Business Circle: Sehr geehrter Herr Mag. Margetich, Sie sind Vorstandsvorsitzender des SparkassenPrüfungsverbands. Wie haben Sie vor einem Jahr den Übergang ins Homeoffice gemeistert und wie stellt sich das in der jetzigen Situation dar?
Gerhard Margetich: Wir waren - genauso wie der Rest Österreichs – von einem Tag auf den anderen gezwungen ins Home Office zu wechseln. Da unsere Tätigkeit sehr viel Anwesenheit beim Kunden erfordert war das eine riesige Umstellung und Herausforderung. Was uns hier geholfen hat, war, dass unsere gesamte Organisation mit wenigen Ausnahmen bereits länger auf Basis digitalisierter Abläufe und Prozesse organisiert war. Natürlich haben wir mit der Umstellung auf Videokonferenzen, dem Prüfen auf Distanz und technischen Herausforderungen zu kämpfen gehabt. Ich bin aber sehr stolz, wie die gesamte Mannschaft mitgezogen ist und trotz der widrigen Umstände ihre Arbeit perfekt geleistet hat. Mit der Verfügbarkeit von Testmöglichkeiten, der Umsetzung der Präventionsmaßnahmen im Sektor und mehr Wissen, wie wir uns und unsere Kunden schützen können, hat sich doch einiges verbessert. Aber wir warten sehnsüchtig auf die Impfungen und damit wieder auf die Rückkehr zu persönlichen Gesprächen und Kontakten.
BC: Daran anschließend: wie gehen Sie in der Arbeit des AFRAC mit den Corona-Regelungen um?
Margetich: Die Arbeit in AFRAC – so wie ich sie erlebe – ist ebenfalls von hoher Professionalität geprägt. Die Sitzungen und auch die Facharbeit im Vorfeld läuft über digitale Medien, da haben eigentlich alle Beteiligten ein hohes Maß an Flexibilität gezeigt. Ganz wichtig war das insbesondere um Frühjahr 2020, als viel Unsicherheit betreffend den Umgang mit der sich gerade entwickelnden Pandemie im Rechnungswesen, den staatlichen Stabilisierungsmaßnahmen aber auch den Maßnahmen und Anforderungen der Aufsichtsbehörden an Kreditinstitute vorherrschte. Bisher hatte ja noch niemand Erfahrungen mit solchen Situationen gehabt. Mit den Ad-hoc-Arbeitsgruppen, die in Windeseile Fachinformationen zu den drängendsten Themen geschrieben haben, hat AFRAC gezeigt, wie wichtig es ist, dass Experten aus allen Bereichen kurzfristig zusammenarbeiten und Problemlösungen erarbeiten können. Was man ja nicht vergessen darf, dass aus der Facharbeit sehr viel Information und Erkenntnisgewinn dann wieder an die Ministerien und anderen Stakeholder zurückgegeben werden, die wichtig für die Entscheidungsträger sind, aber dann doch nie in offiziellen Stellungnahmen landen. Die Fachinformationen sind ja dann nur das Ergebnis der Arbeit. Mindestens ebenso wichtig ist natürlich auch der Weg dorthin.
BC: Etwas Persönliches: wenn Sie uns vielleicht in wenigen Worten skizzieren können, wie Sie zu dem gekommen sind, was Sie jetzt tun?
Margetich: Ich habe mich eigentlich immer für das Rechnungswesen interessiert, das aber nie nur als rein technische Materie gesehen. Für mich war das Rechnungswesen eigentlich nur das zweidimensionale Abbild einer drei- oder mehrdimensionalen Unternehmenswirklichkeit. Diese Zusammenhänge zu verstehen und in der einfachen und klaren Regelwelt der Rechnungslegung abzubilden, hat mich immer fasziniert. Der Rest war eine Abfolge von glücklichen Zufällen und das ich hin und wieder gerade zum richtigen Zeitpunkt an der richtigen Stelle war.
BC: An welchen Projekten arbeitet das AFRAC gerade?
Margetich: Wir stehen an einer interessanten Stelle in der Entwicklung. Digitalisierung, künstliche Intelligenz, aber auch Entwicklungen zur Erweiterung der Unternehmensberichterstattung in Richtung einer integrierten Berichterstattung, die Themen wie Nachhaltigkeit, soziale Verantwortung und Governance miteinbezieht, erweitern unseren Tätigkeitshorizont doch deutlich. Dazu wird es sicher noch mehr Diversität in der Zusammensetzung der Arbeitsgruppen und auch interdisziplinäre Forschungsprojekte geben müssen, die dann im Rahmen des Standardsetting in Stellungnahmen einfließen. Daneben wird die Weiterentwicklung der nationalen Rechnungslegung notwendig sein, um der rasanten Dynamik in der Wirtschaft gerecht zu werden, ohne dass Klein- und Mittelunternehmen überfordert sind. Eine spannende Herausforderung für die nächsten Jahre.
BC: Welches Projekt war für Sie in Ihrer Zeit beim AFRAC das bisher spannendste?
Margetich: Ich könnte ihnen nicht sagen, welches. Alle sind spannend und herausfordernd. Am intensivsten habe ich mich – meinem Brotberuf entsprechend – mit Finanzinstrumenten beschäftigt. Hier durfte ich vor kurzem Roland Nessmann als Leiter der Arbeitsgruppe nachfolgen, der hier über viele Jahre die Entwicklung entscheidend vorangetrieben hat.
BC: Sie werden auf der RECON zu Bilanzierung von Finanzinstrumenten und Lexitor sprechen, können Sie uns jetzt schon einen ersten Einblick geben?
Margetich: Wir haben mit der Fachinformation zur Lexitor-Entscheidung des EuGH ein dringendes Thema adressiert. Das ist aber nicht nur für Banken relevant, sondern auch für andere Branchen, die Konsumkredite anbieten. Viel umfassender ist aber die Überarbeitung von AFRAC 14 zur Bilanzierung von nicht-derivaten Finanzinstrumenten. Hier haben wir über die letzten 14 Monate intensiv gearbeitet und auch branchenübergreifend viele offene Fragen beantwortet.
Nachaltigkeitsberichterstattung drängt rasant in den Vordergrund
BC: Neben COVID-19 und Lockdown sind beherrschende Themen der Vergütungsbericht und der Nachhaltigkeitsbericht, inwiefern hart sich der AFRAC damit beschäftigt?
Margetich: Zum Vergütungsbericht hat AFRAC im Dezember 2020 eine gute Grundlage geschaffen. Da bleibt abzuwarten, wie die Praxis damit umgeht und ob sich die Notwendigkeit einer Weiterentwicklung des Themas ergibt. Zur Nachaltigkeitsberichterstattung stehen wir ein wenig am Scheideweg. Hier ist eine unglaubliche Dynamik zu beobachten und das Thema drängt rasant in den Vordergrund. Es mangelt halt noch an einheitlichen Standards. Aber AFRAC hat hier bereits eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die sich auch aktiv in die internationale Diskussion einbringt. Sobald es ein klares Bild gibt, rechne ich hier mit entsprechenden Stellungnahmen.
BC: Kann man sagen, dass Bilanzierungsstandards durch Corona einem Stresstest unterzogen wurden?
Margetich: In gewisser Weise stimmt das sicher. Eine Situation wie die Pandemie, die während der Krise entwickelten und laufend angepassten staatlichen Stützungsmaßnahmen mussten hinsichtlich der Bilanzierung beurteilt werden. Die Bewertung von Beteiligungen, von langfristigen Vermögensgegenständen, aber auch die Beurteilung des Fortbestandes von ganzen Unternehmen waren zumindest in meiner bisherigen beruflichen Laufbahn noch nie in so kurzer Zeit und so umfassend zu beurteilen. Was sich meiner Ansicht nach gezeigt hat, dass die Stellungnahmen des AFRAC hier ein gutes Grundgerüst bildeten und einen sicheren Rahmen für die Bilanzierung und Bewertung darstellten.
BC: Wirecard war einer der größten Skandale der letzten Jahre, in dessen Folge auch die bundesdeutschen Aufsichtsbehörden in massive Kritik gerieten. Inwiefern hat das auch Auswirkungen auf Österreich und die Arbeit des AFRAC?
Margetich: Ich rechne eigentlich mit keiner unmittelbaren Auswirkung, da wir uns vorwiegend mit der Rechnungslegung beschäftigen. Allerdings zeichnen sich schon Entwicklungen ab, die mittelbar auf die Rechnungslegung abfärben könnten. Da müssen wir sicher sehr aufmerksam sein und dann zeitnah reagieren.
BC: Etwas weiter gefasst: Wird man den Hang zu dolosem Verhalten je mit Regelungen und Vorschriften in den Griff bekommen?
Margetich: In der Diskussion oft übersehen wird, dass es ganz wesentlich auf die Governance im Unternehmen ankommt und dass die verschiedenen Verantwortungsträger auch ihren Aufgaben nachkommen. Da braucht es ein gutes IKS im Unternehmen, ein verantwortungsvolles Management und eine ordentliche Überwachung durch den Aufsichtsrat und die Aufsichtsbehörden. Nicht zu vergessen, dass der Abschlussprüfer hier natürlich auch eine wesentliche Aufgabe hat. Immerhin hat er Prüfer eine tiefgehende Einsicht in Unternehmensinterna und kann in seiner Rolle wesentlich zu einer guten Governance beitragen. Ich bin der Ansicht, dass wir hier schon weit gekommen sind, und die Verantwortung der jeweiligen Verantwortlichen stärker in den Vordergrund treten müsste. Viele Regeln bieten oftmals auch zu viele Schlupflöcher. Da müssen wir schon sehen, in welchen Bereichen mehr Regeln erforderlich sind und wo durch andere Maßnahmen wie beispielsweise eine verstärkte Transparenz die Zielsetzungen besser erreicht werden können. Ein gutes Beispiel ist die laufende Diskussion zur nichtfinanziellen Berichterstattung.und die ESG-Initiative der EU.
Es fehlt manchmal die Neugier, sich auf neue Themen einzulassen und diese mit wissenschaftlichen Methoden selbst zu erschließen.
BC: Wie sehen Sie die Ausbildung in Österreich aufgestellt, Gibt es genügend qualifizierte Einsteiger für die anstehenden Herausforderungen?
Margetich: Wir sehen eine Vielzahl von gut ausgebildeten Bewerbern und hier hat sich vieles gegenüber meiner Studienzeit getan. Was mir manchmal ein wenig abgeht, ist die Individualität und die Neugier, sich auf neue Themen einzulassen und diese mit wissenschaftlichen Methoden selbst zu erschließen. Aber das kann auch damit zusammenhängen, dass mich meine Neugier bisher immer wieder weitergebracht hat und das für einen Abschlussprüfer sicher keine schlechte Eigenschaft ist.
WP/StB Mag. Gerhard Margetich ist Vorstandsvorsitzender des Sparkassen-Prüfungsverbands sowie Mitglied des AFRAC, Fachsenat für Unternehmenrechnung und Revision der KWT. Weiters ist er Fachvortragender und Fachautor. Am 9. September 2021 präsentiert er auf der RECON zusammen mit Werner Fleischer, und Aslan Milla das jährliche beliebte AFRAC-Update.