• Erste Praktische Erfahrungen mit der FlexCo: Interview mit Clemens Hasenauer

RA Dr. Clemens Hasenauer, LL.M., MBA, ist Managing Partner bei CERHA HEMPEL und fachlicher Gesamtleiter der RuSt. Im Vorfeld sprechen wir über die ersten Erfahrungen mit der FlexCo, deren Vor- und Nachteile sowie mögliche Zukunftsszenarien.

Business Circle: Sehr geehrter Herr Dr. Hasenauer, eingangs der Brückenschlag zur vergangenen RuSt: In unserem letzten Interview zum Thema "KI – Gamechanger, Plagiat oder Bedrohung?" haben Sie hervorgehoben, dass Juristen sich aktiv mit dem Potenzial von KI auseinandersetzen sollten. Was war in diesem Zusammenhang die wichtigste Entwicklung des letzten Jahres? 
Clemens Hasenauer: Als eine der aktuell wohl wichtigsten Entwicklungen im Bereich Künstlicher Intelligenz ist der europäische AI Act hervorzuheben. Der AI Act wurde im März dieses Jahres mit großer Mehrheit im EU-Parlament angenommen und zielt darauf ab, einen einheitlichen rechtlichen Rahmen für eine gewissenhafte und sichere Anwendung von KI-Systemen zu schaffen. Mit einer finalen Veröffentlichung des AI Acts ist voraussichtlich im Mai oder Juni 2024 zu rechnen. Es bleibt gespannt abzuwarten, wie sich der AI Act auf den Einsatz Künstlicher Intelligenz auswirken wird.

BC: Über das Thema FlexCo / Austrian limited wurde seit 2020 diskutiert, jetzt können die ersten praktischen Erfahrungen gesammelt werden. Wie wird die FlexCo bisher angenommen und welche Erwartungen scheinen sich bereits jetzt zu erfüllen?
Hasenauer: Da seit dem Inkrafttreten des FlexKapGG nur wenige Monate vergangen sind, kann hinsichtlich der bisherigen Erfahrungs- und Erwartungslage noch nicht allzu viel gesagt werden. Festzustellen ist, dass mit Stand Anfang Mai etwa 203 FlexCos in das Firmenbuch eingetragen wurden. Die FlexCo genießt jetzt zu Beginn natürlich noch nicht dieselbe (hohe) Reputation wie die bestehenden Kapitalgesellschaftsformen GmbH und AG. Ob und wie die FlexCo die an sie gestellten Erwartungen erfüllen wird, wird die Praxis erst zeigen.

BC: Wo liegen die Nachteile der FlexCo im Vergleich zur GmbH?
Hasenauer: Ein Nachteil der FlexCo liegt etwa in der im Vergleich zur GmbH erweiterten Aufsichtsratspflicht, die deshalb häufig als "Poison Pill" der FlexCo bezeichnet wird: Anders als bei der GmbH muss bei der FlexCo bereits dann ein Aufsichtsrat eingerichtet werden, wenn die FlexCo als "mittelgroße Gesellschaft" im Sinne der Rechnungslegungsvorschriften zu qualifizieren ist. Die Begründung in den Gesetzesmaterialien, wonach etwa die erhöhten Gestaltungsmöglichkeiten der FlexCo (bedingte Kapitalerhöhung, genehmigtes Kapital), die ansonsten Aktiengesellschaften vorbehalten sind, eine erweiterte Aufsichtsratsratspflicht nahelegen, überzeugt mE nicht.

BC: An welchen internationalen Vorbildern orientiert sich die FlexCo?
Hasenauer: Die Schaffung der FlexCo orientiert sich an einer Vielzahl internationaler Vorbilder, sowohl aus dem anglo-amerikanischen als auch aus dem europäischen Raum. Exemplarisch können hier die Delaware LLC, die Flex-BV in den Niederlanden oder die PSA in Polen genannt werden 

Kernanliegen aus der Startup-Branche nachkommen 

BC: Wie wird die heimische Unternehmenslandschaft durch die FlexCo gestärkt, im innereuropäischen und im internationalen Wettbewerb?
Hasenauer: Eine Stärkung erfährt die heimische Unternehmenslandschaft in diesem Zusammenhang vor allem durch die Schaffung zusätzlicher Flexibilität, die vielfach von Startups gefordert wurde: Die FlexCo baut auf der Rechtsform der GmbH auf, ergänzt sie jedoch um bewährte Gestaltungsmöglichkeiten aus dem Aktienrecht, wie etwa flexible Kapitalmaßnahmen, den Erwerb eigener Geschäftsanteile und die Einziehung eigener Geschäftsanteile. Zudem hat der Gesetzgeber mit der Schaffung einer neuen, stimmrechtslosen Anteilsklasse, den sogenannten "Unternehmenswertanteilen", eine erleichterte Möglichkeit zur Mitarbeiterbeteiligung geschaffen und ist damit einem weiteren Kernanliegen aus der Startup-Branche nachgekommen.

BC: Die Abschaffung notarieller Formvorschriften war ein Wunsch aus der Start-up-Szene, der im Gesetzesentwurf letztendlich nicht berücksichtigt wurde, war das Ihres Erachtens richtig so oder hätte der Gesetzgeber die Formvorschriften weiter heruntersetzen sollen?
Hasenauer: Die Frage der Notariatsaktspflicht war stark umstritten im Gesetzgebungsprozess. Letztlich hat sich der Gesetzgeber für einen Mittelweg entschieden: Für die Gründung einer FlexCo ist, ebenso wie bei der GmbH, ein Notariatsakt erforderlich. Für Anteilsübertragungen sowie für Übernahmeerklärungen anlässlich einer Kapitalerhöhung bei der FlexCo sind dagegen als Alternative zum Notariatsakt auch (Privat-)Urkunden, an denen ein Rechtsanwalt oder Notar mitwirkt, zugelassen.

BC: Letztendlich sollten Startups und Gründerinnen mit der neuen Gesellschaftsform gestärkt werden, was wäre ein best-case-scenario für die nächsten 5 Jahre, damit man guten Gewissens sagen könnte, dass alles richtig gemacht wurde?
Hasenauer: Richtig, die FlexCo soll innovativen Startups und Gründern eine international wettbewerbsfähige Option bieten und insbesondere für internationale Venture Capital-Investoren attraktiv sein. Im Idealfall gelingt es daher, erfolgreiche österreichische Startups dauerhaft in Österreich zu halten und ausländische Investoren vermehrt für österreichische Investments zu gewinnen.

Blog collage hasenauer rck

BC: Lieber Herr Dr. Hasenauer, abschließend einen herzlichen Glückwunsch! 2024 wird Ihre 25. RuSt sein. Was waren für Sie die spannendsten Entwicklungen und Kontinuitäten über diese lange Zeit?
Hasenauer: Vielen herzlichen Dank! Ich bin sehr froh, bereits seit so vielen Jahren Teil der RuSt sein zu dürfen. Rückblickend war jede einzelne RuSt ein besonderes Ereignis, da Jahr für Jahr ein breites Spektrum an hochaktuellen Themen beleuchtet und mit einem hochkarätigen Publikum kritisch diskutiert wurde. Insofern freut es mich besonders, dass sich die RuSt zu einem jährlichen Fixpunkt für viele Branchenexperten etabliert hat, deren Teilnehmerkreis sich über die Jahre stetig erweitert hat. Als besonders erfreuliche Entwicklung ist natürlich auch die RuSt NEXTGen hervorzuheben. Es ist wichtig, auch die Juristen der nächsten Generation anzusprechen und zu fördern, was nun mit der RuSt NEXTGen gelungen ist.

BC: Vielen Dank für dieses Gespräch, wir freuen uns mit Ihnen auf die RuSt 2024!

Blog rust hasenauer 200

RA Dr. Clemens Hasenauer, LL.M., MBA, ist Managing Partner bei CERHA HEMPEL in Wien. Tätigkeitsschwerpunkte: M&A-Transaktionen, Gesellschafts-, Übernahme-, Kapitalmarktrecht & Umgründungen. Er leitet das auf M&A und Übernahmen spezialisierte Corporate Transactions Department. Er ist fachlicher Gesamtleiter der RuSt.

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