Den Kreislaufgedanken in der Bauwirtschaft voranbringen: Ein Gedankenaustausch mit Eli Widecki, Baumit.
Business Circle: Sehr geehrter Herr Widecki, Sie leiten die Stabstelle Energiestrategie und Kreislaufwirtschaft bei Baumit, daher eingangs eine Frage zum Kreislaufgedanken in der Bauwirtschaft: Insbesondere, da bei der Betonproduktion große Mengen CO2 anfallen, wird Beton-Recycling als potenzieller Schlüssel zu einer nachhaltigen Bauwirtschaft angesehen. Wo liegen die größten Hindernisse bei der Umsetzung von effizienten Recyclingprozessen für Beton?
Eli Widecki: Anfangs gab es in allen Bereichen Herausforderungen, bei der Technik, am Markt, bei der Regulatorik. Aber Schritt für Schritt werden Lösungen gefunden und die Vorreiter, wie Baumit und Wopfinger Transportbeton, machen große Fortschritte, vor allem bei der Technik und der Skalierung. Bei den Themen Bewusstseinsbildung und Regulatorik gibt es noch Hürden; hier versuchen wir zwar einen Beitrag leisten, in Wahrheit sind aber andere gefordert.
BC: Sie haben umfangreiche Erfahrung in der Zusammenarbeit mit der EU und nationalen Regierungen. Wie kann die Politik effektiver mit der Forschung und der Industrie zusammenarbeiten, um die Entwicklung von nachhaltigen Rohstofflösungen voranzutreiben?
Widecki: In dem man weniger übereinander und mehr miteinander spricht. Damit meine ich, dass Politik und Verwaltung die Unternehmen als Partner sehen sollte, mit denen man gemeinsam realistische Ziele formuliert und praxistaugliche Lösungen entwickelt. Dazu braucht es einen regelmäßigen, offenen Austausch auf Augenhöhe und ein Weltbild, in dem der Unternehmer nicht automatisch der böse Kapitalist ohne Sorge um die Umwelt ist.
BC: Sie waren lange in der Politik und bei der WKO tätig, welche „Quick-Wins“ gäbe es, um sofort, sagen wir 10% Ressourceneinsparung ohne Wohlstandsverlust zu erzielen?
Widecki: Die Patentlösung, auf die bisher noch niemand gekommen ist, habe ich auch nicht. Aber wenn zum Beispiel die öffentliche Hand und staatsnahe Betriebe bei ihren Ausschreibungen verstärkt auf Recyclingbeton setzen würden, könnte hier relativ rasch etwas weitergehen. Zudem müsste die thermische Sanierung durch bessere Öffentlichkeitsarbeit und unbürokratische Förderungen gezielt forciert werden, damit Gebäude Energie sparen können – und zwar wesentlich mehr als 10%.
BC: Der Energieaufwand bei der Rückgewinnung von Rohstoffen ist hoch, und die steigenden Energiepreise machen dies noch schwieriger. Wie können Unternehmen diese Herausforderung bewältigen, ohne ihre Wettbewerbsfähigkeit zu gefährden?
Widecki: Die hohen Energiepreise sind in der Tat eine Herausforderung für die produzierende Industrie. Und Sie sprechen ein weiteres wichtiges Thema an: Nachhaltigkeit kann nur funktionieren, wenn es auch wirtschaftlich ist. Dafür braucht es geeignete Rahmenbedingungen. Gezielte Maßnahmen können die hohen Energiepreise direkt adressieren oder abfedern. Besser wäre es aber, Anreize und Wettbewerbsbedingungen zu schaffen, damit es sich für Unternehmen auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten rechnet, in Kreislaufwirtschaft und Nachhaltigkeit zu investieren.
Im Baubereich gelten andere Regeln als in der Konsumgüterindustrie
BC: Angesichts der zunehmenden ökologischen und wirtschaftlichen Herausforderungen: Glauben Sie, dass die Circular Economy in der Bauindustrie zu einem Standard werden kann, oder bleibt sie vorerst eine Utopie?
Widecki: Der Bau ist aus gutem Grund sein Sektor, in der Veränderungen graduell passieren. Gebäude sollen Jahrzehnte oder länger halten, und Menschen Schutz und Behaglichkeit bieten. Da kann man nicht denselben Maßstab wie bei Konsumgütern anlegen und muss eine realistische Erwartungshaltung haben. Es wird eine Evolution und keine Revolution sein, aber die Kreislaufwirtschaft wird ein immer wichtigerer Bestandteil der gesamten Bauwirtschaft. Dieser Trend wird sich in den nächsten Jahren auf jeden Fall fortsetzen und jene, die daraus unternehmerische Vorteile lukrieren können, werden langfristig erfolgreich sein.
BC: Abschließend: Das wird Ihr erster Auftritt auf der Circular Economy Exchange (Glückwunsch dazu!). Warum ist es für Sie so wichtig, dass diejenige, die für Kreislaufwirtschaft „brennen“, sich untereinander vernetzen? Und was erwarten Sie sich von der Konferenz?
Widecki: Der Austausch, auch über Branchen hinweg, ist gerade bei einem Zukunftsthema wie der Kreislaufwirtschaft essenziell. Denn auch wenn jeder Sektor anders ist, die Herausforderungen sind oft ähnlich. Ich habe bereits das noch mangelnde Bewusstsein und die wenig hilfreiche Regulatorik angesprochen, diese Themen kommen überall vor. Außerdem tut es gut, sich auf hohem Niveau mit Gleichgesinnten auszutauschen, da nimmt man immer etwas für den Alltag mit. Ich freue mich also auf die Veranstaltung, danke für die Einladung.
BC: Sehr geehrter Herr Widecki, wir danken Ihnen für dieses Gespräch und freuen uns, Sie bei uns zu begrüßen!
Eli Widecki, M.Sc, B.A. war nach Stationen bei der EU-Kommission, dem EU-Parlament sowie der WKÖ als Experte für Umwelt-, Klima- und Energiepolitik von 2015 bis 2021 als Berater in den Kabinetten unterschiedlicher Spitzenpolitiker tätig. 2022 übernahm er die Stabstelle Energiestrategie und Kreislaufwirtschaft bei Baumit Beteiligungen GmbH. Beim Circular Economy Exchange 3.0 teilt er sein Wissen im Rahmen des Abschlusspanels unter dem Titel „Utopie Circular Economy?“