Digitalisierung in der technischen Ausbildung: Frank Draing im Gespräch
Business Circle: Sehr geehrter Herr Draing, eingangs und um eine Brücke zum letzten Jahr zu schlagen: Im Text, den im Vorfeld des Lehrlingsforums 2023 Ihr Kollege Thomas Schmid beigesteuert hat, ging es unter anderem um die Herausforderungen, welche die „digital natives“ von heute an die Ausbildung stellen. Welche Schlüsselkompetenzen für moderne Lehrlingsausbildner ergeben sich für Sie daraus?
Frank Draing: Die Ausbildenden müssen heute mehr denn je offen für neue Techniken und Medien sein. Sie müssen vor allem akzeptieren, dass sie im Bereich der digitalen Medien und deren Nutzung nur bedingt mehr Fachwissen haben können als die Auszubildenden. Es geht nicht darum den Auszubildenden im Bereich Social Media einen Schritt voraus zu sein, sondern ihnen auf Augenhöhe zu begegnen und ihr Wissen für sich und die Ausbildung zu nutzen. Die Ausbildenden sollten den Auszubildenden die sinnvolle Mediennutzung und den Einsatz in der Ausbildungspraxis vermitteln. Zum Beispiel, wie setze ich einen KI-Chatbot sinnvoll für die Prüfungsvorbereitung ein und wie kann ich Inhalte überprüfen. Es geht also letztlich um Sozial- und Medienkompetenz, die die Ausbildenden haben müssen und vermitteln müssen.
BC: Wie können digitale Lerninhalte den Auszubildenden dabei helfen, ihre Fähigkeiten, wie z.B.: das Sägen oder Bohren, stetig weiterzuentwickeln und zu verbessern?
Draing: Wir sehen hier weniger die Vermittlung der handwerklichen Tätigkeiten durch digitale Medien als sinnvoll an, sondern eher die Vorbereitung der Tätigkeiten, oder die Wiederholung von Arbeitsschritten. Digitale Medien können nie die praktische Ausbildung ersetzen. Aber sie können eine sinnvolle Ergänzung sein. Ich kann Hintergrundwissen beim Üben im digitalen Umfeld erarbeiten. Ich kann in VR ohne Materialeinsatz Dinge üben und Fehler machen ohne hohe Kosten zu verursachen. Trotzdem müssen die Auszubildenden irgendwann auch mal praktisch eine Bohrmaschine oder andere Geräte in der Hand haben und nutzen. Schweißen ist ein schönes Beispiel. Ich kann das sehr gut virtuell üben. Aber ohne eine zusätzliche praktische Übung werde ich die Tätigkeit nicht erlernen können. Digitale Medien unterstützen hier also und verbessern und beschleunigen ggf. den Lernerfolg.
BC: Wie integrieren Sie neue digitale Formate, wie E-Learnings und 3D-Szenarien, in die bestehenden Lernmaterialien, und welche Vorteile bietet dies den Lehrlingen?
Draing: Wir sind bestrebt unsere digitalen Medien nicht nur mit gedruckten Unterlagen über Links oder so zu verbinden. Unser Ansatz geht in der Zukunft viel mehr in Richtung der praktischen Ausbildung mit Hardware. Wir verbinden zum Beispiel einen Koffer für die Ausbildung im Elektrobereich über einen QR-Code mit unserer Lernplattform und machen so die digitalen Medien in der Werkstatt an der Hardware verfügbar. Wir wollen die Trennung von Theorie und Praxis aufheben und Wissen dann vermitteln, wenn es gebraucht wird.
BC: Von der anderen Perspektive betrachtet: Wie gestalten Sie die Zusammenarbeit mit den Lehrlingsausbildnern und sind Sie in Ihrer Praxis von dieser Seite manchmal mit Widerständen konfrontiert, was technische Neuerungen und Digitalisierung angeht?
Draing: Wir versuchen immer der Partner der ausbildenden Personen zu sein. Das geht schon bei der Beratung los. Wir begleiten die Ausbilder dabei, unterstützen sie und versuchen gemeinsam die passende Lösung zu finden. Natürlich ist nicht jeder Ausbilder gleich technikaffin und offen für neue Ansätze. Diese Herausforderung haben wir jeden Tag. Es gibt auch große Unterschiede zwischen den Unternehmen. Ein großer Konzern bildet anders aus als ein kleiner Handwerksbetrieb. Unsere Aufgabe ist es, für jeden Betrieb und jeden Ausbilder die passende Lösung parat zu haben. Wenn ein Betrieb gerade erst anfängt digitale Medien einzusetzen findet er bei uns genauso die passenden Inhalte wie ein Unternehmen, welches schon lange digital unterwegs ist.
Kleine Schritte können Großes bewirken. Einfach starten und keine Angst vor neuer Technik
BC: Welche Empfehlungen würden Sie Unternehmen geben, die ihre Lehrlingsausbildung modernisieren möchten und wie könnte man diese Maßnahmen so nach außen kommunizieren, dass potenzielle Lehrlinge einen als attraktiven Arbeitgeber wahrnehmen?
Draing: Das Wichtigste ist, einfach zu starten. Keine Angst vor der neuen Technik haben und nicht die ganzen Probleme vorher versuchen zu lösen. Klein anfangen, die Auszubildenden abholen und mitnehmen auf die Reise. Vielleicht auch direkt die Auszubildenden ihre eigenen Geräte (Handys) nutzen lassen, anstatt direkt teure Hardware anzuschaffen. Kleine Schritte können Großes bewirken. Wie man das dann nach außen kommuniziert, ist schwierig pauschal sagen. Jeder Betrieb ist hier anders unterwegs. Es ist auf alle Fälle ratsam keine falschen Hoffnungen zu wecken. Also nichts zu versprechen, was man dann nicht halten kann. Es ist auch schwierig in Anzeigen oder Veröffentlichungen sich mit anderen, großen Unternehmen zu messen. Man wird nicht besser sein als die die schon lange digital unterwegs sind. Man sollte zeigen, dass man sich auf den Weg gemacht hat und im Vorstellungsgespräch oder Praktikum die Offenheit für Neues darstellen. Vielleicht auch den Auszubildenden vermitteln, dass sie hier mitgestalten können.
BC: Abschließend: Sie waren ja 2022 schon einmal am Lehrlingsforum, möchten Sie Ihren Eindruck von dieser Konferenz mit uns teilen?
Draing: Ich habe das Lehrlingsforum als eine spannende Veranstaltung wahrgenommen. Man trifft auf Praktiker, die nach Lösungen suchen und kommt schnell ins Gespräch. Das Format mit den unterschiedlichen Vortragsformen ist toll und der Austausch mit anderen Referenten und Ausbildern ist einfach und sehr gut. Ich freue mich wieder dabei sein zu dürfen.
BC: Sehr geehrter Herr Draing, vielen Dank für diese interessanten Einblicke, wir freuen uns, Sie zum Lehrlingsforum zu begrüßen!
Frank Draing ist seit 30 Jahren in der Verlagsbranche tätig. Durch Studien im Multimedia-Bereich und im Verlags- und Medienmanagement eignete er sich umfangreiches Grundlagenwissen an, welches er in unterschiedlichen Positionen im Berufsalltag vertiefen konnte. Heute ist er als Verlagsleiter für die gedruckten und digitalen Medien für den Bereich Ausbildung bei Christiani verantwortlich. Bei seiner Tätigkeit ist es ihm wichtig, eine ausgewogene Mischung aus digitalen und Printmedien für die optimale Ausbildung im Betrieb anzubieten und neue Medien wie AR und VR mit ins Portfolio zu integrieren.