KI oder K.O.? Soziale Präzision als neues Paradigma für einen erfolgreichen Hochtechnologieeinsatz in Finanzorganisationen
KI zu nutzen, ohne im Tal der Implementationstränen frustran zu versumpfen aber auch ohne in Blaseneuphorie jedes Tool für ein Lösungsparadis zu halten - diese Balance der digitalen Vernunft müssen die Verantwortlichen im Umgang mit Finanzthemen deutlich wahren. Finanzen sind wesentliche Zahlen könnte man meinen, und passen daher gut zu digitalen Lösungen. Weit gefehlt! Es geht um die Menschen, um echte KI-Transformation - Effizienzen zu heben und neue Wertschöpfungspotenziale kann auch und gerade mit KI genau dann gut gelingen, wenn der Mensch als Mitarbeitender, als Kunde, als Stakeholder wieder neu und deutlich in den Blick genommen wird. Wenn Change & Co. alle schon ein wenig gestresst haben - weil aufwendig und ohnehin... - bringt das Thema "KI" frischen Wind in die Chancen sozialer Präzision.
Eine erfolgreiche Finanzorganisation ist heute digital UND menschennah
Dann lässt sich wunderbar Honig saugen aus vielen spannenden Use Cases: optimierte Prozessautomatisierung und Buchhaltung, verbessert Finanzanalysen durch Vorhersagemodelle und Risikobewertungen, erhöhte Sicherheit durch Betrugsprävention mittels Anomalieerkennung und Verhaltensanalyse, smarte Kreditprüfung, Portfoliomanagement im algorithmischen Handel mit Robo-Advisors, leanere Compliance-Prozesse durch automatisierte Berichterstattung und RegTech, bessere Kundenerfahrung mit Chatbots und personalisierten Dienstleistungen, Finanzplanung und Szenario-Analysen mit mehr Aussagegehalt, Liquiditätsoptimierung profitiert von Cashflow-Management und effizienteren Zahlungsabwicklungen, und letztlich strategische Entscheidungen durch Data Mining und Szenarienplanung fundierter treffen. Denn KI erweist sich durchaus als Katalysator dieser Veränderung, indem sie die Grenzen dessen, was in Controlling, Accounting und Steuerwesen möglich ist, kontinuierlich verschiebt.
Gerade im Finanzsektor ist diese Entwicklung schon eine besondere Pointe
Geld ist eine Illusionskonvention, die als weltgeschichtlich unerreichtes Generalnarrativ eine universale Begreifbarkeit und Wirklichkeitsprägung vorweisen kann, wie wohl keine andere große Erzählung. Oder etwa doch? Sind „Daten“ i.w.S. etwas das „neue Geld“? Bisher sind es noch die Preise, die die Koordination unserer ökonomischen Entscheidungen wesentlich treiben. Die Märkte werden jedoch zunehmend durch Daten angetrieben und als eine neue nachgerade Währungsform etabliert: Daten sind in diesem Kontext als zumindest wesentlich nicht-rivalisierendes Gut freilich nicht das neue Öl, sie übernehmen zu einem erheblichen Teil allerdings die Informationsfunktion des Geldes. Zudem ist Geld heute wesentlich digital, Digitalität generiert Geld – Virtualität perpetuiert sich akzelerierend selbst. Im Gegensatz zu Geld fehlt es Daten allerdings an einer standardisierten Bewertung, da ihr Wert stark vom Kontext abhängt und notorisch schwer zu quantifizieren ist. Zudem stellen regulatorische Herausforderungen wie ein hypertrophierter Datenschutz und das ontologisch schwierige Eigentumsthema komplexe Hindernisse dar, die einen Umgang mit Daten anspruchsvoll gestalten. Anders als Geld, das als universelles Zahlungsmittel weitgehend akzeptiert ist, werden Daten nicht überall als Zahlungsmittel akzeptiert – Crypto hin oder her. All diese beispielhaften Faktoren verdeutlichen, dass Daten zwar eine wertvolle Ressource darstellen, aber nicht dieselbe Funktion wie traditionelles Geld erfüllen können. Und doch…
Die erhöhte Bedeutung der Vertrauenswürdigkeit, die Änderung des Kundenverhaltens und die wachsende Macht des digitalen Kunden prägen zunehmend die Geschäftswelt und damit auch die Finanzwirtschaft. Gleichzeitig nimmt die Allgegenwart digitaler Benutzeroberflächen sowie die Explosion digitaler Assets und privater digitaler Daten zu, was neue Herausforderungen und Chancen schafft. Diese Entwicklungen führen zu einer grundlegenden Änderung der Geschäftsmodelle und der gesamten Geschäftsökosysteme, die sich stärker auf digitale Technologien und datenbasierte Prozesse stützen. Gerade die KI-Revolution macht deutlich, dass der Zusammenhang zwischen Geld und Daten, ja Digitalität und Geld durchaus eng ist – nicht nur für B2B und B2C Kunden der Finanzwirtschaft, sondern auch und gerade für jene selbst. Digitalität und Geld sind eng miteinander verknüpft, da die zunehmende Digitalisierung die Art und Weise, wie Geld genutzt, gespeichert und transferiert wird, grundlegend verändert hat. Digitale Zahlungsmittel wie Kryptowährungen, elektronische Zahlungen und digitale Währungen von Zentralbanken haben traditionelle Formen des Geldes ergänzt oder teilweise ersetzt, indem sie schnelle, kostengünstige und grenzüberschreitende Transaktionen zu niedrigen Kosten ermöglichen. Auch hat die Digitalisierung zu neuen Plattformen und Technologien wie eben KI geführt, die Finanztransaktionen effizienter, sicherer und transparenter machen – aber auch neue Angriffsvektoren für Bösewichte generieren sowie energiegetriebene Umweltbelastungen. Dies wiederum beeinflusst auch die Geldpolitik und Regulierung, da Regulierungsbehörden mit den neuen Herausforderungen digitaler Währungen und Zahlungssysteme konfrontiert – ja in Teilen überfordert sind. Insgesamt hat die Digitalität das Verständnis von Geld erweitert und seine traditionellen Funktionen in gewissem Sinne gar mindestens ergänzt. Daten machen Geld heute superfluid und wirklich global. Man könnte auch sagen, dass die sich in Daten abbildende Digitalität des Geldes dessen Wesen in seine letzte Wahrheit bringt. Die Digitalisierung des Geldes kann vielleicht als eine Phase betrachtet werden, in der die grundlegenden Eigenschaften und inneren Widersprüche des Geldes deutlicher und intensiver hervortreten. Geld als digitaler Datenstrom stellt nämlich eine offenkundig starke Form der Abstraktion und symbolischen Repräsentation dar. Diese Entwicklung zeigt auf, wie weit Abstraktion genutzt werden kann, um eine wirtschaftliche Realität zu schaffen, die nahezu vollständig auf symbolischen und immateriellen Werten basiert. Digital Investment Banking.
Claims based on Claims based on some fundamental digital asset?
Man könnte argumentieren, dass diese Transformation sowohl die Möglichkeit zur Emanzipation eröffnet, indem sie die Machtstrukturen des Geldes offenlegt, als auch das Risiko einer verstärkten Entfremdung und Reduktion des menschlichen Lebens auf rein ökonomische Werte nochmal überbietet. In digitaler Form bringt das Geld gewissermaßen seine "letzte Wahrheit" ans Licht: Es fungiert als abstraktes Symbol, das Macht, Wert und soziale Beziehungen in einer bestimmten, oft vereinfachenden Weise konstruiert. Die Digitalisierung des Geldes fördert aber auch potenziell die finanzielle Inklusion, indem sie den Zugang zu Finanzdienstleistungen für mehr Menschen ermöglicht, insbesondere in unterversorgten Regionen. Sie erhöht die Transparenz, Accountability und Verantwortlichkeit im Finanzwesen, was Korruption und Betrug erschweren kann. Durch den Zugang zu globalen Märkten und die Förderung von Innovation und Wettbewerb wird die wirtschaftliche Teilhabe durchaus gestärkt. Die digitale Transformation kann die finanzielle Bildung supporten und ermöglicht neue Formen sozialer Zusammenarbeit.
Man darf träumen!
Davon, dass Daten und letztlich deren KI-gestützte algorithmische Bearbeitung die Finanzwirtschaft nicht bloß oberflächlich, sondern wesenhaft positiv transformiert, ja selbst Risk Business neu und akzeptabler auszurichten vermag. Nicht im Sinne des nochmal sich verschärfenden, unerwünschten Teil einer auch oft nicht ganz fair kritisierten Finanzwirtschaft, sondern back to basics mit neuen, innovativen, kraftvollen und erfolgreichen Geschäftsmodellen und auch innerhalb von Unternehmen i.S.v. Corporate Finance optimierten Ansätzen. M.E. muss man KI im Finanzwesen also durchaus aufmerksam in den Blick nehmen und nicht unkritisch bejubeln, aber auch die Sorge vor einer gleichsam völlig weltentrückten Finanzwirtschaft erscheint zunächst einmal etwas arg dystopisch.
Gut wäre dagegen, die Chancen von KI in der Finanzwirtschaft in einem menschnäheren Sinne zur Wirkung zu bringen und so insgesamt die Finanzwirtschaft wieder menschennah auszurichten. Schritt für Schritt. Soziale Präzision als neues Paradigma für einen erfolgreichen Hochtechnologieeinsatz in Finanzorganisationen bedeutet, den K.O. abzuwenden. Diese Kritik der KI-Vernunft mag ein Denkanstoß sein für eine humane Ausrichtung von genau deswegen erfolgreichen Finanzorganisationen – der Return aus smarten Geschäftsmodellen, effizienter Prozessteuerung und vor allem einer KI-ready hochperformanten Belegschaft ist das Zukunftsmodell. Letzteres setzt weniger digitale als Sozialtechnologie voraus. Hier muss investiert werden. Der Gewinn der Zukunft wird nicht mehr auf „Geld vom Gelde“ im aristotelischen Sinne setzen, sondern auf eine eingebettete Form, mit Services rund um das liebe Geld wirtschaftlich erfolgreiche Angebote für alle Marktteilnehmer machen zu können. Und so den Veränderungen positiv entsprechen zu können.
Die Treiber dieser Veränderungen sind insbesondere die Bereiche ESG (Environmental, Social, Governance), die zunehmende Demokratisierung von Daten, der wachsende Druck auf etablierte Geschäftsmodelle, die rasch expandierende Data Economy sowie die sich wandelnden Bedürfnisse der Mitarbeitenden und eben auch sich nahezu unglaublich schnell entwickelnde Digitaltechnologien. Diese Faktoren erfordern von Finanzunternehmen eine zunehmende Anpassungsfähigkeit und Innovationsbereitschaft, um wettbewerbsfähig zu bleiben und das smarte Miteinander von Menschen und Maschinen ist der zentrale Lösungspfad.
Über den Autor
Prof. Dr. Stefan Heinemann ist Professor für Wirtschaftsethik an der FOM Hochschule und gewähltes Mitglied der Ethikkommission der Medizinischen Fakultät der Universität Duisburg-Essen, außerdem Sprecher der Ethik-Ellipse Smart Hospital an der Universitätsmedizin Essen und beschäftigt sich mit der ökonomischen und ethischen Perspektive auf die digitale Medizin und Gesundheitswirtschaft. Professor Heinemann engagiert sich zudem für die Themen Kommunale Versorgung, Nachhaltigkeit und Wandel. Er ist wissenschaftlicher Leiter des HAUPTSTADTKONGRESS Lab (Springer Medizin, Wiso). Er ist Leiter der Forschungsgruppe "Ethik der digitalen Gesundheitswirtschaft & Medizin" am ifgs Institut für Gesundheit & Soziales der FOM Hochschule, Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats von 10xD, Mitglied der "Arbeitsgruppe KI in der Inneren Medizin" im Rahmen der Kommission "Digitale Transformation der Inneren Medizin" sowie Fachberater in verschiedenen Forschungs- und Bildungseinrichtungen. Darüber hinaus ist der Philosoph und Theologe Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats "Digitale Transformation" der AOK Nordost, Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats des Arbeitskreises Gendersensible Medizin an der Medizinischen Fakultät der Universität Bielefeld, Mitglied des Beirats des Instituts für PatientExperience der Universitätsmedizin Essen und Mitglied des sozial- und gesundheitspolitischen Beirats der BARMER Landesvertretung Nordrhein-Westfalen. Außerdem im Vorstand der Kölner Wissenschaftsrunde, Vorstandsvorsitzender der "Science City Essen" und Mitglied des Kuratoriums von sneep e. V., einem studentischen Netzwerk für Wirtschafts- und Unternehmensethik. Er ist Mitinitiator von www.dataprotection-landscape.com, einer Plattform für die Mehrdimensionalität des Datenschutzes.