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PoP 2025 - Power of People

Diversity Management beyond KPIs - Michelle Euzet im Interview

Michelle Euzet zeigt, warum Unternehmenskultur, psychologische Sicherheit und Diversity Management weit mehr als Modebegriffe sind. Im Interview plädiert sie für eine klaren Blick auf strategische Chancen und Herausforderungen sowie für Klarheit und Konsistenz bei der pragmatischen Umsetzung.

Business Circle: Liebe Madame Euzet, Sie begleiten Organisationen als Unternehmensberaterin. Was hat Sie bewogen, sich nach Ihrer Karriere in verschiedenen Konzernen selbstständig zu machen?

Michelle Euzet: Als Leiterin von IT-Implementierungen erkannte ich bald, dass die sogenannten „weichen“ Faktoren ausschlaggebend für den Erfolg von Change-Projekten sind. Die Unternehmenskultur – in meinen Worten „das wertschöpfende Miteinander“ – hat mich daher immer fasziniert. Mein Verständnis und meine Sensibilität für Dynamiken der Zusammenarbeit habe ich dann beschlossen, zum Kern meiner Arbeit zu machen Als Beraterin, Team Facilitator und Sparringspartnerin helfe ich Menschen, Teams und Organisationen Eigendynamiken zu entfachen.

BC: Was bedeutet „Diversity Management“ für Sie persönlich – und was sollten Unternehmen darunter wirklich verstehen?

Euzet: Diversity Management definiere ich als „die bewusste, unternehmerisch motivierte Förderung von Vielfalt und somit von Einzigartigkeit“; Es handelt sich also um eine Aufgabe und/oder Funktion, die explizit auf den Unternehmenszweck einzahlt. Zielbild ist die Festigung einer im weitesten Sinne inklusiven Unternehmenskultur, in welcher jede:r sich gänzlich einbringen und an den Erfolg der Organisation beitragen kann.
Unternehmen neigen oftmals zu einem recht unscharfen Narrativ, welcher Widerstand anregt oder sogar die Belegschaft spaltet. Strategische Maßnahmen und gesellschaftliches Engagement werden nicht klar voneinander abgegrenzt. Es wird ausschließlich über 1-2 Dimensionen der Vielfalt kommuniziert, als seien Nicht-Betroffene „out of scope“.
Unternehmen empfehle ich – wie bei jedem Management-Thema – Klarheit und Konsistenz. Diversity Management ist keineswegs ein altruistischer Selbstzweck als Geschenk an Mitglieder unterrepräsentierter Gruppen. Diversity Management ist eine Antwort auf Ziele, Chancen und Risiken der Organisation am Markt. Die übergeordnete Förderung der Einzigartigkeit jedes Individuums geht mit dem Setzen einzelner Schwerpunkte einher, um ein besonders unausgeschöpftes Potential zu erschließen, kollaborative Zusammenarbeit sicherzustellen oder Ausgrenzung entgegenzuwirken.
Unter Diversity Management sollten Unternehmen meines Erachtens vor allem „Management“ verstehen.

BC: Sie beziehen sich in Ihren Vorträgen auf das Google-Aristoteles-Projekt, welches zeigt, wie wichtig psychologische Sicherheit für den Teamerfolg ist. Wie können Führungskräfte diese Sicherheit schaffen, insbesondere in diversen Teams?

Euzet: Zunächst möchte ich eines klarstellen: Psychologische Sicherheit bedeutet weder zwanghafte Harmonie noch Nachlässigkeit in punkto Qualität. Ganz im Gegenteil sogar. Führungskräfte, die auf „psychologische Sicherheit“ setzen, schaffen Raum für konstruktive Kontroverse: Jedes Team-Mitglied wird explizit ermutigt, die eigene Perspektive wie z.B. auch Zweifel einbringen, ohne eine etwaige Ausgrenzung zu befürchten. Das Zusammengehörigkeitsgefühl im Team entspringt nicht dem Konsensus, sondern dem gemeinsamen Willen, als Team beste Ergebnisse hervorzubringen.
Inklusive Führungskräfte sehen intellektuelle Reibung als Chance und achten darauf, dass diese nicht zu interpersonellen Konflikten führt. Da stehen sie allerdings nicht allein; Ich empfehle Ihnen, gemeinsam mit ihren Team-Mitgliedern diese Punkte zu besprechen, die Komfortzone des Teams zu challengen und das Tagesgeschäft entsprechend zu gestalten. In akuten Krisensituationen ist es z.B. wenig hilfreich, alle Team-Mitglieder unmittelbar um Wortmeldungen zu bitten: eher introvertierte oder neue Mitarbeitende werden sich vermutlich zurückhalten. Die Situation schildern, Moderationskarten verteilen und zunächst 1-2 andere „übliche“ Agenda-Punkte vorschalten, gibt vielleicht manchen Kolleg:innen den erforderlichen Raum, um die eigenen Gedanken zu sortieren und freier auszudrücken.

DEI: Die Blase ist nicht geplatzt. Hype und Dogma sind jedoch vorbei

BC: Weltweit werden die Budgets für DEI-Programme zusammengestrichen, ist die Blase geplatzt und was wird bleiben?

Euzet: Die Blase? Die Definition einer „Blase“ sagt ja aus, dass ein Gut am Markt zu einem höheren Wert als dessen eigentlichen inneren Wert gehandelt wird.

Beim Potential von Vielfalt und Einzigartigkeit von Mitarbeitenden und deren Impact auf den Erfolg der Organisation haben wir genau die gegensätzliche Situation: Das wertvolle Potential wird nicht ausgeschöpft, der eigentliche innere Wert wird unterboten. Und dies geschieht, während die Probleme, worauf DEI-Programme eine Antwort sind, lange nicht gelöst wurden: Fach- und Führungskräftemangel, mangelnde Mitarbeiterbindung, Bedarf an mehr Innovationen,…

Die Blase ist nicht geplatzt. Hype und Dogma sind jedoch vorbei. Die Förderung von Vielfalt und Einzigartigkeit ist ein Management-Thema, welches als solches zu behandeln ist. Wer den aktuellen lauten nostalgischen Tendenzen einfach nur folgt, agiert genau so wenig unternehmerisch wie diejenigen, die aktionistisch auf den DEI-Trend aufgesprungen sind.
Es geht um die Beweglichkeit und Zukunftsfähigkeit von Organisationen. Meine Kund:innen kennen ihren Business-Cockpit: Ziele, Chancen, Risiken,… Gemeinsam finden wir heraus, wo DEI-Maßnahmen eine wirksame Antwort sein können. Und dann… wird bereichsübergreifend, pragmatisch und nah am Tagesgeschäft gearbeitet. Business-Anschluss ist der Schlüssel.
Ich bin überzeugt, dass die Organisationen – wenn auch unter anderen Bezeichnungen und Titeln – ihre Bemühungen eher stärken werden. DEI ist kein abgekapseltes Thema mehr, es findet überall statt. In diesem Sinne, ja, die Blase ist geplatzt.

BC: Was ist Ihr persönlicher Rat an Frauen, die sich mit Vorurteilen oder Quoten-Fragen konfrontiert sehen, aber aufgrund ihrer Qualifikation anerkannt werden möchten?

Euzet: Ratschläge werden meines Erachtens viel zu oft und unbegründet an Frau gerichtet. Ist eine Frau die allererste weibliche Besetzung z.B. im Vorstand eines langjährigen Unternehmens, sollte eher die bisherigen Unternehmenslenker Aufmerksamkeit und ungefragte Ratschläge ernten. Ich persönlich mag mich nicht für einen Missstand rechtfertigen, den ich nicht verursacht habe. Wenn ich – ob von Männern oder Frauen – den Satz „Solange die Kompetenz das ausschlaggebende Kriterium bleibt“ höre, entgegne ich: „Ach so, wenn dies bisher der Fall war, dann ist das Missverhältnis zwischen Frauen und Männern in Führungspositionen seit jeher wohl der Kompetenz geschuldet? Wie anmaßend.“

Ich empfehle meinen weiblichen Coachees, wie auch meinen männlichen Coachees, „ablenkende Unterhaltungen“ zu entlarven und sich nicht auf ein Attribut reduzieren bzw. instrumentalisieren zu lassen.

BC: Abschließend: Sie waren 2024 als Vortragende beim Lehrlingsforum, möchten Sie Ihren Eindruck von dieser Konferenz mit uns teilen?

Euzet: Zunächst möchte ich jeder und jedem Einzelnen im Team für die Wertschätzung, den Support und den durchwegs herzlichen Umgang – gepaart mit einer exzellenten Organisation und Durchführung dieses Events und dessen Kommunikation – in meiner Eigenschaft als Speakerin vom Herzen danken. Das Lehrlingsforum ist ein so wunderbar verbindendes Event, mit Nähe zu den relevanten Themen des Arbeitsalltags, pragmatischen Ausblicken in die Zukunft sowie vielseitigen Perspektiven, Akteuren und Formaten. Ich gratuliere dem gesamten Team vom Business Circle zu einem erfolgreichen und spannenden Lehrlingsforum 2024, der sich auch durch eine vertraute Atmosphäre und gute Laune auszeichnet.

BC: Liebe Madame Euzet, Danke für dieses tolle Feedback! Wir freuen uns sehr, Sie auf der PoP wieder bei uns zu begrüßen.

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