Gesetzliche Rahmenbedingungen der Kreislaufwirtschaft
Den Auftakt machte Manfred Mühlberger, ETA Umweltmanagement. Er selbst beschäftigt sich seit 1997, dem Jahr der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung in Rio, mit dem Thema. Dieses hat in den letzten Jahren deutlich an Dynamik gewonnen. Für eine Übersicht über den derzeitigen Stand der Rahmenbedingungen im regulatorischen und rechtlichen Bereich durfte er Andreas Tschulik vom BMK begrüßen. Herr Tschulik stellte vor, wo sich Österreich auf der Reise zum zirkulären Vorzeigeland befindet: Wir sind zwar auf der Reise, aber ein zirkuläres Vorzeigeland sind wir noch nicht. Der derzeitige Ressourcenverbrauch pro Kopf und Jahr liegt bei 33 Tonnen und soll bis auf 7 Tonnen gesenkt werden. Es ist ein erklärtes Ziel, die Wirtschaft sauber und wettbewerbsfähig zu gestalten. Stolpersteine auf dem Weg dahin ergaben sich einmal aus technischen Aspekten – so gibt es zum Beispiel noch keine tragfähige Recyclingstrategie für alte E-Autoakkus, und auch aus juristischen, wo beispielsweise Eigentumsrechte eine Grenze setzen. Dennoch braucht eine gute Strategie ambitionierte Ziele. Und wenn man sich ansieht, wie sich innerhalb des 20. Jahrhunderts das Sozialprodukt pro Kopf gesteigert hat, bekommt man einen Eindruck davon, was alles möglich ist.
Podiumsdiskussion: Ambition trifft auf Realität - Kreislaufwirtschaft im Spannungsfeld von EU-Legislative und unternehmerischem Alltag
Auf dem Podium fanden sich Gerold Breuer, Erema | Andreas Tschulik, BMK | Manfred Mühlberger, ETA Umweltmanagement sowie Bernadette Luger, Stadt Wien zusammen. Man war sich einig, dass Hauptansatzpunkte in Österreich Bauwirtschaft, Infrastruktur und die Kunststoffindustrie sein werden. Dazu ist nicht nur im Gebäudesign, sondern allgemein in der Gestaltung neuer Produkte ein Umdenken notwendig, um die Rückbaufähigkeit und die Verwendbarkeit von Sekundärrohstoffen zu steigern. Leider stünden sich bei der Definition von Richtlinien für die Vorprodukte und Qualitätsstandards Bund und Länder manchmal gegenseitig im Weg.
Wie ein Baum: Das Cradle-to-Cradle-Prinzp in der Baubranche
Um Awareness beim Publikum zu schaffen, zeigte Christoph Löffler, Drees & Sommer zunächst, dass eine normale Hauswand von ganz außen bis ganz innen (inkl Leitungen un d Kabel) aus bis zu 20 Schichten besteht und nach dem Lebenszyklus des Hauses nur noch auf die Schutthalde kann. Dem gegenüber steht ein Baum,Er schont die Umwelt, bindet CO2, erzeugt Sauerstoff und dient am Ende noch als Materialdepot. Beim Cradle-to-Cradle Designprinzip werden Eigenschaften wie Trennbarkeit, Demontierbarkeit, Herkunft und Verwertung des Materials und dessen Verträglichkeit für Mensch und Umwelt bewertet und dokumentiert, um kreislauffähige Gebäude zu schaffen.
Nur was man misst, kann man steuern: Nachhaltigkeitsreporting im Licht von CSRD und EU-Taxonomie
Marina Luggauer, KPMG hat selbst einen technischen Hintergrund als Diplom-Ingenieurin. Für ein Nachhaltigkeitsreporting, bei dem ESG-Werte so wichtig werden wie Finanzkennzahlen, reicht rein ökonomisch-steuerrechtliche Kompetenz nicht aus, auch wenn richtigerweise immer wieder ein Brückenschlag zum Financial Reporting gesucht wird. Zu einem erfolgreichen Sustainability Statement kommt man am besten schrittweise, indem man anfängt, Kennzahlen zu definieren und Werte zu erheben, auch auf EU- und nationaler Ebene sind viele Regelungen noch im Entwurfsstadium. Während die EU-Taxonomie als ein Klassifizierungssystem für ökologische Nachhaltigkeit zu verstehen ist, bildet die CSRD die Basis für die Nachhaltigkeitsberichterstattung, wie zum Beispiel der Bericht darüber, wieviel Prozent der eingesetzten Materialien nach Kreislaufprinzipien entwickelt wurden.
„Ich möchte meinen Kindern und Enkeln eine lebenswerte Natur hinterlassen, das ist mein Antrieb“
(Laura Fariello, Wien Energie)
Zirkuläre Modelle aufbauen, implementieren und zum ökonomischen Erfolg führen
Laura Fariello ist Head of Sustainable Solutions & Circular Economy bei Wien Energie und Berthold Kren ist CEO der Lafarge Zement Holding. Beide sind also in Unternehmen tätig, die auf eine jahrzehntelange Geschichte zurückblicken und in Bezug auf Kreislaufwirtschaft auch schon beachtliche Erfolge vorweisen können. Bei Lafarge ist man derzeit bei einer Zirkularitätsrate von 40% und zuversichtlich, diese bald auf 50% hochschrauben zu können. Um den Weg dahin zu gehen, plädierte Laura Fariello für eine Unternehmenskultur, die durchlässig für neue Ideen ist, was eine gewisse Fehlerkultur und gelegentliche „Mutausbrüche“ mit einschließt. Berthold Kren pflichtete ihr bei: Es muss vom Vorstand ausgehen, es muss ein tone-from-the-top geben, dann wirkt man anziehend auf Menschen, die die Veränderungen mittragen wollen und es kommen Dinge in Bewegung. Gerade als CEO fühlt er sich nicht für die nächsten 2 bis 3, sondern für die nächsten 20 bis 30 Jahre, und damit auch für seine Kinder und Enkel verantwortlich.
Wenn man innovative Lösungen finden will, sucht man am besten bei Start-Ups
- Susanne Formanek, Grünstattgrau
Mit Pflanzen zu bauen soll nicht nur als architektonisches nice-to-have, sondern als architektonische Optimierung begriffen werden. Der letzte Schritt in den Markt muss aber von Kunden und Unternehmen kommen. Dazu stellte sie ihre Pilotprojekte im 10. Wiener Gemeindebezirk vor. - Hannah Schragmann: Growmytree / ImpactHero.
Für Hannah Schragmann haben Unternehmen in der Kreislaufwirtschaft eine wichtige Rolle, weil sie als Kunden und Verkäufer große Multiplikatoren sein können. Mit grow my tree hat sie ein Konzept entwickelt, Baumpatenschaften zu verschenken. Mittlerweise hat sie das auf weitere Projekte, wie zum Beispiel Plastikmüll aus dem Meer holen, ausgeweitet. - Carl Warkentin, Grnd
Gebrauchte Turnschuhe gibt man guten Gewissens in die Altkleidersammlung. Carl Warkentin hat alte Schuhe mit einem GPS-Tracker präpariert und konnte nachweisen, dass die Schuhe nicht bei Bedürftigen, sondern auf „apokalyptischen Müllhalden“ in Afrika landen. Jetzt entwickelt er mit seinem Team wirklich nachhaltige Schuhe, was für ihn nicht nur heißt, das Konzept der Fast-Fashion umzudrehen, sondern auch mit Partner vor Ort in Kenia tragfähige und faire Konzepte zu erarbeiten.
Supply Chain nach den Kriterien der Kreislaufwirtschaft – Was Österreichs Industrie heute schon erreicht hat und wie es weitergeht
- Sabine Strnad, globale Führung von Kreislaufwirtschaft und Verpackung bei Henkel: Wichtig ist es, schon im Design der Verpackung daran zu denken, wie gut diese dann recycelt werden kann. Gerade im Non-Food-Bereich ergeben sich da besondere Herausforderungen, wenn zum Beispiel Waschmittel aus chemischen Gründen zwar in PVC, aber nicht in andere, umweltverträglichere Kunststoffe abgefüllt werden kann.
- Karl Hagspiel ist Senior Circular Economy Expert bei der ALPLA Group, einem weltweit tätigen Unternehmen mit Hauptsitz in Vorarlberg, das unter anderem Getränkeflaschen aus Kunststoff herstellt. Dabei setzt der Schutz des verpackten Produktes natürlich Grenzen der Machbarkeit. Neben die Prinzipien von reduce, re-use und recycling stellte er noch replace, also das Verwenden neuer Materialien wie zum Beispiel kompostierbarer Folien.
- Christoph Huber von ARA - Altstoff Recycling Austria stellte vor, wie sich Altstoffe vom Ende der Lieferkette immer mehr zu Sekundärrohstoffen entwickeln. Aber ein Kreis kann nur so stark sein wie sein schwächster Teil, und der ist häufig der Konsument. Es muss gewünscht sein, dass etwas in den Kreislauf zurückgeführt und nicht einfach weggeworfen wird. Gerade chemisches Recycling, wie das Gewinnen von Zellstoff aus gebrauchten Textilien, wird in Zukunft noch bedeutender werden.
Michael Braungart: Das Richtige zu tun, anstatt das Falsche ein bisschen richtiger zu machen
Prof. Dr. Michael Braungart ist der Erfinder des Cradle to Cradle-Designkonzepts. Seinen aufrüttelnden und teilweise provokanten Vortrag begann er damit, dass Österreich schon viele kreative Lösungen hervorgebracht habe. Beim Cradle to Cradle Prinzipe geht es darum, zunächst einmal zu fragen, was das Richtige ist und das zu verfolgen, anstatt das Falsche möglichst richtig zu machen und die Schritte dahin jedesmal mit großem PR-Aufwand zu verkünden. Ein Verbot von Plastiktrinkhalmen bringt nichts, wenn gleichzeitig im Automobil- und Windanlagenbau immer mehr nicht-recyclebare Kunststoffe verbaut werden. In der Digitalisierung und Automatisierung liegt Europa weit zurück. In Kreislaufwirtschaft und Nachhaltigkeit könnte Europa führend sein, wenn es gelingt, Intelligenz mit Handlungswillen, Kreislaufdenken und Lebensfreude zu verbinden.
Am Ende fasste Moritz Mirascija den Tag noch einmal zusammen: Es geht um ein interdisziplinäres cross-sektionales Zusammenbringen von Ideen, um sich gegenseitig zu beflügeln. Das gelingt dann, wenn Unternehmen zusammen kommen, die sonst keine Berührungspunkte hätten. Kreislaufwirtschaft lässt sich dann erfolgreich verankern, wenn sie greifbare Vorteile für Unternehmen und Konsumenten bringt.Mit den heutigen Use-Cases wurde dazu beigetragen.
Der 2. Austrian Circular Economy Exchange findet am 28. 11. 2023 statt.
Weiterlesen:
Marina Luggauer, KPMG: Reportinganforderungen als Weg zum Übergang in die Kreislaufwirtschaft
Interview mit Christoph Löffler, Drees & Sommer: Kreislaufwirtschaft und das Cradle to Cradle® Prinzip im Bausektor.
Sandra Pechac, Verpackung mit Zukunft im Interview: Erfolgsfaktor Informationsfluss in der Kreislaufwirtschaft
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