Lieferkettenregeln und Kapitalmarkt: Herausforderungen und Chancen – Christian Richter-Schöller im Interview
Business Circle: Welche Erfahrungen aus Ihrer bisherigen anwaltlichen Tätigkeit haben Ihre Sicht auf nachhaltige Finanzierungsstrategien besonders beeinflusst?
Christian Richter-Schöller: Nachhaltige Finanzierungsstrategien müssen nicht nur rechtliche Anforderungen erfüllen, sondern auch von einer klaren, glaubwürdigen Kommunikation begleitet werden. Projekte, die von Anfang an ESG-Kriterien in ihre Struktur integrieren und das auch aktiv kommunizieren, haben oft Zugang zu besseren Finanzierungsmöglichkeiten und stärkerem Investoreninteresse. Wichtig ist ein pragmatischer Ansatz: Nachhaltigkeit darf kein Selbstzweck sein, sondern sollte mit wirtschaftlichen Zielen in Einklang stehen. Erfolgreiche Strategien entstehen, wenn Unternehmen frühzeitig relevante Stakeholder einbinden und flexible Strukturen schaffen, die auf regulatorische Entwicklungen reagieren können.
BC: Die CSRD und das NaBeG stellen neue Anforderungen an Unternehmen. Welche kapitalmarktrelevanten To-Dos sehen Sie für Emittenten, um diesen Anforderungen gerecht zu werden?
Richter-Schöller: Klarerweise ist es essenziell, ein robustes System für die Erfassung und Berichterstattung zu implementieren. Sie sollten frühzeitig ihre Datenqualität überprüfen, klare KPIs definieren und die Konformität mit den europäischen Berichtsstandards sicherstellen. Damit erzähle ich aber niemandem etwas Neues. Wirklich entscheidend – und aus meiner Sicht zu wenig im Vordergrund – ist Folgendes: Nachhaltigkeitsdaten nicht nur als Compliance-Aufgabe, sondern als strategisches Instrument zur Positionierung am Kapitalmarkt zu nutzen.
BC: Welchen Einfluss werden die Lieferkettenregeln für den Kapitalmarkt haben? Welche rechtlichen und operativen Anpassungen sollten Unternehmen vorbereiten?
Richter-Schöller: Die neuen Lieferkettenregeln, wie EU Deforestation Regulation und EU Corporate Sustainability Due Diligence Directive, verlagern den Schwerpunkt endlich wieder dorthin, wo er hingehört: Wo Unternehmen wirtschaftliche Chancen umsetzen und gleichzeitig positiven Impact haben können. Und weg von der häufig reinen Papierübung des Reporting. Also ein großer Einfluss – und aus meiner Sicht auch eine große Chance.
Unternehmen nicht mit Micromanagement überfrachten
BC: Welche weiteren rechtlichen Entwicklungen im Bereich Sustainable Finance und Lieferkettenrecht erwarten Sie in den nächsten Jahren?
Richter-Schöller: In den nächsten Jahren wird sich der Fokus auf konkrete Vorgaben und verbindliche Standards für ESG-Reporting und -Strategien weiter verstärken. Die Harmonisierung der verschiedenen ESG-Regeln auf EU-Ebene wird dabei eine zentrale Rolle spielen. Meines Erachtens muss der Gesetzgeber aufgrund der bisherigen Erfahrungen insbesondere darauf achten, Unternehmen nicht mit ESG-Micromanagement zu überfrachten, sondern Raum zum Wachsen und Umsetzen zu lassen. Niemandem helfen hundertseitige Reports, die weder jemand liest noch versteht.
BC: Gibt es so etwas wie eine golden rule, mit der Unternehmen nicht nur rechtssicher, sondern auch strategisch sinnvoll und ökonomisch erfolgreich mit den neuen Anforderungen umgehen können?
Richter-Schöller: Also für Lieferketten lautet meine Golden Rule immer schon: Die Beziehung zum Lieferanten oder Kunden muss nach der Implementierung der neuen Regeln besser sein als vorher. Das ist für mich der wichtigste Gradmesser. Das geht aber nur, wenn man pragmatisch und mit Fingerspitzengefühl herangeht. ESG nicht als zusätzliche Belastung, sondern als Wettbewerbsvorteil. Ich weiß aus Erfahrung, dass das klappt. Ich sehe es als Aufgabe von uns Beratern, dieses Wissen in die Unternehmen zu tragen.
BC: Sehr geehrter Herr Dr. Richter-Schöller. Danke für dieses aufschlussreiche Gespräch, wir freuen uns, Sie wieder beim „Kapitalmarktrecht 2025“ zu begrüßen!