Business Circle: Sehr geehrte Frau Dr. Edl, Sie sind Project Director im Bereich Circular Economy bei der OMV. Wie sind Sie zu dem gekommen, was Sie jetzt machen, und wie lange beschäftigt sich die OMV schon mit Kreislaufkonzepten?
Beate Edl: Meiner Meinung nach kann man sich dem Thema Kreislaufwirtschaft von unterschiedlichen Seiten nähern – das spiegelt sich auch in der Interdisziplinarität in unserem Circular Economy Team wider, wo KollegInnen mit technischer, wirtschaftlicher oder juristischer Ausbildung zusammenarbeiten. Ich selbst habe Wirtschaftsingenieurwesen-Maschinenbau an der Technischen Universität Wien studiert und im selben Fach ein Doktorrat abgelegt. Nach Zwischenstationen als Post-Doc an der Wirtschaftsuniversität Wien und einigen Jahren in der Beratung habe ich 2019 im Projektmanagement in der OMV gestartet, wo ich an einem Projekt im Bereich Circular Economy mitarbeiten durfte – es war für mich dann schnell klar, dass mir das Thema Spaß macht und ich mich zukünftig darauf fokussieren möchte. Seit bald 2 Jahren bin ich nun im Circular Economy Team. Die OMV selbst hat bereits vor über einem Jahrzehnt gestartet, unsere heutige ReOil Technologie zu entwickeln.
BC: Daran anschließend: Was ist Ihr persönlicher Antrieb, sich gerade mit Modellen kreislaufbasierter Wirtschaft zu befassen?
Edl: Der Klimawandel ist definitiv eine der größten Herausforderungen der heutigen Zeit – in Hinblick darauf ist es unsere Pflicht, mit den uns zur Verfügung stehenden Ressourcen verantwortungsvoll umzugehen. Eine lineare Wirtschaft ist nicht mehr zeitgemäß – wir müssen danach streben, wertvolle Materialien im Kreislauf zu halten. Als leidenschaftliche Taucherin möchte ich Plastik am Ende seiner Lebenszeit nicht im Meer sehen, sondern dass es als Rezyklat einer sinnvollen und nachhaltigen Nutzung zugeführt wird.
BC: Wie beurteilen Sie die Aussage: Wir brauchen Öl für Kunststoffe und Medikamente, irgendwann wird es zu wertvoll sein, um es zu verbrennen?
Edl: Unter anderem spiegelt sich diese Aussage auch in der OMV 2030 Strategie wider. Die OMV hat sich zum Ziel gesetzt bis 2050 klimaneutral zu werden – das bedeutet auch, dass wir Mobilitätskraftstoffe nachhaltiger produzieren müssen. Der Rückgang an fossilen Produkten wird daher durch Biokraftstoffe oder synthetische Kraftstoffe ausgeglichen. Kunststoffe sollen verstärkt durch eine Kombination verschiedener Recyclingtechnologien erzeugt werden.
Den Reset-Button drücken und Erdöl zurückgewinnen
BC: Wie würden Sie das ReOil-Verfahren in drei bis vier Sätzen für jemanden beschreiben, der sich seit der Matura nicht mehr mit Chemie beschäftigt hat?
Edl: Kunststoff wird aus fossilem Rohöl hergestellt. Beim ReOil Verfahren wird Altkunststoff – der bisher nicht rezyklierbar war – erhitzt und anschließend gecrackt – cracken bedeutet, dass die Kunststoffe in ihre ursprünglichen Bestandteile zerlegt werden – also wieder ein sogenanntes synthetisches Rohöl erzeugt wird. Dieses kann danach, wie auch konventionelles Rohöl, als Einsatzmaterial für die Herstellung neuer Kunststoffe verwendet werden. Das Tolle daran ist, dass durch dieses Zerlegen in seine Ursprungsbestandteile der Reset-Button gedrückt wird und die Qualität des recycelten Kunststoffes gleich gut ist wie jene von herkömmlichen - auf konventioneller, fossiler Basis hergestellten - Kunststoffen. Das Material erhält somit ein zweites Leben.
BC: Wie schaut es denn mit der Energiebilanz beim ReOil-Verfahren aus? In welcher Form wird die benötigte Energie zugeführt und erzeugt?
Edl: Beim ReOil Verfahren arbeiten wir mit Temperaturen von rund 450 Grad – das entspricht in etwa den Temperaturen eines Pizzaofens. Im Vergleich zur Glasproduktion, wo Temperaturen von über 1000 Grad benötigt werden, ist das ein überschaubares Spektrum. Der ReOil Prozess wird derzeit mit Erdgas und Strom betrieben und beim Strom haben wir die Möglichkeit, Grünstrom zu beziehen.
BC: Sie vertreten das Thema chemisches Recycling von Seiten der OMV beim Verband der Europäischen Chemischen Industrie (Cefic) – wie steht Österreich in Bezug auf kreislaufwirtschaftliche Konzepte im EU-weiten Vergleich da?
Edl: Österreich liegt bei der Recyclingquote von Post-Consumer Kunststoff-Verpackungsabfällen mit rd. 25% in 2022 etwas unter dem EU Durchschnitt – entsprechend der EU-Single-Use-Plastics und Verpackungsrichtlinie muss bis 2025 eine Recyclingquote von 50%, bis 2030 von 55% erreicht werden. Hier ist noch einiges zu tun – mit der 2023 eingeführten einheitlichen Sammlung von Kunststoffverpackungen wurden aber definitiv Schritte in die richtige Richtung gesetzt. Als OMV Gruppe können wir mit unserem Portfolio an mechanischen und chemischen Recyclingtechnologien beitragen, diese Quoten zu erfüllen.
BC: Sie werden im November zum ersten Mal beim Circular Economy Exchange dabei sein, was möchten Sie Ihrem Publikum mitgeben und was hoffen Sie, für sich selbst von der Konferenz mitzunehmen?
Edl: Jeder kann etwas beitragen – umso besser unsere Abfallsammlung und -trennung ist, umso weniger Energie muss für die spätere Abfallsortierung eingesetzt werden und umso besser können wir recyceln. Wenn ich beispielsweise die Papierhülle von meinem Yoghurtbecher trenne und separat entsorge, kann ich effektiv nachfolgende Sortier- und Recyclingprozesse unterstützen.
Was ich selbst mitnehmen möchte: Eine Kreislaufwirtschaft kann nur sinnvoll aufgebaut werden, wenn wir entlang der gesamten Wertschöpfungskette zusammenarbeiten – ein Silo-Denken ist nicht zielführend. Für mich sind solche Veranstaltungen daher eine wunderbare Gelegenheit, mit anderen Stakeholdern in Austausch zu treten.
BC: Sehr geehrte Frau Dr. Edl, wir danken Ihnen für dieses Gespräch und freuen uns, Sie im November bei uns zu begrüßen!
DI Dr. Beate Edl arbeitet als Project Director im Bereich Circular Economy/ Business Development bei der OMV und beschäftigt sich mit dem Aufbau des Geschäftsmodells rund um OMVs patentierte chemische Recyclingtechnologie ReOil. Zudem vertritt Sie das Thema chemisches Recycling von Seiten OMV beim Verband der Europäischen Chemischen Industrie (Cefic). Beim Austrian Circular Economy Exchange nimmt sie teil am Eröffnungspanel zum Thema: Circular Economy ist mehr als Abfallwirtschaft - Wirtschaft, Technik und Soziales im unternehmerischen Handeln.