berührt sind ?
Ségur-Cabanac: Das Deutsche Lieferkettengesetz hat durchaus bereits jetzt Auswirkung auf österreichische Unternehmen, es sind unsere Wirtschaften ja eng verbunden. Unternehmen arbeiten grenzüberschreitend zusammen, da werden bereits jetzt Fragebogen und Checklisten zur Beantwortung vorgelegt, die auch österreichische Unternehmen dazu bringen, sich im Hinblick auf Nachhaltigkeitskriterien konkret mit der Lieferkette und allen daran Beteiligten auseinander zu setzen.
Es wird einiger Anstrengung bedürfen, ein Umdenken zu bewirken.
BC: Ist das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz nur eine weitere neue Regel oder könnte das ein Game-Changer im Compliance Management sein, weil ganz neue Risiken mitbedacht werden müssen?
Ségur-Cabanac: Für mich persönlich birgt eine konsequente und ehrliche Regulierung der Lieferkette eine sehr große Chance für Umwelt und Menschen. Unternehmen haben dabei eine sehr wichtige Rolle. Ein ehrliches Compliance Managementsystem kann dabei Risiken für Menschen und Umwelt transparent machen. Es wird aber einiger Anstrengung bedürfen, ein Umdenken zu bewirken.
BC: Welche speziellen Risiken kommen auf heimische Unternehmen zu?
Ségur-Cabanac: Unternehmen sollten Know how aufbauen, wie diese neue Art von Risikoassessment funktioniert. Menschenrechtsfolgeabschätzungen und Umweltfolgeabschätzungen werden wohl in Zukunft fixer Bestandteil in Beschaffungsprozessen sein.
BC: Was sollte man am besten schon jetzt in den Code of Conduct einarbeiten?
Ségur-Cabanac: Unternehmen sollten sich mit ihrem Geschäftsmodell auseinandersetzen und prüfen, inwiefern es den Zielen des Green Deal entspricht bzw dort einzahlt und damit zukunftsfit ist. Allenfalls müssen Strategien gefasst oder angepasst werden. Im Rahmen der Compliance sollte dann die eigene Lieferkette im Hinblick auf die kommenden Anforderungen an Transparenz und anderen Vorgaben geprüft werden und die erforderlichen Dokumentationen vorbereitet und sichergestellt werden,
BC: Abschließend etwas Persönliches: Wir gehen ja schon einige Jahre ein Stück gemeinsamen Weges, was ist Für Sie das Besondere an Business Circle Konferenzen?
Ségur-Cabanac: Ich komme immer sehr gerne zu Konferenzen und Seminaren von Business Circle. Die Themen sind immer aktuell, oft werden sogar Fragen gestellt und diskutiert, die zu diesem Zeitpunkt noch keine endgültigen Antworten erwarten lassen, aber eine Auseinandersetzung damit im größeren Kreis ermöglicht. Teilnehmenden, denen ich bei Veranstaltungen von BC begegne, sind meist interessiert und an dem Diskurs mit anderen interessiert. So entstehen wachsende und lernende Communities über Jahre hinweg.
BC: Sehr geehrte Frau Dr. Ségur-Cabanac, wir danken Ihnen für dieses Gespräch und freuen uns, Sie im November zur "Compliance now!" zu begrüßen.
Dr. Natalie Ségur-Cabanac hat 20 Jahre Erfahrung als Juristin und Expertin für Datenschutz, Regulierung und Compliance im Telekommunikationssektor. Am 16. November 2023 ist sie im Rahmen der „Compliance now!“ Gastgeberin eines Round Tables mit dem Thema „Human Rights Impacts Assessment – Warum die Compliance bei den Lieferkettensorgfaltspflichten das Risiko Assessment neu denken muss!“