Vergaberecht im Wandel: EU setzt ein Zeichen gegen Chinas Marktmacht
Grundsätzlich sind in einem Vergabeverfahren alle Bieter gleich zu behandeln. Die EU-Vergaberichtlinie und das Bundesvergabegesetz 2018 sehen jedoch eine Ausnahme vor: Bieter und Waren mit Ursprung außerhalb des EWR und der Schweiz dürfen grundsätzlich von der Teilnahme an Vergabeverfahren ausgeschlossen werden, wenn eine solche Ungleichbehandlung völkerrechtlich zulässig ist.
Bei Unternehmen mit Sitz in China oder Indien wäre dies der Fall. Dies liegt daran, dass diese Länder im Gegensatz zu beispielsweise Israel, Ukraine und Montenegro weder dem GPA beigetreten sind noch bilaterale Abkommen mit der EU abgeschlossen haben. Der Zugang zu Vergabeverfahren in der EU kann ihnen daher blockiert werden.
Dies liegt jedoch im Wesentlichen im Ermessen der einzelnen Auftraggeber in Österreich. Im Gegensatz zu Deutschland hat Österreich den regionalen Markt nicht einseitig für „drittländische“ Unternehmen geöffnet.
Gründe für die Bevorzugung der Auftragsvergabe innerhalb des EWR-Raumes durch Auftraggeber
Es gibt viele legitime Gründe, warum Auftraggeber die Vergabe von Aufträgen innerhalb des EWR-Raums bevorzugen, selbst wenn außereuropäische Unternehmen ein besseres Preis-Leistungsverhältnis bieten.
- Aktuelle legislative Entwicklungen auf EU-Ebene
In jüngster Zeit nutzt der europäische Gesetzgeber verstärkt das Vergaberecht als Werkzeug zur Abwehr der chinesischen Konkurrenz und setzt dieses unmittelbar mit weiteren sozialen, politischen und ökologischen Bereichen in Bezug.
So wurde 2022 die VO (EU) 2022/2560 über den Binnenmarkt verzerrende drittstaatliche Subventionen, im Amtsblatt der EU kundgemacht. Diese VO sieht unter bestimmten Voraussetzungen eine Meldepflicht für Bewerber und Bieter in Bezug auf jegliche drittstaatlichen finanziellen Zuwendungen vor und verpflichtet Auftraggeber dazu, diese Meldungen an die Europäische Kommission weiterzuleiten.
Im Jahr darauf wurde des Weiteren der Net Zero Industry Act (NZIA) von Kommission vorgestellt, um sicherzustellen, dass in der EU mehr saubere Technologien in der EU produziert werden. Laut dem Vorschlag plant die Kommission unter anderem, die Herstellung solcher Technologien in der Region zu unterstützen. Dies soll durch "Net Zero Resilience Projects" erfolgen, die dazu beitragen, dass die EU ihre eigene Lieferkette aufbaut und die Wettbewerbsfähigkeit und die lokale Wirtschaftsentwicklung fördert.
- Förderung sozialer und ökologischer Aspekte
Oftmals erzielen öffentliche Auftraggeber auch wirtschaftliche Vorteile, wenn sie bei der Erstellung der Ausschreibungsunterlagen vergabefremde Ziele (sog. Sekundärziele) berücksichtigen. Dies betrifft vor allem Fälle, in denen die öffentliche Hand bevorzugt mit solchen Bietern zu kontrahieren, die bestimmte Umweltstandards einhalten oder einen bestimmten Prozentsatz an behinderten Arbeitskräften beschäftigen. Diese vergabefremden Kriterien sind zwar grundsätzlich nicht von ökonomischer Art und unterstützen daher nicht unmittelbar das Prinzip des best value for money. Wenn jedoch bei Beschaffungen beispielsweise auf deren Nachhaltigkeit geachtet wird und die Entsorgungskosten eines Produkts bereits im Rahmen der Ausschreibung berücksichtigt werden, so kann dies durchaus im Sinne von best value for money liegen.
- Schutz europäischer Industrie- bzw. Handelszweige & Arbeitsplätze
Der Ausschluss von Bewerbern, Bietern und Waren aus Drittstaaten bei Vergabeverfahren kann zum Schutz europäischer Industrie- bzw. Handelssparten vor ausländischer Konkurrenz beitragen. So sieht es grundsätzlich die Kommission, die aktuell Anti-Dumping-Zölle für chinesische E-Autos erwägt. Diese Maßnahme soll verhindern, dass sich in der europäischen Automobilindustrie ähnliche Entwicklungen wie in der Solarindustrie wiederholen, wo chinesische Billigimporte die einheimische Produktion verdrängt haben.
- Mangelnde Transparenz
Ein Ausschluss von Unternehmen mit Sitz im Drittland ist in Fällen wie insbesondere bei Beschaffungsprojekten mit straffem Zeitplan ratsam, um Verzögerungen durch eventuelle Aufklärungsersuchen zu vermeiden. Es ist festzustellen, dass drittländische Unternehmer die strengen und teils sehr formalen Anforderungen an Eignungs- und Leistungskriterien oft nicht erfüllen oder deren Erfüllung nicht nachweisen können.
Ausblick und Herausforderungen für Auftraggeber beim Ausschluss von Bewerbern und Bietern aus Drittstaaten im Vergabeverfahren
Angesichts der aktuellen legislativen Entwicklungen auf EU-Ebene stehen Auftraggeber künftig zweifellos vor neuen Herausforderungen in diesem Zusammenhang. Die Art und Weise, wie Bewerber, Bieter und Waren aus Drittstaaten im Rahmen von Vergabeverfahren behandelt werden, erfordert sorgfältige Überlegungen. Zum Beispiel sollten Auftraggeber darüber nachdenken, ob sie einen vollständigen Ausschluss oder lediglich einen EU-Wertschöpfungsanteil für Bewerber und Bieter mit Sitz in Drittstaaten vorsehen möchten. Ebenso sollte in Betracht gezogen werden, ob diese Regelungen auch für Subunternehmer mit Sitz im Drittland oder Waren mit Ursprung in Drittstaaten gelten sollen. Des Weiteren stellt sich die Frage, ob im Sektorenbereich die Drittstaatsklausel gemäß § 303 des BVergG 2018 zur Anwendung kommen soll. Beachtenswert ist dabei, dass diese unter bestimmten Voraussetzungen sogar eine Verpflichtung zur Diskriminierung vorsieht.
All diese Überlegungen werden in Zukunft für Auftraggeber immer relevanter. Unser Tipp lautet daher: Diese Aspekte bereits bei der Erstellung der Ausschreibungsunterlagen zu berücksichtigen und sorgfältig zu formulieren.
Über den Autor
Matthias Öhler, Schramm Öhler Rechtsanwälte
Veranstaltungstipp
Vergabeforum 12. / 13. Oktober 2023
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