COVID-19 und Hotellerie: Was bei der Gestaltung von Hotelverträgen künftig besonders zu beachten ist
Von Alric A. Ofenheimer und Helena Neuner, E+H Rechtsanwälte: Nach nunmehr über zwei Jahren Pandemie liegen bereits mehrere höchstgerichtliche Urteile zu Mietzinsminderungsansprüchen im Zusammenhang mit Geschäftsräumen (Sonnenstudio, Nagel- und Kosmetikstudio, Fitnessstudio und Gastwirtschaft) und einem Studentenwohnheim vor.
Lediglich zwei Urteile des Obersten Gerichtshofs haben sich ausdrücklich mit der Betriebsausfallversicherung von Hotels während der Pandemie auseinandergesetzt . Nichtsdestotrotz hat die Rechtsprechung bereits jetzt wesentliche Auswirkung auf die Gestaltung von Hotelverträgen, unter anderem deswegen, weil die gesetzlichen Regelungen zur Verpflichtung zur Leistung des Bestandzinses in besonderen Fällen (zB Pandemie) bei Miet- und Pachtverträgen wesentlich divergieren können.
Gesetzliche Regelungen (§§ 1104, 1105 ABGB)
§ 1104 ABGB normiert eine Bestandzinsminderung für Fälle, in denen die Bestandsache wegen außergewöhnlicher Ereignisse (wie zB behördlich angeordnete Schließungen wegen der COVID-19 Pandemie) nicht in dem vereinbarten Umfang oder zum vereinbarten Zweck benutzt werden kann. Im Fall gänzlicher Unbrauchbarkeit des Bestandgegenstands reduziert sich der Bestandzins für die Dauer der Unbrauchbarkeit auf Null (Bestandzinsbefreiung). Dies gilt sowohl bei Miet- als auch bei Pachtverträgen.
Im Fall teilweiser Unbrauchbarkeit des Bestandgegenstands unterscheidet § 1105 ABGB zwischen Miet- und Pachtverträgen. Bei Mietverträgen steht dem Mieter ein Anspruch auf verhältnismäßige Mietzinsreduktion zu. Bei Pachtverträgen soll dies nach dem Gesetzeswortlaut nur dann der Fall sein, wenn die Verträge auf höchstens 1 Jahr (oder kürzer) befristet sind und der durchschnittliche Ertrag um mehr als die Hälfte gesunken ist. Eine unrichtige Bezeichnung (Mietvertrag oder Pachtvertrag) mindert die Ansprüche des Bestandnehmers jedoch nicht. Der VfGH hat sich gerade damit zu beschäftigen, ob diese unterschiedliche Behandlung gerechtfertigt ist – die Entscheidung ist noch ausständig.
Hotelverträge
Vier wesentliche Erkenntnisse im Zusammenhang mit der COVID-19 Rechtsprechung für Hotelverträge:
- Zusammensetzung des Bestandzinses: Hotelbetreiber, bei denen sich der zu zahlende Bestandzins ausschließlich umsatzabhängig bemisst, haben – völlig unabhängig von den gesetzlichen Grundlagen – kommerziell davon profitiert, dass es bei keiner bzw geringer Auslastung zu einer "de-facto Reduktion" des Bestandzinses gekommen ist. Der Zusammensetzung des Bestandzinses wird in Zukunft (Fixbestandzins / umsatzabhängiger Bestandzins / Mindestbestandzins etc) daher wohl noch mehr Aufmerksamkeit zu schenken sein. Jedoch wird bereits jetzt – insbesondere bei der Nachtgastronomie (man denke nur an die langen Schlangen vor den Discotheken…) – ein "Nachholeffekt" beobachtet, welcher den umsatzabhängigen Bestandzins natürlich stark in die Höhe treibt. Aber auch diesem kann vertraglich entgegengewirkt werden.
- Festlegung des Verwendungszweckes: Unstrittig ist, dass die (teilweise) Unbenützbarkeit des Bestandgegenstands nach dem Vertragszweck im Einzelfall zu beurteilen ist. So hat der OGH jüngst festgehalten, dass der Geschäftszweck „Gastwirtschaft“ – sofern im Vertrag nicht ausdrücklich anders vereinbart – sämtliche Tätigkeiten um-fasst, zu denen ein Gastgewerbetreibender nach der Gewerbeordnung berechtigt ist. Dazu zählt zB auch das Anbieten von Take-Away und die Lieferung von Speisen und Getränken. In diesem Fall hat schon die abstrakte Möglichkeit, einen Abhol- und Lieferservice anzubieten, zu einer zumindest teilweisen Brauchbarkeit des Bestandobjekts geführt, weshalb bloß eine anteilige Mietzinsminderung (und nicht eine Mietzinsreduktion auf Null) resultierte. In Zukunft wird daher besonderes Augenmerk auf die Definition des Verwendungszweckes, insbesondere bei hoteleigenem SPA- und Gastronomiebereich, zu legen sein.
- Abgrenzung Miete / Pacht: Die Rechtsprechung und die Lehre hat bereits eine Reihe von Indizien ausgearbeitet, welche für die Qualifikation eines Bestandvertrags als Mietvertrag oder als Pachtvertrag sprechen. Wir beobachten, dass Hotelverträge oft als Pachtvertrag betitelt werden, jedoch inhaltlich viele Merkmale eines Mietvertrags aufweisen und dadurch gegebenenfalls sogar dem MRG unterliegen. Die juristisch saubere Erstellung eines Hotelvertrags (und damit die Qualifikation des Bestandvertrags) wird umso wichtiger sein, wenn der VfGH die unterschiedliche Behandlung bei bloß teilweiser Nutzbarkeit bei Unternehmenspacht nicht aufhebt.
- Dispositive Regelungen: §§ 1104 und 1105 ABGB, die die Mietzinsminderungsansprüche gesetzlich regeln, sind dispositiv. Es kann also vertraglich davon abgegangen werden. Sollten sich die Parteien bereits zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses auf ein Rechtsfolgenregime bei (teilweiser) Unbrauchbarkeit einigen können, sind insbesondere auch die Richtlinien (und erläuternden Erklärungen) der COFAG und die Grenzen der Sittenwidrigkeit zu bedenken.
RA Dr. Alric A. Ofenheimer ist Partner bei E+H in Wien und dort Leiter der Praxisgruppen „Unternehmensrecht und M&A“ sowie „Immobilienwirtschaftsrecht“. RAA Mag. Helena Neuner ist bei bei E+H in Wien Mitglied der Praxisgruppen „Unternehmensrecht und M&A“ sowie „Immobilienwirtschaftsrecht“. Beim Real Estate Circle 2022 ist Dr. Ofenheimer am 10. Juni Gastgeber eines Workshops zum Thema „COVID und Hotellerie: Krisensicher durch die nächste Pandemie“.
Zum Real Estate Circle am 9. / 10. Juni in Stegersbach
Weiterführender Link: Betriebsausfallversicherung eines Hotels während der Pandemie