Die Haftung aus medizinischer Behandlung ist regelmäßig Gegenstand höchstgerichtlicher Entscheidungen. In vielen Fällen entscheidet der Oberste Gerichtshof gegen einen Gesundheitsdienstleister, bisweilen aber auch gegen einen Patienten. Ärzten und Anstaltsträgern ist das mit ihrer Tätigkeit verbundene Haftungsrisiko naturgemäß bewusst. Dennoch herrscht oft Unklarheit über rechtliche Grundfragen zu diesem Thema. Der folgende Beitrag fasst die wichtigsten davon zusammen (Auszug aus: Straub, Praxisleitfaden Recht im Gesundheitswesen 2017).
Einführung
In Österreich existieren keine Sonderbestimmungen für die zivilrechtliche Haftung aus medizinischen Behandlungen. Somit wird nach dem allgemeinen Schadenersatzrecht vorgegangen. Eine Haftung gegenüber einem Patienten kann aus einer Vertragspflichtverletzung (Vertragshaftung) oder aus der Verletzung eines Schutzgesetzes (z.B. Unterlassung ärztlicher Fortbildung) erfolgen (Deliktshaftung).
Haftpflichtiger Personenkreis
Wer aus einem Behandlungsvertrag gegenüber Patienten haftet, hängt davon ab, mit wem ein Patient einen Behandlungsvertrag abgeschlossen hat. Ein niedergelassener Arzt (oder Angehörige anderer Gesundheitsberufe) haften selbst aus dem Behandlungsvertrag, wobei ihnen Hilfspersonen (etwa medizinisches Personal) nach § 1313a ABGB (Gehilfenhaftung) zuzurechnen sind. Bei Krankenanstalten haftet der Träger vertraglich (Hilfspersonen sind wiederum zuzurechnen) und Ärzte bei Verletzung eines Schutzgesetzes oder bei Eingriff in ein absolut geschütztes Rechtsgut deliktisch. Besteht ein Anspruch eines Sonderklassepatienten so haften der Krankenanstaltsträger und der Spitalsarzt solidarisch und vertraglich. Bei Ordinations-/Apparategemeinschaften haftet nur der behandelnde Arzt aufgrund seiner Eigenverantwortlichkeit. Bei Gruppenpraxen haftet die Gesellschaft (also die OG oder GmbH), mit der der Behandlungsvertrag geschlossen wurde. Bei der Haftung von Belegärzten und Krankenanstaltsträgern kommt es auf die Verteilung der Aufgaben an. Im Zweifel haftet jedoch der Belegarzt für die gesamte Behandlung.
Schaden
Bei medizinischen Behandlungen sind Verletzungen am Körper oder der Tod samt ihren Folgeschäden einschlägig. Seltener, aber ebenfalls denkbar, sind Schäden an Sachen. Zu den Folgeschäden einer Körperverletzung oder eines Todes gehören etwa Heilungskosten, Verdienstentgang, Schmerzengeld, Verunstaltungs-entschädigung und im Fall des Todes Begräbniskosten und Unterhalt, Ersatz für den seelischen Schaden der Hinterbliebenen.
Beweislast
Grundsätzlich trifft den Geschädigten die Beweislast für das Vorliegen bestimmter Haftungsvoraussetzungen, insbesondere für den Schaden und das Verschulden des Schädigers. Bei vertraglichen Haftungsansprüchen hingegen, und somit auch bei einem Behandlungsvertrag, greift eine sog. Beweislastumkehr. Das heißt, dass der Schädiger zu beweisen hat, dass ihn kein Verschulden trifft. Bei Behandlungsfehlern gilt hinsichtlich der Kausalität eine Beweiserleichterung zu Gunsten des Geschädigten, weil der Nachweis der Verursachung oft schwer zu erbringen ist. Steht ein Behandlungsfehler fest (was vom Geschädigten zu beweisen ist), gilt die Verursachung durch den Schädiger als angenommen (Anscheinsbeweis). Auch Verletzungen der Dokumentationspflicht können zu einer Beweiserleichterung zugunsten des Geschädigten führen, sodass eine nichtdokumentierte Behandlungsmaßnahme als nicht vorgenommen gelten kann.
Praxis
Auf Ebene des einzelnen Arztes stellt die Verletzung der Aufklärungspflicht einen häufigen Anlassfall für eine Haftung aus medzinischer Behandlung dar. Auffassungunterschiede bestehen dabei insbesondere, ob ein Patient richtig, im erforderlichen Umfang und zeitgerecht aufgeklärt wurde. Aber auch sog. „Kunstfehler“ sind bekanntlich regelmäßig Gegenstand von gerichtlichen Auseinandersetzungen. Auf Ebene einer Gesundheitseinrichtung können Verletzungen der Organisationspflicht einen Haftungsanlass darstellen. Fehler in den Abläufen ereignen sich häufig dort, wo eine arbeitsteilige Erfüllung der Aufgaben in einem Krankenhaus erfolgt. Vor diesem Hintergrund empfiehlt sich nicht nur die Einrichtung eines adäquaten Risikomanagements, sondern auch eines Zwischenfallmanagements. Letzteres kann einen wesetlichen Beitrag dazu leisten, die negativen haftungsrechtlichen Folgen eines Zwischenfalls wesentlich zu reduzieren oder sogar zu vermeiden.
Über den Autor
Dr. Michael Straub LL.M. ist Rechtsanwalt in Wien mit Schwerpunkt Medizin- und Gesellschaftsrecht. Er bietet mit dem „Rechtlichen Erste-Hilfe-Kit“® ein modernes Instrument für das Zwischenfallmanagement in Gesundheitseinrichtungen unter rechtlichen Gesichtpunkten an. Näheres erfahren Sie im Seminar Recht im Gesundheitswesen am 28./29. November 2018. Um sich über diese und andere Veranstaltungen von Business Circle zu informieren, folgen Sie uns auf Facebook oder abonnieren unseren Newsletter.