Romy Faisst eröffnete am 7. Oktober 2021 die 10. Jahrestagung “Compliance now!”. Im dritten Anlauf war es jetzt gelungen, nach zwei Corona-bedingten Absagen den Termin zu fixieren und die Tagung durchzuführen, und das – nolens volens – durch die aufziehende Regierungskrise in Österreich mit brennender Aktualität. Die Jubiläumstagung konnte sogar mit einem Teilnahmerekord aufwarten, dieser war einerseits der Treue der langjährigen Stammkunden zu verdanken und andererseits dem bemerkenswerten Umstand, dass über 70 Compliance-Expertinnen und -Experten heuer zum ersten Mal mit dabei waren.
ReThink Compliance
Der fachliche Leiter Alexander Petsche dankte in seiner Begrüßung all jenen, die nun seit mehr als 10 Jahren zusammen mit Business Circle treue Wegbegleiter bei der Implementierung und Weiterentwicklung von Compliance Systemen in Österreich sind. Viele dieser „First mover“ sind Stammkunden und/oder Stammvortragende der Compliance now! und der heurige Teilnehmerrekord zusammen mit dem bemerkenswerten Umstand, dass fast die Hälfte der Teilnehmerinnen und Teilnehmer zum ersten Mal dabei war, zeigt, dass die Community weiter wächst. Mit der 10. Jahrestagung soll die Gelegenheit ergriffen werden, von Compliance-Manager zu Compliance-Manager auf Augenhöhe zu diskutieren, wie die eigene Rolle positiv weiterentwickelt werden kann. Es reicht in einer Compliance-Krise nicht aus, den bestehenden Code of Conduct um wieder um 1000 Seiten zu erweitern, sondern das, was sich bewährt hat, weiterzuführen, immer neu zu evaluieren und sich auch nicht zu scheuen, alte Zöpfe abzuschneiden.
Josef Wieland: Compliance ist mehr als Missverhalten und Bestrafung
Prof. Dr. Josef Wieland von der Zeppelin-Universität am Bodensee beschäftigt sich schon seit fast 40 Jahren mit dem Thema Compliance und gilt manchen als der Compliance-Papst im deutschsprachigen Raum. Er plädierte in seiner Keynote dafür, Compliance nicht als rein juristisches Thema zu begreifen. Wohlverhalten kann nicht nur durch Sanktionen erzwungen, sondern durch einen ganzheitlichen Ansatz ermöglicht und wirksam gemacht werden. Dafür ist es essentiell, auf kontinuierliche Prozesse in Netzwerken zu setzen um die richtigen Rahmenbedingungen für Integrität zu schaffen.
Die Prioritäten anders setzen: Markus Jüttner
Markus Jüttner ist SVP Compliance bei e.on und Vorstandsmitglied des Deutschen Instituts für Compliance. Er plädierte dafür, im Compliance-Management die Prioritäten neu zu setzen. Das machte er deutlich, indem er der Gauß’schen Normalverteilung eine Pareto—Verteilung gegenüberstellte: Neben einigen wenigen Überkorrekten gibt es die breite Mitte, die schon einmal kleinere Verfehlungen begeht und dann eben noch diejenigen 5 %, welche zu massiven dolosen Handlungen fähig sind. Diese letzten 5 % sind es aber, welche 95 % des Schadens anrichten. Compliance-Systeme machen oft den Fehler, sich zu sehr auf Einladungslisten und Weihnachtsgeschenke zu konzentrieren, die wirklich schwerwiegenden Risiken aber darüber aus den Augen zu verlieren.
„Enron hatte auch einen dicken Code of Ethics“
(Markus Jüttner)
Peter Krammer, Strabag: Ein Paradebeispiel für tone from the top
Nachdem die Strabag in Zusammenhang mit dem Baukartell in die Schlagzeilen geraten war, hatte Peter Krammer als Vorstand das Steering Commitee selbst aufgestellt und geführt. In seinem engagierten Vortrag konnte man spüren, wie ernst er das Thema Compliance persönlich nimmt. Mit seinem Vorredner stimmte er darin überein, dass eine Diskussion um die 40 Euro-Grenze von den Kernproblemen eher ablenkt. Wichtig ist hingegen eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Vorstand und Chief Compliance Officer, der sich der vollen Rückendeckung sicher sein muss und andererseits bei einem Verdachtsfall auch keine Sekunde zögern darf.
Ethik und Compliance in der Politik: Festakt mit Altbundespräsident Heinz Fischer
Ohne zu sehr auf die tagesaktuellen Ereignisse einzugehen spannte Dr. Fischer einen weiten Bogen über das historische Zusammenspiel von Macht und Werten. In der Geschichte hat sich „Der Zweck heiligt die Mittel“ stets als Irrtum erwiesen. Außergewöhnliche Situationen müssen als solche erkannt und beurteilt werden und dürfen nicht als Anlass genommen werden, allgemeingültige Rechte einzuschränken. Auch in einer Demokratie, die Freiheit und Gleichwertigkeit garantieren soll, drängt Macht zur Akkumulation, diese Antipoden müssen im Gleichgewicht bleiben. Es ist eine Sisyphusaufgabe, Macht permanent zu kontrollieren, zu beobachten und zu regulieren, um ein demokratisches System aufrecht zu erhalten. Das gilt im Staat wie im Wirtschaftsleben.
Nach seinem Vortrag, der viel Beifall fand ließ es sich der Altbundespräsident nicht nehmen, noch ein wenig zu bleiben, einige Gespräche zu führen, für Erinnerungsfotos zu posieren und das erste Bierfass des Abends mit anzuschlagen. Der traditionellen Compliance-konformen Party stand also nichts mehr im Weg.
Was Compliance- mit ESG-Management gemeinsam hat.
Der zweite Konferenztag begann mit einer Podiumsdiskussion. Unter der Leitung von Eva-Maria Ségur-Cabanac (Baker McKenzie) stellten sich Philipp Gaggl (PwC) Roland Mechtler (RBI) und Katja Tautscher (Borealis) einer Zukunftsfrage für das Compliance-Management. Im Nachhaltigkeitsmanagement wird nicht nur durch neue EU-Regularien, sondern auch seitens der Stakeholder immer mehr Erwartungsdruck aufgebaut. Gerade am Anfang werden die Compliance Manager noch sehr gefordert sein, bevor sich dann der ESG-Manager voraussichtlich als eigenes Berufsbild etablieren wird. Als Querschnittsmaterie mit einem essentiellen tone from the top und dem Anspruch, „externe“ Werte im Unternehmen umzusetzen, hat Nachhaltigkeit große Ähnlichkeiten mit Compliance, so dass die Compliance-Abteilung eine große Hilfe beim Aufbau eines ESG-Managements sein kann.
Abschluss mit Michael Lehofer: Das gute Leben jenseits der Regeln
Michael Lehofer ist Psychologe, Psychiater, Philosoph und Bestsellerautor. In seinem Abschlussvortrag brachte er nach der politisch-historischen Betrachtung Dr. Fischers eine philosophische Sichtweise mit ein. Das gute Leben beginnt dort, wo man nicht mehr meint, Ziele und Erwartungen erfüllen zu müssen, die Freiheit beginnt dort, wo man merkt, dass man ohne das, was man gerade verloren hat, auch gut kleben kann. Eine Krise kann dabei oft als Katalysator wirken. Das Annehmen seiner Selbst gilt ihm als Grundvoraussetzung für ein vollkommenes Leben. Der Compliance Community gab er mit auf den Weg, die Parallelität zwischen Regeln und Sinnstiftung nicht aus den Augen zu verlieren.
„Es war ein Volksfest“
(Alexander Petsche)
Die Initiatorin Romy Faisst dankte allen Beteiligten dafür, eine solche Tagung wieder möglich gemacht zu haben und insbesondere den Vortragenden für ihr Engagement. Aber nicht nur die Vorträge, auch die Diskussionen und Wortmeldungen aus dem Publikum haben gezeigt, wie hochkarätig die Community ist. Mit der Bitte an alle, auch weiterhin die eigene Compliance-Schatztruhe zu öffnen und Kolleginnen und Kollegen Einblick zu gewähren, endete die 10. „Compliance now!“
Die 11. „Compliance now!“ findet am 17./18. November 2022 statt.
Hier geht es zum Gesamtangebot Compliance – insbesondere zu den Lehrgängen zum zertifizierten Compliance Officer.
[ 2J ToolBox: Error: Looks like plugin uninstalled, but this instance require this plugin for workflow ]