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Von Führung zu Leadership - Jens Berger im Interview

Welche Aufgaben auf einen HR Manager warten und wie gelebte Unternehmenskultur aussieht haben wir im Vorfeld der PoP mit dem Senior Vice President HR von Fressnapf besprochen. Elisabeth Rudolph im Gespräch mit Jens Berger.

Viele Bereiche in Unternehmen sind von Veränderungen betroffen, seit es Digitalisierung, Automatisierung, oder ähnliches gibt. Auch Human Resources bleibt nicht verschont: Die Aufgaben sind vielfältig und die Verantwortung ist groß. Doch neben den ursprünglichen Themen steht heutzutage immer mehr der Faktor Mensch im Fokus des Tuns: Was brauchen die Mitarbeiter? Was bewegt sie? Welche Bedürfnisse haben sie? Wie können sie bestmöglich unterstützt werden, um Bestleistung zu erbringen. Und das alles mit Blick auf die Gruppe UND das Individuum.

Business Circle: Herr Berger, Sie sind Senior Vice President im Bereich HR und somit zuständig für mehr als 12.500 Mitarbeiter in über elf Ländern. Was bedeutet das, für solche Dimensionen (mit)verantwortlich zu sein?
Jens Berger: Vorrangig bedeutet es, sich immer wieder selber zu hinterfragen und generell eine große Offenheit für Veränderungen zu haben. Es braucht aber auch jede Menge interkulturelles Gespür und Verständnis, um auf die vielfältigen und individuellen Bedürfnisse eingehen zu können. Einerseits sind wir ein Großkonzern, andererseits arbeiten Menschen aus unterschiedlichen Nationen, mit verschiedenen Lebenshintergründen und -erfahrungen, Normen und Werten bei uns, auf die es sich einzustellen gilt. Wenn ich z.B. in ein anderes Land reise, um dort unsere Standorte zu besuchen, beschäftige ich mich im Vorfeld intensiv mit der Landeskultur. Und ich bemühe mich, zumindest ein paar einleitende Sätze in der Landessprache zu sprechen.

Business Circle: In wie weit spielt die kulturelle Transformation hier eine Rolle? Denn elf Länder, elf Kulturen, das ist eine große Aufgabe….
Jens Berger: Es fängt ja schon mit der Sprache an, denn wir brauchen natürlich eine einheitliche, um miteinander kommunizieren zu können - in unserem Fall ist das Englisch. Wichtig ist, sich auf die Menschen einzustellen. In Deutschland sind wir es gewohnt, früh anzufangen und lange zu arbeiten. In Dänemark z.B. erreicht man oft um 16:00 Uhr niemanden mehr, weil die Leute die Arbeit unterbrechen, um Zeit für die Familie zu haben. Dafür arbeiten sie dann später am Tag nochmal. Wenn man dafür nicht offen ist, dann wird das immer eine Art Silo-Denken sein und eher einer Insellandschaft gleichen. Deshalb braucht es dieses Verständnis für die jeweilige Kultur. Unser Anspruch ist von einem Unternehmen zu sprechen, mit dem gleichen Werteverständnis und dem nötigen Feingefühl für das Individuum.

Business Circle: Wie sind Sie eigentlich zu dem gekommen, was Sie heute machen? Gab es besondere Beweggründe oder hat der HR-Bereich schon früh Faszination auf Sie ausgeübt?
Jens Berger: Ich bin in den HR-Bereich reingewachsen. Ursprünglich habe ich eine Ausbildung zum Großhandelskaufmann gemacht. Aber was mich immer schon fasziniert hat, waren Menschen. Sich mit ihnen auseinander zu setzen, sie zu entwickeln und zu fördern, das hat mich interessiert. Gestartet bin ich in den HR- Bereich als Entgeltabrechner bei einem großen Einzelhandelsunternehmen. Ziemlich schnell wusste ich, dass ich mich hier weiterentwickeln möchte und habe es über diverse Zwischenstufen und Fortbildungsmaßnahmen schlussendlich in meine heutige Position geschafft. Ich bin also kein typischer Personalchef mit juristischem Background. Das Schöne ist, dass ich jeden Tag dazu lerne, weil ich viel Zeit mit Menschen verbringe, ihnen gerne zuhöre und vor allem offen für Neues bin.

Business Circle: Was sind Ihrer Meinung nach aktuell die größten drei Themen im HR-Bereich? Woran beißen sich HR-Manager aktuell die Zähne aus?
Jens Berger: Das Top-Thema ist Transformation im Kontext von Leadership und People Management. Unternehmen suchen händeringend nach qualifiziertem und motiviertem Personal – Menschen, die gestalten statt verwalten. Denn in Zukunft werden Unternehmen noch mehr auf GestalterInnen angewiesen sein, weil die Veränderungen der Märkte, der Geschäftsmodelle und der Technologien nach einem solchen Profil verlangen. Wer in starren Strukturen verharrt, wird abgehängt. Der ungebrochene Trend zu agilem Arbeiten ist ein wichtiges Zeichen dafür, dass die Zukunft denen gehört, die in die Verantwortung gehen und mit- bzw. weiterdenken.
Letztendlich geht es nicht nur darum, ein effizientes und wertsteigerndes Personalmanagement aufzubauen, sondern vielmehr darum, Menschen zu gewinnen, die diese weitreichenden Veränderungen im Unternehmen treiben. ... So stellt die digitale Transformation ganz neue Anforderungen an die Rollen, Verantwortlichkeiten und Kompetenzen von Führungskräften.

Business Circle: Wie sehen diese neuen Anforderungen Ihrer Meinung nach aus?
Jens Berger: Flexible Arbeitszeitmodelle und mobile Arbeitsformen lösen gewohnte Strukturen ab - was neue Modelle des Austausches nach sich ziehen muss. Gleichzeitig führt ein wachsendes Selbstbewusstsein vor allem auch der jungen Generation dazu, dass eine individuellere Ansprache notwendig wird.
Außerdem werden klassisch organisierte Teamstrukturen instabil, zum einen, weil zeitlich begrenzte Projektarbeit zur bestimmenden Arbeitsform wird, zum anderen, weil agile Teams nicht nur aus festangestellten Vollzeitmitarbeitern, sondern gleichfalls aus Teilzeitangestellten und Freelancern bestehen können.
Was einerseits Chancen der Flexibilisierung von Arbeit bedeutet, birgt andererseits das Risiko, dass traditionelle und liebgewonnene Rituale von Teams verloren gehen, weil meist ortsgebundene Handlungen wie beispielsweise die gemeinsame Mittagspause ausbleiben.
Mitarbeitern fehlt es in der Folge an Möglichkeiten des Austausches. Darum wird es zur zentralen Aufgabe von Führungskräften und Managern, ihre Mitarbeiter auf die sich verändernden Zusammenarbeitsmodelle vorzubereiten, sie bei der Einführung neuer Arbeitsformen einzubinden und sie entsprechend ihrer individuellen Bedürfnisse zu begleiten, zu fordern und zu fördern.
Führung kann nicht mehr nur einseitige Einflussnahme sein, sondern muss sich zu einem Konzept geteilter Verantwortung entwickeln und sich der Herausforderung stellen, Mitarbeiter zu unternehmerischem Denken zu motivieren.

Business Circle: Mit welchem Organisationsmodell kann man künftig erfolgreich sein? Welche Unternehmenskultur braucht es dafür?
Jens Berger: Es gibt nicht DAS eine Organisationsmodell für DAS Unternehmen der Zukunft. One size fits all greift hier zu kurz. Ich glaube, die große Kunst liegt in der Balance zwischen Bewahren und Erneuern. Dazu braucht es flache Hierarchien und Netzwerkarbeiten - extern aber auch intern. Damit das funktioniert, muss die Unternehmenskultur offen und transparent sein und eine vertrauensvolle Fehlerkultur bieten. Es gibt eben nicht mehr die eine Lösung und genau das ist es, was Menschen verunsichert. Eine Kultur sollte offen dafür sein und auch mal sensible, kritische Themen ansprechen zu können. Dinge in Frage zu stellen. Zu allem "ja" sagen verändert nichts, bringt uns nicht weiter ;-) Und, man muss auch realisieren, dass man nicht auf jede Frage eine passende Antwort haben kann. Wichtig ist aber, dass man sich mit den Themen auseinandersetzt.

Business Circle: Bei der PoP sprechen Sie über Führung und Leadership, also die Kunst, Mitarbeiter gezielt zu fördern und zu stärken. Wie gelingt das Ihrer Meinung nach am besten in der Praxis?
Jens Berger: Mitarbeiter entwickelt man nicht im Klassenraum. Man kann hier nur Theorien vermitteln, aber wenn man wirklich stärken möchte, dann muss man begleiten und auch auf persönlicher Ebene aufzeigen, dass einem etwas an der Entwicklung, am Menschen selber liegt. Alte Führungsstile, wie sie lange gelebt wurden, sind hier am Limit. Früher wurden Führungskräfte nicht darauf geschult mit Menschen umzugehen und zu führen, weil das früher auch nicht so wichtig war, bzw. weil die Erwartung auch eine andere war. Das ist heute ganz anders. Heute fordern Mitarbeiter Entwicklungsmöglichkeiten aktiv ein. Wenn man es wirklich ernst meint, dann muss man einen gemeinsamen Entwicklungsplan machen, regelmäßig Feedback geben - und vor allem offen sein, selber Feedback anzunehmen. Unternehmen wünschen sich Führungskräfte, denen es gelingt, Mitarbeitern den Sinn und Zweck ihrer Arbeit zu vermitteln und eine Identifikation mit ihren Tätigkeiten und dem Unternehmen herzustellen.

Business Circle: Das Motto der diesjährigen PoP ist „Make it or break it: Wie HR Zukunft schafft“ Was denken Sie, wie kann das gelingen?
Jens Berger: Die Digitalisierung verlangt den Arbeitnehmern einiges ab – und damit auch uns Personalern, die ja die Mitarbeiter fit für die neuen Anforderungen machen müssen. Diese Änderungen in der Arbeitswelt wirken sich auf mehreren Ebenen direkt auf die HR-Agenda aus. Lebenslanges Lernen wird zur Pflicht und damit geht einher, dass die Aus- und Weiterbildung von Mitarbeitern im Unternehmen erfolgskritisch wird für eine gelungene digitale Transformation.
Darüber hinaus ist es aber vor allem eine Frage unserer eigenen Haltung. Es braucht den ausdrücklichen Willen, mehr als Personalbereich mehr als nur "Service" bieten zu wollen; als "strategischer Partner und Mitgestalter" wahrgenommen und akzeptiert zu werden. Und Haltung bedeutet eben nicht, beim ersten Gegen-Wind der Geschäftsführung umzukippen. Es gilt, einen Mittelweg zu finden zwischen der eigenen Meinung, zu den eigenen Themen zu stehen und gleichzeitig die geforderten Ergebnisse zu liefern. Aber, und das ist meiner Meinung nach ganz wichtig: Wir müssen als HR-Bereich auch offen dafür sein zu akzeptieren, dass wir eben nicht alles (besser) wissen, sondern selber Teil dieser Veränderungen sind. Gerade dann, wenn sich z.B. ein Unternehmen unserer Größe einem so allumfassenden Veränderungsprozess stellt. Unser Bereich ist letztlich dafür da, den mehr als 12.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern das Gefühl zu geben, beim richtigen Arbeitgeber zu sein.

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Jens Berger ist als Senior Vice President HR der Fressnapf Holding SE in der Geschäftsleitung tätig. In seinem Verantwortungsbereich liegen sämtliche im Corporate Center angesiedelten HR Themen.
Mehr zum Thema Leadership und Führungskräfte erzählt Jens Berger bei der Power of People – PoP am 21. und 22. September in Frauenkirchen. Was Sie sonst noch erwartet, erfahren Sie hier:
Zur PoP - Power of People 2020

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