Beim ersten Breakfast Briefing im neuen Jahr sprach Michael Lehofer über das Alter als Selbstkonstruktion und die wertvolle Erfahrung von Krisen. Außerdem verriet er das Geheimnis ewiger Jugend.
2019 feiert Business Circle seinen 25. Geburtstag. An Geburtstagen beschäftigt man sich naturgemäß mit dem Älterwerden. „Alter ist eine Illusion“ – unter diesen passenden Titel hatte Lehofer daher seinen Vortrag gestellt, der in Kooperation mit PwC und RBI stattfand.
Hier sehen Sie einen kurzen Trailer des Breakfast Briefings (ca. 1:10 Min.)
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Zu Beginn seiner Ausführungen erinnerte Lehofer an den Sehnsuchtsort vieler Österreicher: die Pension. Warum das so ist? Man ersehnt einen Zustand ohne Verantwortung und glaubt, endlich selbstbestimmt leben zu können. Ein Irrglaube, wie Lehofer betonte. Beziehungen bringen Verantwortung, die wir so sehr brauchen. Viele Menschen in der Pension lehnen jegliche Form von Einteilung ab, weil sie glauben, die Verantwortung sei schwer auszuhalten. Tatsächlich ist sie das Lebenselixier, das wir keinesfalls ablegen sollten. Vielmehr sollte man es genießen, eingeteilt zu sein, also gebraucht zu werden.
Opfer der Möglichkeiten
Alle wollen jung bleiben. Die gesellschaftliche Tendenz geht dahin, dass die meisten im Alter zwischen 20 und 30 Jahre, also in der Adoleszenz, verweilen wollen. Eine Erklärung dafür: Als Kind ist man abhängig von seinen Eltern. Im jungen Erwachsenenalter können wir Entscheidungen selbst treffen. Wir haben alle Möglichkeiten und glauben, das Leben vor uns zu haben. Wir träumen von wunderbaren Beziehungen, einem tollen Job, einer hinreißenden Familie. Alles ist möglich und darum wollen wir jung bleiben. Die Realität ist meist eine andere. Irgendwann hat man Entscheidungen getroffen. Aus den Möglichkeiten sind Tatsachen geworden. Man hat geheiratet, vielleicht Kinder, hat beruflich einen Weg eingeschlagen. Dann eine Midlife-Crisis, eine neue Beziehung, ein neuer Job, und man spürt wieder das Odeur der Freiheit.
Verlust der Zukunft
Nicht überall auf der Welt denkt man aber so. In Indien beispielsweise, wo Lehofer eine Zeit lang gelebt hat, wollen alle Menschen alt werden. Der Grund dafür? Ältere Menschen haben dort das Sagen. Was sie wollen, passiert. Daher benehmen sich schon junge Männer wie alte. In der arabischen Kultur ist es ähnlich. Das Alter ist hier der höchste Ort der Selbstwirksamkeit. Dort hat man im Alter die meisten Möglichkeiten, daher möchte man alt sein. Auf Dauer, das wissen wir hier in Österreich, lassen sich im Alter die Möglichkeiten nicht erhalten. Wer eine lebensbedrohliche Krankheit hat, der leidet unter der fehlenden Zukunft. Viele Möglichkeiten fallen plötzlich weg. Dieser Verlust tut weh. Der Verlust der Zukunft ist also nichts anderes als der Verlust an Möglichkeiten.
An anderen wachsen
Was macht das Jungsein eigentlich aus? Aus neurobiologischer Sicht ist es das Gehirn, das uns im Wesentlichen ausmacht, doch das ist anfangs einfach noch nicht fertig. Kinder brauchen eine inspirierende Umgebung, das Gehirn will genutzt werden. So bilden sich Neuronen und Synapsen. Wenn ein Teil des Gehirns nicht gebraucht wird, verkümmert er. Lehofer beschrieb das Gehirn als „soziales Organ“, das nur bei Begegnung funktioniert. Wenn man erwachsen ist und die Phase des permanent Gehirn-Umbaus vorbei ist, beginnt die Verteidigung dessen, woran man glaubt. Man ist im Überlebenskampf und es scheint schier unmöglich, andere Angebote anzunehmen. Doch genau hier muss man ansetzen. Man kann anfangen zu verstehen, dass das, was der andere ist, ein Entwicklungsangebot für einen selbst bietet. Kinder zwingen auch Erwachsene dazu, sich zu verändern.
Ohne Krisen keine Reifung
Lehofer empfiehlt, neugierig zu bleiben und nicht das Erleben mit der Vorstellung zu vergleichen. Unvorhergesehene Herausforderungen lösen Krisen aus. Eine Krise ist ein Zustand, bei dem man sich nicht vorstellen kann, wie es weitergeht. Beispielsweise ein Sportler, der durch einen Unfall gezwungen ist, seine Karriere zu beenden. Krisen zu überwinden zählt zu den entscheidenden Punkten der eigenen Reifung. Unsere wertvollste Erfahrung ist, sich dem Leben hinzugeben, sich in die Hängematte des Lebens zu werfen und dabei zu entdecken: „Oh ja, ich kann doch ohne dem, von dem ich geglaubt habe ich brauche es zum Leben, leben.“ Das, was wir für unverzichtbar gehalten haben, ist plötzlich gar nicht mehr so wichtig. Hier entsteht wieder Freiheit.
Alt sind wir, wenn wir wissen, wer wir sind
Wer leben kann, weil er nicht mehr nach Möglichkeiten strebt, merkt, was Freiheit wirklich bedeutet. Wer versteht, dass er nicht alles braucht, der ist wirklich frei. Das ist, so Lehofer, etwas zutiefst Jugendliches. Man hat nichts zu verteidigen. Der junge Mensch hat nichts zu verteidigen, weil er noch gar nicht weiß, was er ist. Erst wenn wir wissen, was wir sind, sind wir alt. Die meisten alten Menschen hängen an ihrem inneren Konzept und lassen sich nicht mehr modifizieren, diskursive Begegnungen sind nicht mehr möglich. Man muss alte Menschen daher dazu ermutigen, eine Dekonstruktion zuzulassen.
Leben verlängern? So geht’s
Einen ultimativen Tipp, wie man das eigene Leben verlängern kann, hatte der Experte zu diesem Breakfast Briefing auch noch mitgebracht: Während für Kinder die Zeit ganz langsam vergeht, scheint dem alten Menschen die Zeit immens schnell zu vergehen. Der alte Mensch weiß eben schon, wie es läuft, es ist alles durchkonzeptioniert und deshalb erscheint alles so rasend schnell. Wer sein Gehirn auf jung rekonstruiert hat, verlängert sein Leben automatisch. Die Idee, dass man selbst ewig leben könnte, hilft zudem, sich in einer Art ewigen Jugend zu bewegen. Es sind Begegnungen, die das Leben verlängern. Wenn das Leben „Nein“ zu uns sagt, müssen wir lernen „Ja“ zu uns zu sagen. Einsamkeit im Alter ist nur dann ertragbar, wenn dennoch Begegnungen gepflegt werden. Lehofers Appell zum Abschluss lautete daher: „Halten Sie das Feuer der persönlichen Begegnungen am Brennen. Dann brauchen Sie sich vor dem Altern nicht zu fürchten.“
Hier sehen Sie den vollständigen Vortrag (ca. 61 Minuten)
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