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Real Estate Circle 2025

Immobilienwirtschaft zwischen Bangen und Hoffen – Interview mit Franz Pöltl, EHL Investment Consulting

Mag. Franz Pöltl, FRICS ist Geschäftsführender Gesellschafter der EHL Investment Consulting. Im Interview analysiert er die aktuelle Finanzierungslage, diskutiert neue Ankaufsstrategien und fordert politische Maßnahmen für mehr Wettbewerbsfähigkeit am Standort Österreich.

Business Circle: Sehr geehrter Herr Mag. Pöltl, wie würden Sie die aktuelle Stimmung in der Branche beschreiben? Gibt es bereits Anzeichen einer Stabilisierung oder überwiegt nach wie vor die Zurückhaltung bei Investoren und Projektentwicklern?

Franz Pöltl: Im Moment zeigt sich die Stimmung am Investmentmarkt weiterhin eingetrübt und uneinheitlich. Einerseits verzeichnen wir ein verstärktes Interesse sowohl seitens privater als auch institutioneller Investoren, andererseits wird die Entscheidungsfreude und-geschwindigkeit durch externe Faktoren immer wieder gebremst. Beispiele hierfür sind etwa das deutsche Infrastrukturpaket, das unmittelbar zu einem korrespondierenden Anstieg der auch für den Immobilienbereich wichtigen Renditen für deutsche Staatsanleihen geführt hat, die erratische Zollpolitik unter Donald Trump oder die Tatsache, dass Österreich sich bereits im dritten Jahr in Folge in einer Rezession befindet.

BC: In unserem letzten Interview sprachen Sie davon, dass viele Developer „im Stresstest“ stecken. Hat sich dieser Druck inzwischen reduziert – oder verschärft sich die Situation durch gestiegene Zinsen, ESG-Vorgaben und volatile Märkte weiter?

Pöltl: Derzeit befinden wir uns vermutlich auf dem Höhepunkt der Insolvenzwelle unter Entwicklern – diese wird voraussichtlich bis Jahresende anhalten. Parallel dazu beobachten wir jedoch, dass immer mehr Stakeholder bereit sind, sich auch mit Abschlägen von notleidenden Engagements zu trennen. Trotz der anhaltenden Herausforderungen blicken wir aber vorsichtig optimistisch auf die kommenden Monate, auch wenn 2025 für viele Developer ein weiteres herausforderndes Jahr werden dürfte.

BC: Welche Trends bestimmen aus Ihrer Sicht die Investitionsstrategien der kommenden Jahre? Gibt es Segmente oder Objekte, die besonders zukunftsfähig sind?

Pöltl: Investoren mit ausreichend Kapital können aktuell antizyklisch agieren und Projekte sowie Investments zu sehr attraktiven Konditionen erwerben. Beispielsweise  im Wohnungsbereich  und bei Büros in guten Wiener Lagen zeichnet sich bereits eine Flächenknappheit ab. Daher ist es aus heutiger Sicht klug, frühzeitig Akquisitionen zu tätigen, bevor der Markt in den nächsten Jahren wieder deutlich anzieht.

BC: Die EHL Investment Consulting GmbH ist auf großvolumige Immobilien-Transaktionen spezialisiert. Wie hat sich das Ankaufsverhalten institutioneller Investoren verändert – und welche Rolle spielen ESG-Faktoren heute in der Risikobewertung?

Pöltl: Auch wenn durch Entwicklungen wie den Amtsantritt Trumps oder die Omnibus-Verordnung der EU-Kommission der Eindruck entstehen könnte, ESG-Themen hätten an Relevanz verloren, entspricht dies keinesfalls der Realität. Nachhaltigkeitskriterien sind bei jeder Transaktion ein wesentlicher Bestandteil. Bei Neubauten ist das Thema Nachhaltigkeit in der Regel auf Grund der geltenden Bauvorschriften bereits umfassend berücksichtigt, während bei Bestandsimmobilien Nachhaltigkeitsaspekte im Rahmen der sogenannten CRREM-Pfad Berechnungen abgehandelt werden.

BC: Stichwort Finanzierung: Wie hat sich die Kapitalbeschaffung verändert, und welche neuen Modelle setzen sich aktuell durch? Gibt es Alternativen zur klassischen Finanzierung durch Banken, wo können oder  müssen Developer und Eigentümer kreativer werden?

Pöltl: Die Erlangung von Projektfinanzierungen stellt im gegenwärtigen Kapitalmarktumfeld insbesondere für Entwickler eine besondere Herausforderung dar: Höhere Anforderungen an Eigenkapitalquoten sind heute Standard, während alternative Finanzierungsformen wie Mezzanin- oder Crowdfinanzierungen weitgehend vom Markt verschwunden sind. Teilweise wird die entstehende Lücke durch privates Eigenkapital substituiert – jedoch nur in begrenztem Umfang und bei entsprechendem Vertrauen zwischen Projekt-Proponenten und Eigenkapitalinvestoren.

KI-Tools sind nützlich, ersetzen aber keine Expertise

BC: Digitalisierung und KI-gestützte Systeme sind der Megatrend. Welche Rolle spielen digitale Innovationen, wie beispielsweise KI-gestützte Bewertungstools, in der täglichen Praxis?

Pöltl: Digitale Innovationen gewinnen auch im Investmentbereich zunehmend an Bedeutung – von Plattformen zur Datenanalyse bis hin zu KI-gestützten Vertragsanalysen. Im aktuellen Marktumfeld vertrauen die Investoren final noch eher der Expertise von Bewertungsspezialisten. Digitale Tools, insbesondere KI, werden aber unterstützend eingesetzt, um die Ergebnisse zusätzlich zu validieren.

BC: Und abschließend: Welche (politischen) Rahmenbedingungen braucht es, damit der österreichische Immobilienmarkt im internationalen Wettbewerb nicht den Anschluss verliert?

Pöltl: Was der österreichischen Wirtschaft derzeit am meisten fehlt, ist Wachstum und internationale Wettbewerbsfähigkeit. Die Zinspolitik betrifft alle Eurostaaten gleichermaßen – Liquidität zeigt sich vor allem dort, wo dynamisches Wirtschaftswachstum vorhanden ist und es positive Zukunftsaussichten gibt. Um auch in der heimischen Immobilienwirtschaft wieder positive Impulse zu sehen, ist es essenziell, dass die neue Bundesregierung Maßnahmen ergreift, die Österreich als Wirtschaftsstandort stärken.

BC: Sehr geehrter Herr Mag. Pöltl, wir danken Ihnen für dieses engagierte Gespräch und freuen uns, Sie wieder auf dem Real Estate Circle zu begrüßen!

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