Business Circle: Sehr geehrte Frau Mag. Konrad El Ghazi, Sie haben in Ihrer Zeit bei der OeNB unter anderem umfassende Frauenförderungsmaßnahmen umgesetzt, gibt es da eine besondere Erfolgsgeschichte, die Sie mit uns teilen möchten?
Susanna Konrad El Ghazi: Jede Frau hat ihre ganz individuellen Herausforderungen zu meistern, Karrierewege sind vielfältig, persönliche berufliche Ziele unterscheiden sich. Deswegen setzen wir in der Oesterreichischen Nationalbank seit Jahren auf eine Kombination aus vielfältigen Fördermaßnahmen. Ganz aktuell läuft gerade zum Beispiel wieder unser Mentoring-Programm. Erfahrene Führungskräfte werden mit Frauen verbunden, die sich eine Führungskarriere vorstellen können. Die Teilnehmerinnen werden paarweise zusammengebracht und tauschen sich dann über mehrere Monate aus – denn auch das ist wirklich wichtig: Man muss über Erfolgsgeschichten sprechen, Wissen weitergeben, Erfahrungen teilen. Nur so kann man Hürden abbauen und speziell den Frauen im Unternehmen zeigen, wie viel Potenzial in ihnen steckt. Solche Programme gelingen allerdings nur, wenn die unmittelbaren Führungskräfte ihre Mitarbeiterinnen auch im Arbeitsalltag fördern, indem sie sie beispielsweise in verantwortungsvolle Projekte miteinbeziehen oder sie zur Teilnahme an internationalen Arbeitsgruppen ermuntern. Es geht hier um ein gewisses Mindset in der Unternehmenskultur, dazu braucht es einerseits einen langen Atem, andererseits auch einen starken Sponsor im Vorstand. Frauenförderungsmaßnahmen dürfen nicht als Papierwerk in der Schublade liegen, sie müssen gelebt und aktiv kommuniziert werden, und sie müssen natürlich auch laufend evaluiert und optimiert werden.
BC: Seit Corona haben wir viel mehr Home-Office und flexiblere Arbeitsmodelle. Welche sowohl positiven als auch negativen Effekte sehen Sie da in Bezug auf Inklusion und Chancengleichheit?
Konrad El Ghazi: Die positiven Auswirkungen von Homeoffice-Möglichkeiten liegen auf der Hand: Zeitersparnis durch den wegfallenden Arbeitsweg, erleichterte Vereinbarkeit von beruflichen und familiären Aufgaben, individuelle Flexibilität. All das gilt natürlich umso mehr für Mitarbeiter:innen mit Behinderung. Wir sorgen zwar selbstverständlich für Barrierefreiheit am Arbeitsplatz, aber der Weg zur Arbeit ist – um ein Beispiel zu nennen - für eine Mitarbeiterin, die im Rollstuhl sitzt, mitunter trotzdem beschwerlich. Wenn man sich diesen Weg ab und an sparen kann, ist es natürlich eine Erleichterung. Abgesehen davon gibt es Aufgaben, die hohe Konzentration erfordern – im Homeoffice findet man dazu eventuell mehr Ruhe als in einem Mehrpersonenbüro.
Homeoffice bedeutet jedoch auch Herausforderungen für jede:n Einzelne:n, für das gesamte Team und für Führungskräfte. Im Arbeitsalltag ergeben sich mitunter spontane Situationen – da ist es von Vorteil, wenn man auch örtlich nah beieinander ist. Insgesamt bin ich aber der festen Überzeugung, dass Homeoffice eine wichtige Errungenschaft ist. Entscheidend für das Gelingen der Kombination Office und Homeoffice ist mit Sicherheit eine gute, offene Kommunikation innerhalb des Teams und eine vorausschauende Planung jeder:s Einzelnen.
Aufgrund der KI-Möglichkeiten wird es bald hoffentlich gar keine Barrieren mehr geben
BC: Ein Megatrend ist der Einsatz KI-gestützter Tools auch in der Personalarbeit, wo sehen Sie da Chancen und Risiken hinsichtlich gesellschaftlicher Teilhabe im Arbeitsmarkt?
Konrad El Ghazi: Meiner Ansicht nach sind derzeit die Risiken leichter zu antizipieren als die konkreten Chancen und Anwendungsmöglichkeiten. Der gesamte KI-Bereich entwickelt sich derzeit rasend schnell, HR-Verantwortliche sind hier gefragt, diese Entwicklungen sehr genau zu beobachten. Es gibt mit Sicherheit einige potenzielle Anwendungsgebiete im HR-Bereich, der demnächst in Kraft tretende AI Act zeigt allerdings Risiken und Problematiken auf. Hier fehlen mir persönlich noch die „Spielregeln“ für den Einsatz KI-gestützter Tools im Arbeitsalltag.
Die KI-Anwendungen werden nicht wieder verschwinden, wir müssen uns jetzt kritisch damit auseinandersetzen. Wichtig ist, die Entwicklungen im Blick zu behalten, Berührungsängste bei Mitarbeiter:innen abzubauen und laufend Informationen und Schulungsangebote zur Verfügung zu stellen. Nur so kann auch der Angst der Mitarbeiter:innen um den eigenen Job adäquat begegnet werden. Eine nachvollziehbare Angst, denn KI-Tools werden uns die ein oder andere Aufgabe abnehmen können. Allerdings bin ich überzeugt davon, dass unsere fachlichen Fähigkeiten weiterhin gefragt sein werden – von unseren Social Skills ganz zu schweigen, die die KI mit Sicherheit nicht ersetzen können wird.
In Bezug auf die einfachere Teilhabe am Arbeitsmarkt sehe ich durchaus Chancen durch die KI. Ich denke hier an einen meiner Mitarbeiter, der sein IT-Studium trotz eines stark eingeschränkten Sehvermögens dank der technologischen Möglichkeiten und gut entwickelter IT-Anwendungen absolvieren konnte. Vor zwanzig Jahren wäre das vermutlich kaum möglich gewesen. In zwanzig Jahren wird es in dieser Hinsicht, so hoffe ich, aufgrund der KI-Möglichkeiten gar keine Barrieren mehr geben. Der Zugang zu Bildungsangeboten und die Teilhabe am Arbeitsmarkt könnten durch KI-Entwicklungen deutlich vereinfacht werden.
BC: „Tue Gutes und rede darüber“: Wie kann ein Unternehmen im Finanzsektor seine Erfolge im Bereich Chancengleichheit und Inklusion am besten nach außen kommunizieren, um als attraktiver Arbeitgeber wahrgenommen zu werden?
Konrad El Ghazi: Ich denke, wir tun hier nichts Gutes, sondern schlicht und einfach das Richtige. Warum sollten Menschen mit Behinderungen nicht Teil unserer Arbeitswelt sein? Da geht es nicht um einen Akt der Wohltätigkeit. Diverse und inklusive Teams sind ein entscheidender Erfolgsfaktor für jede:n Arbeitgeber:in, davon bin ich überzeugt.
Wir sind stolz auf das, was wir – gemeinsam mit unseren Mitarbeiter:innen – im Bereich der Inklusion und Diversität erreichen konnten und berichten darüber beispielsweise auf LinkedIn, auf unterschiedlichen Karriereplattformen und bei Veranstaltungen wie dieser hier.
Aber auch die interne Kommunikation ist enorm wichtig. Um Inklusion in einem Unternehmen leben zu können, braucht es mehr als nur Lippenbekenntnisse und schön ausformulierte Texte. Es braucht das Commitment vom Management genauso wie von allen Mitarbeiter:innen. Es geht darum, mit gutem Beispiel voranzugehen und Erfolgsstories zu teilen. Mit laufender interner Kommunikation, aber auch der ein oder anderen Veranstaltung tragen wir Sorge dafür, dass sich alle OeNB-Mitarbeiter:innen unserer Vielfalt bewusst sind, konkrete Maßnahmen kennen und ihre Vorschläge und Ideen einbringen können. Denn die beste Werbung für eine:n Arbeitgeber:in sind die eigenen Mitarbeiter:innen, das darf nie vergessen werden. Was unsere Kolleg:innen über uns als Unternehmen erzählen, ist von unschätzbarem Wert.
BC: Abschließend: Business Circle wird heuer zum ersten Mal den Inclusive Business & DEI Excellence Summit veranstalten, warum war es für Sie wichtig, ein Teil davon zu sein und worauf freuen Sie sich am meisten?
Konrad El Ghazi: Inklusion in der Arbeitswelt ist ein enorm wichtiges gesellschaftliches Thema. Wir sind als Oesterreichische Nationalbank sehr stolz darauf, schon zahlreiche Maßnahmen ergriffen zu haben und von unseren Erfolgen berichten zu können.
Neben Erfolgen gibt es aber auch immer Herausforderungen, hier ist der Austausch mit HR-Verantwortlichen anderer Unternehmen natürlich von unschätzbarem Wert. Ich freue mich auf spannende Gespräche, neue Inputs und Erfolgsgeschichten anderer Arbeitgeber:innen, die uns als Inspiration dienen können.
BC: Sehr geehrte Frau Mag. Konrad El Ghazi, wir freuen uns, Sie zu begrüßen!
Susanna Konrad El Ghazi ist Leiterin der Personalabteilung der Oesterreichischen Nationalbank. Die Juristin kann aus mittlerweile 18 Jahren Erfahrung im Personalwesen der OeNB schöpfen. Unter ihrer Leitung wurden entscheidende und zukunftsweisende Projekte wie die Ausweitung der betrieblichen Gesundheitsvorsorge, die Arbeitszeitflexibilisierung und umfassende Frauenförderungsmaßnahmen erarbeitet und umgesetzt – stets auch unter Berücksichtigung der betriebswirtschaftlichen Herausforderungen.
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