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Rechtliche Herausforderungen für die Kreislaufwirtschaft: Interview mit Dr. Christian Richter-Schöller

RA Dr. Christian Richter-Schöller ist Co-Leiter der Sustainability Group bei DORDA. Im Vorfeld des zweiten Kreislaufwirtschaftstages hat er uns ein Interview dazu gegeben, was ihn motiviert, sich mit Nachhaltigkeit zu beschäftigen, was die CSDDD für heimische Unternehmen mit sich bringt und wie sich der Kreislaufgedanke am besten im Unternehmen verankern lässt.

Business Circle: Sehr geehrter Herr Dr. Richter-Schöller, Sie sind Co-Leiter der Sustainability Group bei DORDA, seit wann beschäftigt man sich in Ihrer Kanzlei explizit mit Nachhaltigkeit, und wie sind Sie dazu gelangt?

Christian Richter-Schöller: Ganz schlichte Antwort: Meine Beschäftigung damit hat begonnen, als mein erstes Kind geboren wurde. So ging es übrigens erstaunlich vielen, die sich heute professionell mit ESG beschäftigen.

BC: Welche (neuen) rechtlichen Risiken erwarten sie durch CSDDD für heimische Unternehmen, was ist durch die enge wirtschaftliche Verflechtung mit der Bundesrepublik und EU-weit ohnehin schon abgedeckt?
Richter-Schöller: Die CSDDD ist eine ganz neue Art der ESG-Regulierung. Erstmal geht es nicht nur ums berichten, sondern auch ums steuern. Bei negativen Auswirkungen auf Umwelt und Menschenrechte muss gehandelt werden. Die CSDDD bringt aber nicht nur Risiken, sondern noch mehr neue Chancen: Wertschöpfungsketten können resilienter, fairer, kollaborativer werden. Die deutsche Pioniergesetzgebung kann dazu dienen, bewährte Praktiken zu übernehmen und gemeinsame Standards zu entwickeln.

„Circular Washing“ vermeiden

BC: Wenn Sie vielleicht in einem kurzen, prägnanten Beispiel erläutern könnten, wie Circular Washing typischerweise aussehen kann, was wäre ein konkreter Fall?
Richter-Schöller: Als Unterfall von Green Washing geht es dabei um Claims, die ein Produkt "grüner" erscheinen lassen, als es tatsächlich ist. Behauptet ein Unternehmen, für eine neue Produktlinie recyclete Materialien zu verwenden und sind dann tatsächlich nur 50 % der Materialien wiederverwendet, ist das ein Fall von Circular Washing. Man darf nicht lügen, aber man darf auch nichts verschweigen – und vor allem muss man darauf achten, dass der Claim von der Zielgruppe richtig verstanden wird.

BC: Inwiefern könnte in der Zukunft die Nachhaltigkeitsbewertung in die DD von M&A-Transaktionen mit einfließen?
Richter-Schöller: Viele Unternehmen sind jetzt schon dazu verpflichtet, umfassende Informationen über Umweltauswirkungen, soziale Verantwortung und Nachhaltigkeitsziele bereitzustellen, um Investor:innen besser zu informieren. Das kann natürlich auch Einfluss auf Transaktionen haben, etwa auf den Kaufpreis oder auf den Gewährleistungskatalog. Was gerne vergessen wird: Das ist auch ein Thema der Wertschöpfungsketten-Regeln. In erster Linie verpflichten diese nämlich, den eigenen Geschäftsbereich im Griff zu haben. Auch deshalb wird man sich Zielunternehmen zukünftig genau auf ESG hin anschauen müssen.

BC: Transparenz muss im ganzen Unternehmen gelebt werden, wie gelingt es am besten, das ganze Team mit ins Boot zu holen?
Richter-Schöller: Dabei handelt es sich definitiv um ein Top Down-Thema. Um das ganze Team einzubeziehen, sollte außerdem eine offene Kommunikationskultur gefördert werden – aber das ist sowieso immer hilfreich. Schulungen und Schulungsprogramme sind in meiner Erfahrung besonders auch am Anfang von ESG-Projekten wichtig, um das Bewusstsein und die Verantwortlichkeit im gesamten Unternehmen zu erhöhen.

BC: Mit welchen Schritten sollte ein Unternehmen am besten beginnen, was wären die besten quick-wins auf dem Weg, um sich den Vorwurf des Circular Washing möglichst fern zu halten?
Richter-Schöller: Unternehmen sollten zunächst eine umfassende Nachhaltigkeitsstrategie entwickeln und klare Ziele setzen. Quick-Wins, die Teil einer solchen Strategie sein können, wären zB die Einführung von umweltfreundlichen Verpackungen oder die Reduzierung von Energieverbrauch an offensichtlichen Stellen. Solche punktuellen Maßnahmen nützen aber nur dann wirklich, wenn sie Teil eines größeren Plans sind, der nicht nur defensive Vermeidung negativer Auswirkungen vorsieht, sondern aktiv das Geschäftsmodell transformiert. Kreislaufwirtschaft ist eben nicht in erster Linie Recycling.

BC: Abschließend: Sie werden ja zum ersten Mal bei uns als Speaker auftreten, welche Botschaft möchten Sie vermitteln, was soll das Publikum aus Ihrer Keynote mitnehmen?
Richter-Schöller: Mut zum eigenen Vorgehen! Insbesondere die neuen Regeln rund um Wertschöpfungsketten wirken auf den ersten Blick recht fremd. Sie bieten aber auch unglaubliche Chancen für alle, die nicht reine Pflichterfüllung bezwecken, sondern echte Veränderung anstreben.

BC: Sehr geehrter Herr Dr. Richter-Schöller, wir danken Ihnen für dieses Gespräch und freuen uns, Sie bei uns zu begrüßen!

blog ace richter schoeller 200

RA Dr. Christian Richter-Schöller ist Co-Leiter der Sustainability Group bei DORDA. Seine Schwerpunkte sind Bank- und Kapitalmarktrecht, Versicherungsaufsichtsrecht und Nachhaltigkeitsrecht. Er ist Autor zahlreicher Fachpublikationen und trägt insbesondere zu Sustainable Finance und Lieferkettenregeln auch regelmäßig an Universitäten, Fachhochschulen und Aus- und Fortbildungseinrichtungen vor. Zuletzt gab er das "Handbuch Nachhaltigkeitsrecht" (Manz 2021) heraus. Beim Circular Economy Exchange am 28. November hält er eine Key-Note zum Thema "Rechtliche Herausforderungen für die Kreislaufwirtschaft"

Bilder Credits:

  • Günther Peroutka / DORDA
  • Business Circle
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