1. Zurechnung von Wirtschaftsgütern und Einkünften bei Markenrechten
Der VwGH hatte sich in der Entscheidung vom 27. 11. 2020, Ra 2019/15/0162, mit der Zurechnung von Einkünften aus immateriellen Wirtschaftsgütern (Markenrechten) zu befassen. Der VwGH stützt seine Entscheidung auf das wirtschaftliche Eigentum und wählt damit einen überraschenden Lösungsweg, der Fragen aufwirft. Es zeigte sich bei der Diskussion des Judikats im Rahmen der "RuSt", dass der gewählte Lösungsweg aus den unterschiedlichen Blickwinkeln der Autoren - der Wissenschaft, der Verwaltung und der Beratung - differenziert bewertet wurde.
Der Entscheidung lag (soweit erkennbar) folgender Sachverhalt zugrunde:
- Eine österreichische Kapitalgesellschaft ("M-GmbH"), die Teil eines Konzerns ist, verfügte ursprünglich neben einer Handelstätigkeit auch über Markenrechte und Immobilien. Mit Spaltungsstichtag 31. 3. 2007 wurden die Immobilien auf eine konzernzugehörige Kapitalgesellschaft und mit Spaltungsstichtag 30. 9. 2007 der Handelsbetrieb auf eine weitere konzernzugehörige österreichische Kapitalgesellschaft (die Revisionswerberin) abgespaltet, sodass lediglich die Markenrechte (damals bewertet mit 383,5 Mio €) bei der M-GmbH verblieben.
- Die Markenrechte wurden am 25. 9. 2007 in eine im selben Jahr in Malta "errichtete" Betriebsstätte "überführt". Der Ort der Geschäftsleitung der M-GmbH wurde sodann am 15. 1. 2008 nach Malta verlegt.
- Zwischen der Revisionswerberin und der M-GmbH wurde ein Lizenzvertrag abgeschlossen, wodurch die Revisionswerberin berechtigt war, die Marken der M-GmbH für Zwecke ihrer Handelstätigkeit gegen eine umsatzabhängige Lizenzgebühr zu nutzen.
- Nach den Feststellungen der Außenprüfung betrug die tatsächliche Steuerbelastung der Lizenzeinkünfte in Malta 5 %.
- Seitens der Revisionswerberin wurde ua vorgebracht, dass die Kosten der Markenpflege im Ergebnis von der M-GmbH getragen werden, da in den Lizenzvereinbarungen eine Bewerbungspflicht für die Lizenznehmer enthalten ist und dafür niedrigere Lizenzgebühren verrechnet werden. Auch hat die Revisionswerberin vorgebracht, dass die Marken auf den Namen der M-GmbH registriert sind, sich die M-GmbH um den Schutz der Marken auf internationaler Ebene kümmert, die "Eigentümerfunktion" ausübt und das "Eigentümerrisiko" trägt.
- Das BFG hat festgestellt, dass eine Mitarbeiterin der M-GmbH mit Markenverwaltung, Registrierung und Markenführung sowie mit der Überwachung von Markenaktivitäten und dem Entwurf von Lizenzverträgen und ein Mitarbeiter der M-GmbH mit Rechtsberatung beschäftigt waren. Alle anderen Angestellten, bis auf eine Mitarbeiterin mit 40 Wochenstunden für Buchhaltung und Finanzen, waren nach den Feststellungen des BFG Teilzeitkräfte, die mit Unterstützungsdienstleistungen und Marktforschung befasst waren. Die Lohn- und Gehaltszahlungen der M-GmbH haben 2008 insgesamt rund 92.000 € und 2009 insgesamt rund 77.000 € betragen und sich auf acht Personen verteilt. Vor diesem Hintergrund ist das BFG zur Ansicht gekommen, dass alle maßgebenden Markenverwaltungs-, -erhaltungs- und -bewirtschaftungsaufgaben (wie vor der Abspaltung) von anderen Konzerngesellschaften oder von konzernexternen beauftragten Spezialisten besorgt werden und die M-GmbH dabei nur unterstützend, ähnlich einer konzerninternen Rechts- und Werbeabteilung ohne Möglichkeit der strategischen Einflussnahme, tätig wird.
- Auch hat das BFG festgestellt, dass die Werbelinie des Konzerns durch die Revisionswerberin entsprechend ihren Anforderungen vorgegeben wurde, wobei die Brand Manager der M-GmbH an diesem Prozess teilnehmen, die Entscheidungen aber von Organen der Revisionswerberin getroffen werden. Bei der Revisionswerberin ist nach den Feststellungen des BFG im Jahr 2008 ein Werbe- und Marketingaufwand von rund 56,4 Mio € und im Jahr 2009 von rund 67,9 Mio € angefallen; bei der M-GmbH von 96.000 € im Jahr 2008 und rund 432.000 € im Jahr 2009.
- Lizenzeinnahmen der M-GmbH wurden nach den Feststellungen des BFG als Darlehen an andere Konzerngesellschaften vergeben oder ausgeschüttet.
- Schließlich hat das BFG festgestellt, dass die M-GmbH im Betriebsprüfungszeitraum (bis Ende 2009) keine neuen Marken registriert hat, also die "Markenrechtsschöpfung" durchwegs in der Zeit erfolgt ist, wo Marken und Handelstätigkeit noch nicht getrennt waren.
Strittig war, ob die Revisionswerberin den Aufwand aus den der M-GmbH geschuldeten Lizenzgebühren in den Jahren 2008 und 2009 als Betriebsausgabe abziehen kann. Das BFG hat das verneint und dieses Ergebnis (soweit erkennbar) darauf gestützt, dass das wirtschaftliche Eigentum an den Markenrechten bei der Revisionswerberin gelegen ist und (alternativ) auch der Missbrauchstatbestand (§ 22 BAO) verwirklicht ist.
Der VwGH hat die Sichtweise des BFG bestätigt und sich dabei (nur) mit dem wirtschaftlichen Eigentum an den Markenrechten beschäftigt. Aus Sicht des VwGH hält die M-GmbH die Markenrechte lediglich treuhändig für die Revisionswerberin (Rz 22 ff):
- "Die revisionsgegenständliche Abspaltung des bisherigen operativen Handelsbetriebs bei konzerninterner Entkleidung der abgespaltenen Handelsgesellschaft von ihren bisherigen Markenrechten und einer nachfolgenden (exklusiven) Überlassung dieser Markenrechte im Konzern erfordert eine genaue Prüfung nach den (...) Grundsätzen des wirtschaftlichen Eigentums, weil die Zurückbehaltung eines nudum ius wie des gegenständlichen Markenrechts in der bisherigen Gesellschaft und die Fortführung des operativen Handelsbetriebs ohne Aufrechterhaltung der Rechte an den von ihm genutzten Markenrechten in einer neuen Gesellschaft bei weitgehend unverändertem Ablauf der bisherigen Marketingaktivitäten eine Treuhandschaft und das Auseinanderfallen von juristischem und wirtschaftlichem Eigentum durchaus nahelegen kann. Entscheidend für die steuerliche Beurteilung im Revisionsfall ist somit (...) die Frage des wirtschaftlichen Eigentums an den revisionsgegenständlichen Markenrechten (...)."
- Der VwGH verweist sodann auf die zuvor angeführten Feststellungen des BFG zum Sachverhalt (Markenrechte wurden vor der Abspaltung geschaffen; im Betriebsprüfungszeitraum wurden keine neuen Marken registriert; Werbelinie gemäß Konzernvorgaben; Entscheidungen werden durch Organe der Revisionswerberin getroffen; Höhe des jeweiligen Marketingaufwands; Höhe des Gehaltsaufwands bei der M-GmbH in Relation zum Wert ihres Vermögens; bloße Unterstützungstätigkeiten durch die M-GmbH) und kommt zum Ergebnis: "Wenn das BFG vor diesem Hintergrund trotz der formalen Zurückbehaltung des juristischen Eigentums an den Markenrechten von einem bei der Abspaltung der Revisionswerberin mitübertragenen wirtschaftlichen Eigentum der Revisionswerberin an den zu diesem Zeitpunkt bereits geschaffenen Markenrechten ausgeht, kann darin keine vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifende Rechtswidrigkeit erblickt werden. Hat im gegenständlichen Fall die Revisionswerberin dennoch Lizenzverträge mit der M GmbH abgeschlossen, kann der Grund dafür nicht im Erwerb der ihr als wirtschaftliche Eigentümerin ohnedies von vornherein zustehenden Nutzungsberechtigung gelegen gewesen sein. Das BFG hat somit zu Recht die Betriebsausgabeneigenschaft der von der Revisionswerberin unter dem Titel ‚Lizenzzahlungen‘ geleisteten Beträge verneint."
- Ergänzend führt der VwGH aus: "Sofern die Revision dem entgegenhält, dass (...) auch deutsche Konzerngesellschaften an die maltesische Gesellschaft Lizenzgebühren zahlen und gleichzeitig selbst Werbeaufwendungen tätigen, so zeigt sie damit keine Unschlüssigkeit der Argumentation des BFG auf. Es liegt nämlich in der Natur eines Treuhandverhältnisses, dass nach außen nur der Treuhänder (hier die maltesische Gesellschaft) auftritt; da aber die Dispositionsbefugnis über das Treugut dem Treugeber zukommt, wird der Einkunftstatbestand aus der Nutzungsüberlassung bei dem diese Befugnis wahrnehmenden Treugeber verwirklicht sein. Für die von der Revision ins Treffen geführten Rechte der M GmbH als zivilrechtliche Eigentümerin der Marken sowie für die Chance auf Wertsteigerungen bzw. das Eigentümerrisiko gilt: Auch sie hat zunächst der Treuhänder, getragen werden sie aber vom Treugeber."
Diese Begründung erscheint im Lichte der bisherigen Rechtsprechung des VwGH zum wirtschaftlichen Eigentum durchaus überraschend. Demnach ist das wirtschaftliche Eigentum nicht vorrangig dadurch geprägt, wer Chancen und Risiken überwiegend hat. Vielmehr dürfte die bisherige Rechtsprechung zum wirtschaftlichen Eigentum dem Grundsatz folgen, dass die steuerliche Zurechnung eines Wirtschaftsguts zum zivilrechtlichen Eigentümer erfolgt, sofern die dem zivilrechtlichen Eigentümer verbleibende Rechtsposition wirtschaftlich noch ins Gewicht fällt. Dabei dürfte unerheblich sein, ob das weitere Schicksal des Wirtschaftsguts überwiegend eine andere Person berührt. Die Anforderungen an die steuerliche Zurechnung eines Wirtschaftsguts zum zivilrechtlichen Eigentümer erscheinen daher relativ gering, wenn man die bisherige Rechtsprechung betrachtet. Nach dieser Rechtsprechung wäre daher zu erwarten gewesen, dass das wirtschaftliche Eigentum einer Gesellschaft, die rechtlich Inhaberin von Markenrechten ist, nur schwer "angegriffen" werden kann.
Auch ist die Frage, ob eine Treuhandschaft vorliegt, keine Frage, die nach steuerlichen Grundsätzen zu beurteilen ist, sondern dies richtet sich nach den zivilrechtlich abgeschlossenen Vereinbarungen. Den vom BFG getroffenen Sachverhaltsfeststellungen, auf die sich auch der VwGH stützt, ist nicht zu entnehmen, dass ein Treuhandverhältnis rechtlich tatsächlich begründet wurde.
Eventuell hat sich der VwGH daher bei seinen Überlegungen zum wirtschaftlichen Eigentum der Revisionswerberin vom Fremdvergleich leiten lassen und den verwirklichten Sachverhalt insgesamt als nicht fremdüblich angesehen, da erhebliche Lizenzzahlungen geleistet werden, obwohl die wesentlichen Entscheidungen und Funktionen sowie der ganz überwiegende Marketingaufwand vom Lizenznehmer getragen werden. Vor diesem Hintergrund ist der VwGH bei der Beurteilung des wirtschaftlichen Eigentums vielleicht von einem angenommenen fremdüblichen Sachverhalt ausgegangen und hat das wirtschaftliche Eigentum dementsprechend zugeordnet.
Aus Beratersicht stellt sich allerdings die Frage, ob der Fremdvergleichsgrundsatz tatsächlich so weit geht und ob die Treuhandschaft in der vorliegenden Konstellation die einzige fremdübliche Gestaltung war. Der Lösungsansatz des VwGH wirft auch die Frage auf, ob das wirtschaftliche Eigentum an den Markenrechten anlässlich der Spaltung zunächst von der M-GmbH (entsprechend der bei der Spaltung getroffenen Vermögenszuordnung) zurückbehalten und sodann außerhalb der Spaltung, daher aus steuerlicher Sicht gewinnrealisierend, übertragen wurde, oder ob das wirtschaftliche Eigentum sogleich mit dem Handelsbetrieb (entgegen der getroffenen rechtlichen Vermögenszuordnung) aus steuerlicher Sicht steuerneutral abgespaltet wurde. BFG und VwGH haben sich für den zweiten Weg entschieden ("[…] bei der Abspaltung der Revisionswerberin mitübertragene[n] wirtschaftliche[n] Eigentum der Revisionswerberin an den zu diesem Zeitpunkt bereits geschaffenen Markenrechten […]"). Damit ist allerdings verbunden, dass die steuerliche Zuordnung des Vermögens anlässlich der (steuerlich rückwirkenden) Spaltung davon abhängt, wie sich die Parteien in weiterer Folge verhalten (bei umfassender Aktivität und Substanz in Malta wäre das Ergebnis wohl anders gewesen).
Aus dogmatischer Sicht hätten auch gute Gründe dafür sprechen können, den Fall nicht über die Zuordnung des wirtschaftlichen Eigentums, sondern über eine Auseinandersetzung mit der Fremdüblichkeit der durchgeführten Verrechnungen (§ 6 Z 6 EStG und Art 9 des DBA Österreich-Malta) zu lösen. Jene Sachverhaltselemente, die aus Sicht des VwGH relevant waren, um dem österreichischen Lizenznehmer das wirtschaftliche Eigentum an den Markenrechten zuzurechnen, sind auch aus Sicht der OECD nach dem "DEMPE"-Konzept relevant, um das Besteuerungsrecht an Erträgen aus immateriellen Wirtschaftsgütern festzulegen.
2. Verdeckte Ausschüttung versus Einlagenrückzahlung
Wird seitens des Finanzamtes eine verdeckte Ausschüttung auf Ebene einer Körperschaft festgestellt, stellt sich vor dem Hintergrund der unterschiedlichen steuerlichen Folgen einer verdeckten Ausschüttung iSd § 27 EStG und einer Einlagenrückzahlung iSd § 4 Abs 12 EStG auf Gesellschafterebene und der damit verbundenen KESt-Haftungsfolgen die Frage, ob und bis wann eine Körperschaft eine verdeckte Ausschüttung nachträglich auf Gesellschafterebene in eine (steuerneutrale) Einlagenrückzahlung umqualifizieren kann. Mit dieser Frage setzte sich der VwGH im Erkenntnis vom 5. 2. 2021, Ro 2019/13/0027, auseinander. Dem Erkenntnis lag folgender Fall zugrunde:
- Eine GmbH veräußerte im Jahr 2009 eine Beteiligung an einen Dritten um 473.181,80 €, wobei vom Veräußerungserlös vereinbarungsgemäß 453.181,80 € an ihren Alleingesellschafter ausbezahlt wurden und nur 20.000 € des Veräußerungserlöses der GmbH zuflossen.
- Das Finanzamt verfügte die Wiederaufnahme des Verfahrens und erließ einen geänderten Körperschaftsteuerbescheid 2009, in dem es den steuerlichen Gewinn der GmbH aufgrund der Beurteilung des Vorganges als verdeckte Ausschüttung um 453.181,80 € erhöhte. Diesen Betrag wertete das Finanzamt auch auf Ebene des Alleingesellschafters als verdeckte Ausschüttung und zog die GmbH zur Haftung für die auf diese Ausschüttung entfallende KESt heran.
- Der Beschwerde gegen den Haftungsbescheid durch die GmbH, die das Vorliegen einer nachträglichen Einlagenrückzahlung mangels erwirtschafteter Gewinne und vorhandener Einlagen argumentierte, gab das BFG teilweise Folge. Nach Ansicht des BFG habe nämlich im Ausmaß der auf dem Evidenzkonto der GmbH vorhandenen Einlagen die verdeckte Ausschüttung im Verhältnis zum Alleingesellschafter in eine (nicht der KESt unterliegende) Einlagenrückzahlung "umgedeutet" werden können.
Aufgrund einer Amtsrevision des Finanzamtes hob der VwGH die Entscheidung des BFG als inhaltlich rechtswidrig auf. Das Höchstgericht kam zum Ergebnis, dass die nachträgliche Umqualifizierung einer verdeckten Ausschüttung durch die GmbH nach Ablauf des Jahres 2009 nicht möglich sei. Das Gesetz sehe die Möglichkeit, eine Ausschüttung nach dem Entstehen der Steuerschuld als "Einlagenrückgewähr" (gemeint wohl: Einlagenrückzahlung iSd § 4 Abs 12 EStG) zu qualifizieren, nicht vor. Der Zeitpunkt der Steuerschuldentstehung für die zu veranlagenden Abgaben - somit der Ablauf des Kalenderjahres, für das die Veranlagung vorgenommen wird - sei nämlich als Endzeitpunkt zu werten, bis zu welchem die Kapitalgesellschaft dem Finanzamt gegenüber die Wahl treffen könne, eine Vermögenszuwendung an den Gesellschafter statt als (verdeckte) Ausschüttung als Einlagenrückgewähr zu werten.
Der VwGH kam zu diesem Ergebnis zunächst aufgrund der Feststellung, dass es einer Kapitalgesellschaft nach § 4 Abs 12 EStG idF vor dem Steuerreformgesetz 2015/16 grds freistehe, Zuwendungen an ihre Gesellschafter ertragsteuerlich als verdeckte oder offene Ausschüttungen iSd § 27 EStG oder - bei ausreichendem Einlagenstand - als Einlagenrückzahlung iSd § 4 Abs 12 EStG zu behandeln. Er betonte weiters, das im Falle von verdeckten Zuwendungen an Gesellschafter - quasi als Grundregel - vom Vorliegen einer verdeckten Ausschüttung auszugehen sei, sofern nicht der Nachweis einer Einlagenrückzahlung vorliege. Wenngleich das Judikat zwar nicht die geltende Rechtslage betraf, dürfte es in Bezug auf verdeckte Ausschüttungen auch unverändert Relevanz für die Neuregelung des § 4 Abs 12 EStG haben, zumal diese weder in § 4 Abs 12 EStG idF vor dem Steuerreformgesetz 2015/16 noch idF des AbgÄG 2015 vom Gesetzgeber angesprochen werden.
Das Judikat veranschaulicht, dass bei einer verdeckten Ausschüttung auf Ebene der Körperschaft für Zwecke der KSt nicht auch korrespondierend dazu eine verdeckte Ausschüttung auf Gesellschafterebene für Zwecke der KESt vorliegen muss, sofern das entsprechende Wahlrecht zur Umqualifizierung entsprechend zeitnah zur verdeckten Ausschüttung ausgeübt wird.
Der VwGH verwies zwar explizit auf den Einklang des Ergebnisses im gegenständlichen Fall mit seiner stRsp, wonach die Rückgängigmachung einer verdeckten Ausschüttung iSd § 8 Abs 2 KStG nur bis zum Bilanzstichtag des betroffenen Wirtschaftsjahres (der ausschüttenden Körperschaft) möglich sei, orientierte sich aber letztlich hinsichtlich des Endzeitpunkts zur Umqualifizierung am Zeitpunkt der Steuerschuldentstehung gem § 4 Abs 2 lit a Z 2 BAO für die zu veranlagende ESt und KSt und stellte damit bemerkenswerterweise nicht auf den für kapitalertragsteuerpflichtige Einkünfte relevanten Zuflusszeitpunkt ab. Der VwGH begründete dieses Ergebnis mit der "Vermeidung unsachlicher Differenzierungen", weil verdeckte Ausschüttungen nur in bestimmten Konstellationen dem Kapitalertragsteuerabzug unterliegen würden. Dies führt im Ergebnis dazu, dass bei einem Regelwirtschaftsjahr die Umqualifizierung einer verdeckten Ausschüttung in eine Einlagenrückzahlung (auf Ebene des Gesellschafters) bis zum Ende dieses Wirtschaftsjahres möglich ist, während bei einem abweichenden Wirtschaftsjahr das Wahlrecht über den Bilanzstichtag hinausgehend bis zum Ablauf des Kalenderjahres, für das die Veranlagung vorgenommen wird, offensteht.
Da der VwGH in seiner Begründung nicht nur auf verdeckte Ausschüttungen, sondern auch auf offene Ausschüttungen Bezug nahm, erscheint es denkbar, dass seine Ausführungen zum Endzeitpunkt für die Umqualifizierung auch für offene Ausschüttungen relevant sein könnten.
Wenngleich der VwGH lediglich von einer "Erklärung" gegenüber dem Finanzamt zur Ausübung des Wahlrechts sprach und damit die konkreten Modalitäten der Bekanntgabe offenließ, könnte man hieraus schließen, dass nicht nur eine KESt-Anmeldung, sondern auch sonstige formlose Erklärungen zur Umqualifizierung einer verdeckten Ausschüttung in eine Einlagenrückzahlung geeignet wären.
3. Hybride "Sandwich-Strukturen" und die Zugehörigkeit von Beteiligungen zu Auslandsbetriebsstätten
In den vergangenen Jahren hatte sich sowohl die Verwaltungspraxis als auch die Rechtsprechung mehrfach mit der steuerlichen Behandlung sogenannter "hybrider Sandwich-Strukturen" zu befassen. Eine solche Struktur - das "K.S.-Modell" - betrifft slowakische Kommanditgesellschaften ("komanditná spoločnost", K.S.), die aus österreichischer Perspektive auf Basis des Typenvergleichs als transparente Personengesellschaften gesehen werden, aus slowakischer Perspektive aber der Körperschaftsbesteuerung unterliegen. Der Entscheidung des VwGH vom 15. 10. 2020, Ro 2019/13/0007, lag dabei eine geradezu typische Konstellation zugrunde: Anteile an einer österreichischen GmbH wurden als Einlage an eine betrieblich tätige K.S. übertragen, deren alleinige Kommanditistin (und Gesellschafterin der Komplementär-GmbH) eine österreichische natürliche Person war. Aus innerstaatlicher und abkommensrechtlicher Sicht sind damit mehrere Fragen angesprochen: Erstens, ob die Dividenden der österreichischen GmbH an die K.S. nach § 94 Z 2 EStG quellensteuerbefreit sind. Zweitens, ob der österreichische Gesellschafter nach Art 7 iVm Art 23 des DBA im Hinblick auf die der slowakischen K.S. zugehenden Dividenden unter Progressionsvorbehalt befreit ist. Und drittens, ob nachfolgende Ausschüttungen der slowakischen K.S. an den österreichischen Gesellschafter steuerpflichtig oder als steuerneutrale Entnahme zu behandeln sind.
Der VwGH hat in seiner Entscheidung vom 15. 10. 2020 mehrere dieser Kernfragen deutlich beantwortet (und musste sich dabei auch nicht mit der möglichen Frage einer missbräuchlichen Gestaltung nach § 22 BAO befassen), wobei sich die wesentlichen Eckpfeiler der Entscheidung im Lichte der bisherigen Judikatur kurz zusammenfassen lassen:
- Implizit bestätigte der VwGH zunächst die Relevanz des Typenvergleichs zur Qualifikation ausländischer Rechtsgebilde und konkret auch die Beurteilung der slowakischen K.S. als transparente Personengesellschaft für Zwecke des österreichischen Steuerrechts. Diese Einordnung wird weder dadurch verhindert, dass die K.S. eine qualifizierte Gesellschaftsform iSd Mutter-Tochter-RL ist, noch dadurch, dass sie im slowakischen Recht wie eine Körperschaft besteuert und als ansässige Person angesehen wird.
- Zudem ist der Entscheidung des VwGH inhärent, dass die Behandlung der K.S. als ansässige Steuerpflichtige im slowakischen Steuerrecht nicht schon wegen Art 7 Abs 1 des DBA dazu führt, dass Österreich an der Besteuerung des Gesellschafters gehindert wäre. Diese Folgerung ergibt sich schon daraus, dass das DBA keine Regeln zur subjektiven Zurechnung von Einkünften enthält, sondern dies vielmehr eine Frage des nationalen Steuerrechts darstellt.
- Aus der Perspektive Österreichs als Quellenstaat bekräftigte der VwGH, dass im Lichte der Mutter-Tochter-RL und der diese umsetzenden Quellensteuerbefreiung des § 94 Z 2 EStG die K.S. eine qualifizierte Rechtsform darstellt und Ausschüttungen an sie daher - bei Erfüllung auch der übrigen Tatbestandsvoraussetzungen (zB der 10%igen Mindestbeteiligung) - in Österreich ungeachtet der "Hybridität" quellensteuerbefreit sind. Dieses Verständnis entspricht auch der hA im Schrifttum. Es kommt aus dieser Perspektive daher - im Unterschied zur abkommensrechtlichen Beurteilung - auch nicht darauf an, ob die Beteiligung an der ausschüttenden österreichischen Gesellschaft einer slowakischen Betriebsstätte zuzuordnen wäre, sondern lediglich darauf, ob die K.S. als solche wirtschaftliche Eigentümerin der Beteiligung ist. Ausschüttungen an die K.S. "sind daher gemäß der in Umsetzung der unionsrechtlichen Vorgaben ergangenen Bestimmungen des [...] § 94 Z 2 EStG 1988 von der Abzugspflicht ausgenommen, auch wenn diese Gesellschaften aus der Sicht des österreichischen Steuerrechts als Personengesellschaften (also als transparent) und nicht als Körperschaften zu qualifizieren sind".
- Allerdings betraf die "hybride Sandwich-Struktur" Österreich nicht nur als Quellenstaat der Ausschüttungen, sondern auch als Ansässigkeitsstaat der Gesellschafter der K.S. Hier machte der VwGH zunächst deutlich, dass die Mutter-Tochter-RL die ansässigkeitsbasierende Besteuerung des Gesellschafters mit den (anteiligen) Einkünften aus der slowakischen Personengesellschaft im Wege der Veranlagung nicht hindert. Die Mutter-Tochter-Richtlinie und die durch sie bedingte Befreiung von der Abzugsteuer "schließen es also nicht aus, dass diese Ausschüttung bei der in Österreich ansässigen natürlichen Person, die Gesellschafter der - aus österreichischer Sicht transparenten - Gesellschaft slowakischen Rechts mit der Bezeichnung ‚komanditná spoločnost‘ ist, als Einkommen erfasst und entsprechend besteuert werden kann".
- Aus der Perspektive Österreichs als Ansässigkeitsstaat vermittle die - aus österreichischer Sicht transparente - slowakische K.S. dem österreichischen Gesellschafter eine "normale" Betriebsstätte und es komme in weiterer Folge für die Anwendung des DBA auf die "tatsächliche Zugehörigkeit der Beteiligung" an der österreichischen Gesellschaft im Sinne eines funktionalen Zusammenhanges mit der slowakischen Betriebsstätte an. Die betrieblich tätige slowakische K.S. kann somit mehrere Kreise und insb auch eine bloß vermögensverwaltende Sphäre haben: Im Falle der Zugehörigkeit der Beteiligung zu einer slowakischen Betriebsstätte der K.S. kommt es zur Befreiung der entsprechenden Einkünfte in Österreich nach Art 7 iVm Art 23 Abs 2 lit a des Abkommens, im Falle der Nichtzugehörigkeit aber zur unmittelbaren Zurechnung der Ausschüttung an den österreichischen Gesellschafter, deren Besteuerung nach Art 21 des Abkommens auch nicht beschränkt ist.
- Diese tatsächliche Zugehörigkeit wird vom VwGH abkommensautonom verstanden und deckt sich - entgegen der früheren Verwaltungspraxis - nicht zwingend mit den innerstaatlichen Konzepten des notwendigen oder gewillkürten Betriebsvermögens. An einem funktionalen Zusammenhang, auf den sich die Annahme der tatsächlichen Zugehörigkeit gründen ließe, kann es daher auch fehlen, wenn die Beteiligung "notwendiges" Betriebsvermögen darstellt. Vielmehr kommt es auf Funktion und Verwendung eines Wirtschaftsgutes in der Betriebsstätte an, wobei hier auch auf das Konzept des "wirtschaftlichen Eigentums" im Sinne des "Authorized OECD Approach" (AOA) rekurriert wird. So wurde bspw ein funktionaler Zusammenhang dann bejaht, wenn die hybride Personengesellschaft und die Beteiligungskörperschaft im selben Wirtschaftszweig tätig waren. Umgekehrt genügt es nicht, wenn die Beteiligung in den Büchern der betrieblich tätigen Auslandsgesellschaft als deren Vermögen aufscheint, und zwar auch dann nicht, wenn dies auf unternehmensrechtlichen Vorgaben in Verbindung mit der Maßgeblichkeit der Unternehmensbilanz beruhen sollte. Gleichermaßen irrelevant für die abkommensrechtliche Beurteilung ist dabei auch die innerstaatliche Gewerblichkeitsfiktion des § 2 Abs 4 EStG.
Im konkreten Fall erkannte der VwGH - ebenso wie zuvor das BFG - keine solche "tatsächliche Zugehörigkeit der Beteiligung" zu einer slowakischen Betriebsstätte der K.S., sondern ordnete diese vielmehr ihrem "vermögensverwaltenden Kreis" zu. Die bloße Stärkung der Kreditwürdigkeit reiche für eine Zuordnung zur Betriebsstätte nämlich nicht aus. Die Besteuerung unterscheidet sich daher nicht von dem Fall, dass das Engagement direkt von dem in Österreich ansässigen Gesellschafter (anstelle der hybriden Personengesellschaft) betrieben würde: Er unterliegt mit den ihm nach österreichischem Steuerrecht unmittelbar zugerechneten Einkünften (also den im Wege der slowakischen K.S. bezogenen Dividenden der österreichischen Gesellschaft) der unbeschränkten Steuerpflicht. Der Vorgang stellt sich somit aus dieser Perspektive als rein innerstaatlicher, nicht grenzüberschreitender Dividendenbezug dar; auch aus abkommensrechtlicher Perspektive wird diese Besteuerung nach Art 21 des Abkommens weder eingeschränkt noch ergibt sich sonst eine Verpflichtung zur Freistellung dieser Einkünfte. Konsequenterweise bestätigte der VwGH im konkreten Fall dann auch, dass es bei der ursprünglichen Einlage der Beteiligung in die K.S. zu keiner österreichischen Wegzugsbesteuerung gekommen ist, da die Beteiligung insofern nicht einer slowakischen Betriebsstätte zugehörig wurde (Art 13 Abs 2) und daher auch das österreichische Besteuerungsrecht nicht verloren ging (Art 13 Abs 4).
Der VwGH sprach in der Entscheidung vom 15. 10. 2020 einen weiteren interessanten Aspekt an: Im konkreten Fall erfolgte auch eine Sachausschüttung zinstragender Wertpapiere von der österreichischen GmbH an die slowakische K.S. Die entsprechenden, aus diesen Wertpapieren stammenden Zinsen durfte die Slowakei als Ansässigkeitsstaat der K.S. auch aus abkommensrechtlicher Sicht nach Art 7 Abs 1 besteuern. Zumal der VwGH aber von einer Direktzurechnung sowohl der Sachausschüttung als auch der Zinsen aus den sachausgeschütteten Wertpapieren an den österreichischen Gesellschafter ausging, war fraglich, ob das Abkommen eine Freistellung dieser Zinseinkünfte durch Österreich gebiete. Während eine solche Verpflichtung in der Vergangenheit von der Verwaltungspraxis unter gewissen Voraussetzungen durchaus (großzügig) bejaht worden ist, lehnte sie der VwGH kurzerhand ab, zumal einerseits "Österreich [...] nur dann kein Besteuerungsrecht an den aus den Wertpapieren resultierenden Kapitaleinkünften zustünde, wenn diese in einem funktionalen Zusammenhang mit der Tätigkeit der (gewerblichen) Betriebsstätte der [slowakischen K.S.] stünden", und andererseits "[d]ie einkommensteuerliche Zurechnung der Einkünfte" im Abkommen mit der Slowakei gerade nicht geregelt werde. Dieses Ergebnis liegt auch auf einer Linie mit den - womöglich bloß klarstellenden - Änderungen der Art 23A und 23B des OECD MA im Jahr 2017.
Der Artikel erschien zuerst in der RuSt 2021-Spezialausgabe der LexisNexis-Zeitschrift "RdW - Recht der Wirtschaft". Aufgrund unserer Kooperation dürfen wir ihn auch hier veröffentlichen.
Die Autoren:
StB Dr. Florian Brugger ist Partner bei KPMG in Wien, Lehrbeauftragter am Institut für Österreichisches und Internationales Steuerrecht der WU Wien sowie Mitglied im Fachsenat für Steuerrecht der KSW.
Univ. Prof. DDr. Georg Kofler, LL.M. (NYU) lehrt und forscht seit 1.10.2020 am Institut für Österreichisches und Internationales Steuerrecht der WU Wien. Zuvor war er an der JKU Linz.
Dr. Michael Schilcher ist stellvertretender Leiter der Abteilung Einkommen- und Körperschaftsteuer im Bundesministerium für Finanzen sowie externer Lektor an der Wirtschaftsuniversität Wien. Zuvor war er als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Österreichisches und Internationales Steuerrecht an der Wirtschaftsuniversität Wien und als Steuerberater in einer international tätigen Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungsgesellschaft tätig. Er ist Fachautor und Fachvortragender zu aktuellen Themen im Bereich der Einkommen- und Körperschaftsteuer.
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