Wie sich die Rolle des Geldes verändert und Banken ihre Rolle als Informationsintermediär wieder wahrnehmen müssen
Der gebürtige Österreicher Viktor Mayer-Schönberger ist einer der international renommiertesten Experten zum Thema Big Data. Als Professor lehrt er am Internet Institute der Universität Oxford. Er ist Autor mehrerer Bücher zum Thema Big Data, wie z.B. sein neuestes Buch “Reinventing Capitalism in the Age of Big Data” und Keynote Speaker auf der BIT 2018
Die Rolle des Geldes
Seit der Weltwirtschaftskrise 2007 ist der Bankensektor massiv unter Druck. In Europa alleine schließen großen Banken ein Viertel ihrer Filialen, hunderttausende Mitarbeiter haben ihre Arbeit verloren. Die Margen sind auf einen historischen Tiefstwert, Traditionsinstitute schließen ihre Pforten. Viele geben der Niedrigzinspolitik Schuld an der Misere, aber die wahren Gründe liegen tiefer – und anderswo.
Das hat mit der Rolle des Geldes zu tun. Denn in der Marktwirtschaft ist Geld nicht nur Wertmaß und Zahlungsmittel, sondern vor allem Informationsträger: Über Preis und Geld informieren wir uns am Markt über Angebot und Nachfrage. Das ist unglaublich wichtig, denn am Markt entscheidet jeder Teilnehmer für sich, mit wem er zu welchen Konditionen handelt. Mit Preis und Geld haben wir uns bisher auf Märkten informiert. Das war nicht ideal (durch das Kondensieren der Präferenzen der Marktteilnehmer auf eine einzige Zahl, den Preis, ging viel an Detailinformation und Nuance verloren), aber es funktionierte. Die Institutionen des Geldes, die Banken, wurden so zu zentralen Organisationen der Marktwirtschaft im Industriezeitalter.
Geld wird an Bedeutung verlieren
Aber durch die Digitalisierung verändern sich die Informationsflüsse am Markt. Anstatt sich primär über den Preis zu informieren, nutzen auf den digitalen Marktplätzen Teilnehmer viele Informationen und Details über Produkte und Transaktionspartner. Die perfekte Passgenauigkeit zwischen Angebot und Nachfrage ist heute das Ziel. Der Preis verliert so an informationeller Bedeutung, und damit das Geld ein gutes Stück seine Funktion.
Übernehmen andere die Rolle der Banken?
Die traditionelle Rolle der Banken übernehmen nun neue digitale Intermediäre, die umfangreiche und vielfältige Informationen am Markt vermitteln, sie vergleichen und in Entscheidungen umgießen helfen. Die Menschen erwarten, dass die Informationsvermittler am Markt wissen, wie man mit Informationen umgeht. Sie wollen einen Mehrwert aus den verfügbaren Informationen für ihre Transaktionen am Markt erhalten.
Kein Wunder, dass Amazon und Google, Facebook und Apple, aber auch Spotify, Netflix, Uber, Airbnb und Booking so erfolgreich sind. Denn ihre Rolle in digitalen Zeiten ist Angebot und Nachfrage optimal zusammenzubringen, viel besser als es Preis, Geld und Banken auf traditionellen Märkten taten. Während der Bankensektor schwächelt, steigern die digitalen Superstars Marktanteil, und damit Umsatz und Überschuss ins scheinbar Unermessliche.
Und neue digitale Startups erkennen die Chance, die sich durch die veränderte Rolle des Geldes am Markt ergibt; sie positionieren sich als Fintechs, die im Finanzsektor mit mehr Daten bessere Dienstleistungen anbieten als traditionelle Banken. Das bringt den Sektor zusätzlich unter Druck. Für die Banken heißt dies zur Commodity zu werden oder sich neu zu erfinden. Dafür aber ist nicht nur Kreativität und Fingerspitzengefühl erforderlich; man muss auch die Rolle der neuen digitalen Intermediäre genau kennen und wissen, wieso die digitalen Champions so erfolgreich sind. Deshalb ist es so wichtig die neuen datenreichen Märkte zu verstehen. Auch hier gilt: Nur die Herausforderung, die man genau kennt, kann man bewältigen. Gleichzeitig drängt die Zeit.
Alles steht am Spiel!
Nicht vieles, alles steht am Spiel: Wer im Bankensektor heute noch glaubt, die Digitalisierung sei bloß ein Werkzeug, um bestehende Geschäftsprozesse effizienter zu gestalten, täuscht sich massiv – und läuft Gefahr gemeinsam mit dem Finanz-kapitalismus des vordigitalen Zeitalters von den datenreichen Märkten entsorgt zu werden.
Hören Sie Viktor Mayer-Schönberger bei der BIT am 17. Und 18. Mai 2018 in Stegersbach.