TOPICS

EVENTS

PoP 2025 - Power of People

Arbeitsrecht: Rückblick 2024 und Ausblick 2025. Im Gespräch mit Theresa Weiss-Dorer und Franziska Egger, E+H Rechtsanwälte

Theresa Weiss-Dorer, LL.M. (WU) und Mag. Franziska Egger sind Rechtsanwältinnen und ständige Substitutinnen in den Praxisgruppen Arbeitsrecht und Konfliktlösung bei E+H Rechtsanwälte. Im Interview sprechen sie über die arbeitsrechtlichen Neuerungen 2024 und geben einen Ausblick auf das neue Jahr 2025.

Business Circle: Liebe Frau Weiss-Dorer, liebe Frau Egger; welche arbeitsrechtlichen Neuerungen brachte das Jahr 2024?

Theresa Weiss-Dorer: Eine der wichtigsten Novellen war jedenfalls das Transparenzpaket, mit dem, unter anderem, neue, zusätzliche Mindestinhalte für Dienstzettel beziehungsweise Dienstverträge verabschiedet wurden. Die Bestimmungen des Transparenzpakets traten am 28. März 2024 in Kraft und sind für alle ab diesem Zeitpunkt abgeschlossenen Dienstzettel bzw Dienstverträge zu beachten. Andernfalls drohen Verwaltungsstrafen von bis zu EUR 2.000,-. Für Dienstzettel oder Dienstverträge, die vor diesem Datum abgeschlossen wurden, besteht jedoch keine Verpflichtung, Änderungen vorzunehmen. Wir sehen in der Praxis häufig, dass derzeit noch immer Dienstverträge unterzeichnet werden, die nicht alle Voraussetzungen erfüllen, so fehlen zB oftmals eine kurze Beschreibung der zu erbringenden Arbeitsleistung oder Name und Anschrift des Trägers der Sozialversicherung. Auch das Recht unselbstständiger Arbeitnehmer:innen auf Mehrfachbeschäftigung wurde ausdrücklich normiert.

Franziska Egger: Dieses Jahr wurde zudem beschlossen, dass Homeoffice zu sogenannter "Telearbeit" wird. Am 1. Jänner 2025 tritt das Telearbeitsgesetz in Kraft, mit dem, unter anderem, eine Ausweitung des unfallversicherungsrechtlichen Wegschutzes einhergeht. Telearbeit liegt dann vor, wenn regelmäßig Arbeitsleistungen insbesondere unter Einsatz der dafür erforderlichen Informations- und Kommunikationstechnologie erbracht werden und dies entweder in der Wohnung des Arbeitnehmers/der Arbeitnehmerin oder in einer von ihm/ihr selbst gewählten, nicht zum Unternehmen gehörenden Örtlichkeit erfolgt. Differenziert wird künftig zwischen Telearbeit im engeren Sinn und Telearbeit im weiteren Sinn; diese Unterscheidung hat Auswirkungen auf den unfallversicherungsrechtlichen Schutz. Unter Telearbeit im engeren Sinn versteht das Gesetz etwa den Haupt- oder Nebenwohnsitz von Arbeitnehmer:innen, die Wohnung eines nahen Angehörigen oder von Arbeitgeber:innen angemietete Coworking-Spaces. Diese Orte werden privilegiert; der Versicherungsschutz ist grundsätzlich umfassend. Hingegen stehen bei Telearbeit im weiteren Sinn, zB im Hotel, einer Ferienwohnung, Restaurant oder im Park, meistens überwiegend eigenwirtschaftliche Interessen der Arbeitnehmer:innen im Vordergrund. In solchen Fällen ist der Weg zu und von diesen Örtlichkeiten häufig unfallversicherungsrechtlich nicht geschützt. Wichtig ist auch, dass die sonstigen, bisher in Geltung stehenden Regelungen zum Homeoffice (zB Bereitstellungspflicht der digitalen Arbeitsmittel oder Aufwandersatz durch den Arbeitgeber, Kündigungsmöglichkeit) weiterhin anwendbar bleiben.

BC: Telearbeit ersetzt also das Homeoffice – bleiben bestehende Homeoffice-Vereinbarungen gültig?

Weiss-Dorer: Ja, die derzeit bestehenden Vereinbarungen zwischen Arbeitgeber:innen und Arbeitnehmer:innen bleiben weiterhin gültig, ein neuerlicher Abschluss ist nicht erforderlich. Sie können aber bei Bedarf durch die Vertragsparteien angepasst werden, sofern dies gewünscht ist. Wie bereits bei den Regelungen zum Homeoffice bedarf die Vereinbarung der Schriftlichkeit (insbesondere aus Beweisgründen). Das Fehlen der Schriftlichkeit macht die Vereinbarung aber nicht unwirksam. Auch ist keine Unterschriftlichkeit notwendig, sondern nur die Textform. Wesentlich ist auch, dass weiterhin kein Rechtsanspruch auf Telearbeit besteht. Es bedarf daher dem Einvernehmen zwischen Arbeitgeber:innen und Arbeitnehmer:innen.

BC: Sie haben das Recht auf Mehrfachbeschäftigung angesprochen. Bedeutet das, dass Arbeitgeber:innen eine Nebenbeschäftigung gar nicht mehr untersagen können?

Egger: Das Recht auf Mehrfachbeschäftigung wurde im Rahmen des Transparenzpakets ausdrücklich normiert. Arbeitgeber:innen können eine Mehrfachbeschäftigung jedoch im Einzelfall untersagen, wenn diese mit arbeitszeitrechtlichen Bestimmungen nicht vereinbar oder der Verwendung im bestehenden Dienstverhältnis abträglich ist (zB nicht ordnungsgemäße Erfüllung der dienstvertraglichen Pflichten und konkurrenzierende Tätigkeit). So können Arbeitgeber:innen eine Nebenbeschäftigung untersagen, wenn Arbeitnehmer:innen – unter Zusammenrechnung der Arbeitszeiten in mehreren Dienstverhältnissen – die Höchstarbeitszeitgrenzen nicht einhalten. Dieses Verbot bezieht sich ausschließlich auf unselbständige Tätigkeiten. Zustimmungsvorbehalte hinsichtlich selbstständiger Tätigkeiten sind dagegen grundsätzlich wirksam. Damit Arbeitgeber:innen prüfen können, ob eine Mehrfachbeschäftigung zulässigerweise untersagt werden kann, sollte eine Meldepflicht in die Dienstverträge aufgenommen werden.

BC: Künftig soll es Barrierefreiheitsbeauftragte geben – müssen alle Unternehmen diese Position schaffen?

Egger: Nein, nicht alle Unternehmen brauchen einen Barrierefreiheitsbeauftragten. Unternehmen mit mehr als 400 Arbeitnehmer:innen müssen ab dem 1. Jänner 2025 eine beauftragte Person bestellen, die sich um die Barrierefreiheit im Unternehmen kümmert. Diese soll insbesondere Missstände aufzeigen, Veränderungsvorschläge einbringen und sich mit der Behindertenvertrauenspersonen und für die Barrierefreiheit verantwortlichen Personen austauschen. Zudem wurde der Bundesbehindertenrat erweitert und die Behindertenanwaltschaft mit Regionalstellen aufgestockt. Bis dato sieht das Gesetz keine Sanktionen vor, wenn die betroffenen Unternehmen keinen Barrierefreiheitsbeauftragten bestellen.

Höchstgerichtliche Entscheidungen im Arbeitsrecht

BC: 2024 gab es einige interessante höchstgerichtliche Entscheidungen – auch im Arbeitsrecht?

Weiss-Dorer: Ja, es gab etwa einen Fall, indem eine Arbeitnehmerin durch den ehemaligen Geschäftsführer sexuell belästigt wurde. Die Mitarbeiter im Unternehmen betrachteten den ehemaligen Geschäftsführer aber immer noch als "Seniorchef". Laut OGH war der ehemalige Geschäftsführer als Repräsentant dem Unternehmen damit weiterhin zuzurechnen und es lag insofern eine Solidarhaftung des Unternehmens vor. Die Arbeitnehmerin hatte daher Anspruch auf Schadenersatz – dieser wurde aber selbstverständlich nur einmal zugesprochen.

Egger: Eine weitere interessante Entscheidung betrifft betriebliche Kontrollsysteme zur Überwachung der Arbeitnehmerschutzvorschriften durch den Verwaltungsgerichtshof (VwGH). Ein Arbeitnehmer verletzte sich mit einer Motorsäge im Gesicht, weil er diese – entgegen der Anweisung in der Bedienungsleitung – bediente. Der Arbeitnehmer war laut Arbeitgeber "absoluter Vollprofi" im Umgang mit Motorsägen, weshalb der verwaltungsstrafrechtlich Verantwortliche auf dessen Fähigkeiten vertraute. Der VwGH stellte jedoch fest, dass auch bei eingewiesenen, laufend geschulten und ordnungsgemäß ausgerüsteten Arbeitnehmer:innen bloßes Vertrauen nicht ausreiche. Es muss dennoch ein ausreichendes betriebliches Kontrollsystem zur Überwachung der Schutzvorschriften vorhanden sein, um ein Verschulden (und damit eine Verwaltungsstrafe) des Arbeitgebers/der Arbeitgeberin zu verhindern.

BC: Abschließend, gibt es sonstige Novellen, die 2024 im Bereich Arbeitsrecht interessant sind?

Egger: Es gab definitiv noch mehrere spannende Entwicklungen: jene Vertriebenen aus der Ukraine, die bereits eine längere Zeit in Österreich gearbeitet haben, können nun eine "Rot-Weiß-Rot – Karte plus" beantragen. Vor der Antragstellung müssen sie mindestens 12 Monate innerhalb der letzten 24 Monate vollversicherungspflichtig gewesen sein. "Vollversicherungspflichtig" bedeutet, einer Beschäftigung über der Geringfügigkeitsgrenze nachgegangen zu sein. Mit dieser Neuerung kann also ein längeres Aufenthaltsrecht in Österreich erwirkt werden. Alternativ können Vertriebene aus der Ukraine weiterhin ohne Bewilligung arbeiten, wenn die Voraussetzungen für eine "Rot-Weiß-Rot – Karte plus" nicht erfüllt sind oder ein Wechsel nicht gewünscht ist.

Weiss-Dorer: Zudem gab es eine Änderung im AVRAG. Mit § 11b ist eine neue Bestimmung bezüglich der Aus-, Fort-, oder Weiterbildungskosten für Arbeitnehmer:innen in Kraft getreten. Sofern eine derartige Ausbildung Voraussetzung für die Tätigkeit ist (gleich ob aufgrund von Gesetz, Verordnung, Kollektivvertrag oder Arbeitsvertrag), so müssen Arbeitgeber:innen diese Ausbildung einerseits bezahlen, andererseits ist die Teilnahme auch als Arbeitszeit zu rechnen.

BC: Vielen Dank Frau Weiss-Dorer und Frau Egger für dieses informative Gespräch, wir freuen uns auf das nächste gemeinsame Event im Jahr 2025!

Text Link
Leadership & HR