Aktuelle Studie zeigt: Die digitale Transformation ist und bleibt das wichtigste Thema für CXOs von Versicherungen
Business Circle: Die CxO-Studie wurde nun zum fünften Mal durchgeführt. Welche Marktentwicklungen lassen sich im Vergleich zu den Vorjahren erkennen?
Martin Müller: Die Branche steht unter erheblichem Druck: Starkgestiegene Schaden- und Leistungsaufwände, hohe Kosten für die digitale Transformation, die Sicherstellung operativer Resilienz, sowie der Aufwand für regulatorische Anforderungen belasten die Unternehmen zunehmend. Daher ist es nicht verwunderlich, wenn dadurch Themen wie Anpassung der Geschäftsmodelle, neue Vertriebspartnerschaften und innovative Ökosysteme in den Hintergrund rücken. Versicherer haben erkannt, dass es jetzt entscheidend ist, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren – „Back to Basics“ hat daher aktuell höchste Priorität.
BC: Was bedeutet das konkret für die aktuelle strategische Agenda der CxOs von Versicherungsunternehmen?
Martin Müller: Die größte Veränderung haben wir beim Thema Profitabilität feststellen können – kein grundsätzlich neues Thema für die CxOs, aber die strategische Relevanz hat enorm zugenommen im Vergleich zum Vorjahr. Die Auswirkungen sind vielfältig: Preiserhöhungen und Review von Produktbausteinen, aber auch grundsätzliche Hinterfragung des strategischen Portfoliomix und damit einhergehend strukturelle Sanierungen in spezifischen Produkt- und Kundensegmenten. Darüber hinaus sehen wir eine signifikante Zunahme von Aktivitäten zur Senkung der Schaden- und Leistungsaufwände, sowie der Verwaltungskosten. Insbesondere bei Letzterem geht es nicht nur um die Identifikation von Einsparpotenzialen, sondern auch um die Steigerung der Kostendisziplin im Unternehmen, sowie der Professionalisierung der Kostensteuerung.
BC: Profitabilität ist also das Thema, das am meisten an Relevanz gewonnen hat im Vergleich zum Vorjahr. Welches Thema hat denn die höchste Priorität in der Vorstandsetage?
Martin Müller: Hier ist das Ergebnis unserer Studie sehr eindeutig und auch in den letzten Jahren recht konstant: die digitale Transformation ist und bleibt das wichtigste Thema für Versicherungen. Auch nachvollziehbar, da Maßnahmen nur sehr langsam ihre gewünschte Wirkung entfalten. Sei es die Erhöhung des Automatisierungsgrads, die Stärkung der Cybersecurity, die Cloud-Transformation oder die Modernisierung der IT-Infrastruktur – alles Themen, die einen langen Atem und enorme Investitionen erfordern.
Dagegen befindet sich die Nutzung von Künstlicher Intelligenz bei den meisten Versicherern noch im Experimentierstadium. Viele Voraussetzungen werden aktuell erst noch geschaffen, um die erhofften Potenziale voll auszuschöpfen: der Aufbau notwendiger Skills, die Auswahl von technologischen Lösungen und Dienstleistern und die Prüfung auf Compliance mit regulatorischen Anforderungen (z.B. EU AI Act) sind einige zu nennende Herausforderungen.
BC: Welche strategische Priorität vervollständigt die Top 3?
Martin Müller: Operative Resilienz zu tragbaren Kosten. Vor allem in der Schaden-/Unfallversicherung, aber auch in der Krankenversicherung, sind die Servicelevel in den letzten zwei Jahren massiv unter Druck geraten und signifikante Kostensteigerungen zur Sicherstellung des Services die Folge.
Während der Coronazeit hat das Arbeitsvolumen in den Operations stark nachgelassen. Die Folge war ein Abschmelzen der Mitarbeiterzahl. Nun haben sich aber die Rahmenbedingungengrundsätzlich geändert: Frequenz und Intensität der normalen Schadenlast ist wieder deutlich gestiegen, NatCat-Ereignisse führen zu zusätzlichen massiven Schwankungen der Arbeitslast, die Kundenerwartungen an schnelle Erledigung ist weiter gestiegen, die Kapazitäten bei Dienstleistern sind gesunken und der Arbeitsmarkt ist angespannt. Hinzu kommen noch hausgemachte Probleme: es fehlt an Transparenz in den Operations, an variablen Vergütungsmodellen, an einer zeitgemäßen Führungskultur, die das New Normal mit hohem Homeoffice-Anteilberücksichtigt, und an einer leistungsfähigen, integrierten Operationssteuerung.
BC: Wenn Sie auf die nächsten Jahre blicken, welche wesentlichen Veränderungen oder Trends erwarten Sie in der Versicherungsbranche, die auch in der CxO-Studie 2025 reflektiert werden könnten?
Martin Müller: Ich erwarte, dass der Druck auf die Profitabilität der Versicherer weiter zunehmen wird, abhängig von der Eigentümerstruktur und dem Portfoliomix. Wachstum in Stücken wird dadurch noch weniger Relevanz haben als bisher. Prämiensteigerungen werden auch weiterhin notwendig sein, um der Schadeninflation entgegen zu wirken und die Fähigkeit zum Kostenmanagement wird ein noch wichtigerer strategischer Wettbewerbsfaktor. Warum? Weil schon heute die Kostenfür die digitale Transformation, für die operative Resilienz und auch fürr egulatorische Muss-Themen enorm sind – sie werden auch in Zukunft weitersteigen. Wer diese Fähigkeit nicht besitzt, der wird über kurz oder lang dienotwendigen Investitionen in Personal und Technologie nicht stemmen können.