Business Circle: Sehr geehrter Herr Löffler, eingangs etwas Persönliches: Ihre Spezialgebiete sind Gebäude-Klima-Konzepte sowie mehrgeschossiger Holzhybridbau. Wenn Sie uns vielleicht in wenigen Worten skizzieren können, wie Sie zu dem gekommen sind, was Sie jetzt tun?
Christoph Löffler: Holzbau war bereits während meines Studiums einer meiner Schwerpunkte und dadurch habe ich auch einige Monate in Japan verbracht, wo ich mit den dortigen berühmten Zimmerern zusammenarbeiten durfte. Am Ende meines Studiums schlug ich aber einen anderen Weg ein und zog für sechs Jahre nach London. Dort arbeitete ich für eine Building Environment and Services Engineering Consultancy und entwickelte Energiekonzepte für Theater, Museen und diverse andere spannende Gebäudetypen. Seit fast drei Jahren arbeite ich wieder in Wien und darf diese beiden Interessen zusammenführen und versuche das Cradle to Cradle® Prinzip auf den Bausektor zu übertragen.
BC: Wie lange gibt es jetzt EPEA schon und welches war in Ihren Augen ein besonderes Leuchtturmprojekt?
Löffler: Die EPEA gibt es bereits seit 35 Jahren - sie wurde im Jahr 1987 von Prof. Michael Braungart in Hamburg gegründet. Seit 2013 kooperiert EPEA mit Drees und Sommer, wodurch einige großartige Projekte entstanden sind. Beispielsweise die Stadtverwaltung in Venlo in den Niederlanden, das Feuerwehrhaus in Straubenhardt und The Cradle in Düsseldorf. Auch mit dem neuen Drees und Sommer Büro in Stuttgart ist ein sehr nachhaltiges Gebäude entstanden. Was diese Projekte gemeinsam haben, ist der Fokus einen positiven Fußabdruck zu hinterlassen. Das bezieht sich nicht nur auf höchste Energieeffizienz in Kombination mit erneuerbaren Energienutzung und CO2 Reduzierung, sondern auch auf soziale Aspekte und die umgebende Umwelt, wie etwa Maßnahmen zur Etablierung von funktionierenden Ökosystemen.
Komplett neue Wege des Wirtschaftens
BC: Nachhaltiges Wirtschaften wird langfristig nur funktionieren, wenn sich daraus konkrete und nachweisbare Vorteile für Unternehmen ergeben, was sind die Erfolgsfaktoren des Cradle to Cradle-Prinzips?
Löffler: Ich denke, dass das Cradle to Cradle® Prinzip komplett neue Wege öffnet zu wirtschaften. Diese können langfristig das Geschäftsrisiko durch Rohstoffverknappung oder Materialpreisschwankungen signifikant reduzieren. Durch den Paradigmenwechsel, von einer linearen Durchlaufwirtschaft zu konsistent zirkulierenden Wertschöpfungssystemen, wird das Wirtschaftswachstum vom Rohstoffverbrauch entkoppelt. Im Gegensatz zum linearen Wirtschaftsmodell werden mit Cradle to Cradle® alle eingesetzten Materialien, Inhaltsstoffe und Gegenstände im Designprozess – auch in Gebäuden – als Nährstoffe berücksichtigt und konzipiert, die dann in zwei unterschiedlichen Kreisläufen zirkulieren. Nährstoffe für den “Biologischen Kreislauf” sind abbaubar und sicher, sie werden in die Biosphäre nutzbringend re-integriert. Materialien, die nicht biologisch abbaubar sind, werden so gestaltet, dass sie technisch qualitativ hochwertig wiederverwendet oder recycelbar sind und im „Technischen Kreislauf“ wieder genutzt werden können.
Jene Unternehmen, die diese Philosophie übernehmen, profitieren von ökonomischen und ökologischen Vorteilen und können neue profitable Businessmodelle wie Leasing oder Rücknahmesysteme starten.
BC: Der Begriff der Nachhaltigkeit kommt ja ursprünglich aus der Forstwirtschaft: Nicht mehr Bäume fällen als neu gepflanzt werden. Wo sehen Sie da eine natürliche Obergrenze für moderne Holzbauten?
Löffler: Wenn wir uns den jährlichen Holzzuwachs in Österreich von etwa vier Millionen Kubikmetern ansehen, scheinen wir noch ausreichend Kapazität zu haben. Wichtig ist es, unser Holz vernünftig einzusetzen. Es macht keinen Sinn auf Holzbau-Purismus zu setzen und etwa spektakuläre Hochhäuser mit Holz zu bauen. Es geht um den intelligenten Einsatz und die Kombination mit anderen Materialien, je nach Anwendungsfall. Also, zum Beispiel die bereits erwähnte Holzhybridbauweise, in der häufig neben Holz auch Stahlbeton als erdberührende Bauteile oder aussteifende (Flucht)Stiegenhäuser zum Einsatz kommt. Wichtig ist es noch, Holzbauprodukte einer Nutzungskaskade zuzuführen und erst nach vielstufiger Verwendung schlussendlich für die Energiegewinnung zu verwenden.
BC: Daran anschließend: Altes Bauholz landet derzeit meistens noch auf Schuttbergen, gibt es da Ansätze zur Wiederverwertung?
Löffler: Noch häufiger wird es thermisch verwertet. Wie vorhin erwähnt, sollte das Ziel eine Kaskade sein, in der Holz auf möglichst hohem Niveau Wiederverwendung findet. Damit wird der Vorteil des CO2 Speichers Holz ausgenutzt, um den Klimawandel entgegenzuwirken. Ich habe es in Japan miterlebt, wie hunderte Jahre alte Holzträger in neuen Gebäuden wiederverwendet wurden. Das beruht auf standardisierten Rastern und Bauweisen - da könnten wir uns etwas abschauen. Es gibt auch bereits erste Holzhersteller im DACH Raum, die eine Rücknahmegarantie für die von ihnen industrielle gefertigte Holzbauteile ausgeben - das sollte die Wertschätzung sein, die dem Baustoff entgegen gebracht wird.
BC: Holz gilt als besonders „grüner“ Baustoff, was natürlich den Preis weiter in die Höhe treibt. Ist da eine Obergrenze absehbar oder erwarten Sie eine weitere Steigerung? Und wie könnte sich das auf das Investitionsklima auswirken?
Löffler: Die langfristige Entwicklung des Weltmarktpreises von Holz zeigt, trotz des ständig steigenden Bedarfs, eine stabile Preisentwicklung - mit Ausnahme der letzten beiden Jahre. Wir sind momentan weitgehend bei den Vor-Corona Preisen angelangt. Die Preiseskapaden der letzten beiden Jahre, die wohl auch auf Spekulation beruhten, gehören hoffentlich der Vergangenheit an.
Das geniale beim Baustoff Holz ist, dass es sich in sehr hoher Qualität vorfertigen lässt und es dadurch zu weniger Mängeln auf der Baustelle kommt. Darüber hinaus lässt sich Bauzeit einsparen. Was wir sehen ist ein kostentechnisch kompetitives Baumaterial.
BC: Gibt es einfache, schnell umzusetzende Maßnahmen, die jedes Unternehmen anwenden kann, um den ökologischen Fußabdruck zu verringern?
Löffler: Mein erster Gedanke zu dieser Frage ist: Was man nicht messen kann, kann man nicht lenken. Ein erster Schritt zur Verringerung des ökologischen Fußabdrucks sind transparente Messmethoden. Das bezieht sich auf die verschiedensten Bereiche, von Energieverbrauch, Abfallaufkommen, graue Energie etc. Auf diesen Daten basierend ist es dann ersichtlich, wo Handlungsbedarf besteht und durch neue Ansätze ein möglichst großer Impact zu erzielen ist.
BC: Abschließend: Was würde Sie sich wünschen, welcher Impuls vom Kreislauwirtschaftstag am 14. Februar ausgehen soll? Welche Gedanken möchten Sie in Ihrem Publikum anregen?
Löffler: Mein persönliches Ziel ist es, das Thema kreislauffähiges Bauen und den Cradle to Cradle® Ansatz greifbar, anhand von konkreten Projekten zu zeigen und hoffentlich zu übermitteln, welche genialen Gebäude mit diesem Prozess entstehen können. Ein langfristiges Ziel ist es, gesellschaftliche Lösungen für die Herausforderungen von Heute und Morgen zu finden und die zugrundeliegenden Systeme konkret umzustellen.
BC: Herr Löffler, wir danken Ihnen für dieses Gespräch und freuen uns sehr, Sie am 14. Februar zu begrüßen!
Christoph Löffler, CEng, MCIBSE, MSc, ist Consultant bei Drees & Sommer. Seine Spezialgebiete sind Gebäude-Klima-Konzepte sowie mehrgeschossiger Holzhybridbau, worin er auf mehrere Referenzprojekte in Österreich und im europäischen Ausland verweisen kann. Am 14. Februar stellt er im Rahmen des 1. Austrian Circular Economy Exchange das Cradle to Cradle® Designprinzip vor.
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