TOPICS

EVENTS

Renewables meet Industry Exchange

Die Energiewende als kultureller und unternehmerischer Wendepunkt: Thomas Schlager, EVN im Gespräch

Klimaneutrale Energieversorgung? Für Thomas Schlager, EVN ist Biomethan ein zentraler Schlüssel dafür. Im Interview sprechen wir über nachhaltige Kreisläufe, CO₂-Neutralität und eine verlässliche Speicherinfrastruktur.

Business Circle: Sehr geehrter Herr Schlager, eingangs etwas Persönliches:  Sie stehen mit der EVN Biogas GmbH ganz vorne, wenn es um klimafreundliche Energie aus Biomasse geht. Was hat Sie persönlich motiviert, sich diesem Zukunftsthema zu widmen?

Thomas Schlager: Ich habe mich immer gerne Herausforderungen gestellt – besonders dann, wenn sie mit Verantwortung für die Zukunft verbunden sind. Die Dekarbonisierung des Gassektors ist eine solche Herausforderung, aber gleichzeitig auch eine riesige Chance. Wir stehen hier wirklich noch ganz am Anfang, und genau das hat mich motiviert: Es gibt enormes Potenzial, das wir heben können – mit Innovation, Weitblick und dem Willen, etwas zu bewegen. Biogas ist für mich dabei nicht nur eine technische Lösung, sondern ein echter Schlüssel für eine klimafreundliche Energiezukunft.

BC: Biomethan gilt als nachhaltig – aber nur, wenn keine Nahrungskonkurrenz entsteht. Wie begegnen Sie der ethischen Diskussion rund um die Nutzung von Biomasse und vor allem landwirtschaftlicher Fläche, die auch der Lebensmittelproduktion dienen könnte?

Schlager: Diese Diskussion ist wichtig – und wir nehmen sie sehr ernst. Deshalb legen wir größten Wert darauf, dass unser Biomethan aus Reststoffen und Abfällen gewonnen wird. Wir arbeiten nur mit Lieferanten zusammen, die unsere hohen Standards erfüllen. Bei uns kommen vor allem Biomüll, verdorbene Lebensmittel, Grünschnitt sowie industrielle und landwirtschaftliche Nebenprodukte zum Einsatz – also Stoffe, die ohnehin anfallen und sonst ungenutzt blieben. So schaffen wir echte Kreisläufe – ganz im Sinne der Kreislaufwirtschaft – ohne in Konkurrenz zur Lebensmittelproduktion zu treten.

BC: Methan hat einen deutlich höheren Treibhauseffekt als CO₂ – wie stellen Sie sicher, dass keine relevanten Mengen unverbrannt in die Atmosphäre entweichen? Und bei der Verbrennung von Methan entsteht auch CO₂ – ist es fürs Klima letztlich nicht egal, ob dieses aus fossiler oder biogener Quelle stammt?

Schlager: Unsere Anlagen sind auf höchste Effizienz und Sicherheit ausgelegt – der Methanschlupf bei der Aufbereitung liegt im Promillebereich. Das bedeutet: Wir vermeiden nahezu vollständig, dass Methan unkontrolliert in die Atmosphäre gelangt. Im Gegenteil – durch die Vergärung organischer Abfälle, die sonst bei Deponierung oder Lagerung Methan freisetzen würden, verhindern wir aktiv klimaschädliche Emissionen.

Und was die CO₂-Frage betrifft: Ja, bei der Verbrennung von Biomethan entsteht CO₂ – aber entscheidend ist die Herkunft. Biomethan stammt aus nachwachsenden Rohstoffen, das freigesetzte CO₂ wurde zuvor von Pflanzen aus der Atmosphäre aufgenommen. Es ist also Teil eines natürlichen Kreislaufs und damit klimaneutral – ganz im Gegensatz zu fossilem Erdgas, bei dem zusätzliches CO₂ ins System eingebracht wird.  

BC: Kann Biomethan aus Ihrer Sicht helfen, das große Speicherproblem erneuerbarer Energien zu lösen – und welche Voraussetzungen braucht es dafür?

Schlager: Das große Plus von Biomethan ist: Die Infrastruktur ist bereits vorhanden. Da es chemisch ident mit fossilem Erdgas ist – nämlich Methan – kann es ohne zusätzliche Investitionen in Netze oder Speicher eingesetzt werden. Und wir sprechen hier in Österreich von rund 100 Terawattstunden an Gasspeicherkapazität – das entspricht ungefähr unserem gesamten Jahresverbrauch. Zum Vergleich: Im Strombereich stehen uns durch alle Speicherkraftwerke zusammen nur etwa 3 Terawattstunden zur Verfügung.

Das zeigt sehr deutlich: Wenn wir eine stabile, 100 % erneuerbare Energiezukunft wollen, kommen wir an erneuerbaren Gasen wie Biomethan nicht vorbei. Es wird in den kommenden Jahren eine zentrale Rolle spielen – insbesondere bei der saisonalen Speicherung und als Backup in einem von Wind- und Sonnenenergie dominierten System.

Wir brauchen klare, langfristige Rahmenbedingungen und verlässliche Spielregeln

BC: Wenn Sie einen Wunsch an die Politik frei hätten – was wäre der wichtigste Hebel, um Biomethan gut zu fördern und zu etablierten?

Schlager: Wenn ich einen Wunsch frei hätte, dann wäre es dieser: klare, langfristige Rahmenbedingungen für Biomethan – und zwar über Legislaturperioden hinaus. Was wir brauchen, sind verlässliche Spielregeln, damit Investitionen in erneuerbare Gase planbar bleiben.

Dazu gehören für mich drei zentrale Hebel:

1. Ein einheitlicher europäischer Rechtsrahmen, insbesondere beim Herkunftsnachweis und Handelssystem – das würde Biomethan auch über Grenzen hinweg besser nutzbar machen.

2. Ein marktnahes Fördersystem, wie zB eine Marktprämie

3. Und: Eine klare politische Strategie, die zeigt, dass Biomethan ein unverzichtbarer Teil der Energiewende ist – nicht nur eine Nische.

Damit kann Österreich seine Potenziale nutzen und die heimische Produktion international wettbewerbsfähig machen.

BC: Noch ein Blick auf globales Wirtschaften: Während die EU ehrgeizige Klimaziele formuliert, setzen sowohl die USA, als auch die BRICS- Staaten (also alle anderen großen Wirtschaftsmächte), auf fossile Brennstoffe und Atomkraft. Wie können europäische Unternehmen da im internationalen Wettbewerb bestehen?

Schlager: Das ist tatsächlich eine der größten Herausforderungen für europäische Unternehmen: international wettbewerbsfähig zu bleiben, während wir bei Klima und Nachhaltigkeit deutlich höhere Standards an uns selbst stellen.

Gerade deshalb ist es umso wichtiger, dass wir unsere eigenen Potenziale im Land konsequent nutzen – auch wenn das kurzfristig mit höheren Kosten verbunden sein kann. Die Vergangenheit hat uns deutlich gezeigt: Der höchste Preis entsteht, wenn es keine Alternativen gibt – sei es bei Energieimporten, Rohstoffen oder Technologien.

Für energieintensive Industrien, die schwer zu dekarbonisieren sind, braucht es gezielte Unterstützung – aber technologieoffen und langfristig planbar. Nur so bleiben wir innovativ und wettbewerbsfähig.

BC:  Abschließend: Sie sprechen erstmals bei dieser Konferenz – warum ist der direkte Austausch in diesem Rahmen für Sie besonders spannend? Worauf freuen Sie sich am meisten?

Schlager: Ich freue mich sehr, bei dieser Konferenz erstmals dabei zu sein – und bedanke mich herzlich für die Möglichkeit, unsere Best-Practice-Beispiele vorstellen zu dürfen. Der direkte Austausch mit Expertinnen und Experten aus Wirtschaft, Forschung und Politik ist für mich besonders spannend. Denn genau dieser Dialog bringt neue Perspektiven – und oft auch ganz konkrete Ideen, wie wir die Dekarbonisierung in der Industrie gemeinsam voranbringen können. Auf diesen Austausch freue ich mich besonders.

BC: Sehr geehrter Herr Schlager, wir danken Ihnen für dieses aufschlussreiche Gespräch und Ihre Expertise. Auf Wiedersehen auf unserer Konferenz „Renewables meets Industries“.

Text Link
Strategy & Industries
Text Link
Sustainability / ESG
Text Link
Energie
Text Link
Public Sector