Think Forward - Finanzkriminalität im Fokus der Compliance-Arbeit: Interview mit Lisa Hou, fink.
Business Circle: Sehr geehrte Frau Hou, Sie sind Senior Managerin und Team Lead Compliance bei X1F fink., möchten Sie uns eingangs kurz skizzieren, wie Sie ihr Weg dorthin geführt hat?
Lisa Hou: Sehr gerne! Mein Interesse an Wirtschaftskriminalität und Wirtschaftsethik wurde zunächst durch mein Bachelor- und Masterstudium Recht und Wirtschaft an der Universität Salzburg geweckt. Diese Neugier hat mich schließlich zu meiner ersten beruflichen Station bei EY geführt. In beinahe acht Jahren durfte ich unterschiedliche nationale und internationale Finanzinstitute bei der Ausgestaltung ihrer Financial Crime Compliance begleiten. Ein besonderes Highlight war mein Aufenthalt in Australien, wo ich das Team in Sydney beim Aufbau ihrer lokalen Financial Crime-Expertise unterstützen durfte. Meine Leidenschaft, mit Finanzinstituten pragmatische und nachhaltige Lösungen für aktuelle Fragestellungen zu entwickeln und gleichzeitig ein Team aufzubauen und – sowohl in ihrer Einheit als auch individuell – weiterzuentwickeln, haben mich schließlich zu X1F fink geführt.
BC: Welche regulatorischen Entwicklungen im Bereich Financial Crime bereiten Ihrer Meinung nach aktuell den größten Handlungsbedarf, speziell für Finanzinstitute?
Hou: Die zunehmende regulatorische Dichte und Komplexität im Bereich der Wirtschaftskriminalität stellt den Finanzsektor vor erhebliche Herausforderungen, zielt jedoch im Kern auf die Eindämmung der Risiken ab, die sich durch den technologischen Wandel und den damit einhergehen Anstieg digitaler Kriminalität zeigen. Den Handlungsbedarf sehe ich weniger in einer ad hoc-Adaptierung von Prozessen zur Befriedigung der Aufsichtsbehörden, sondern vielmehr in einer notwendigen Transformation der traditionellen Compliance-Funktion durch den Einsatz von KI-gestützten Überwachungsmaßnahmen in Kombination mit einem effektiven, präventiven Risikomanagementsystem. Mithilfe traditioneller Methoden und manuellen Werkzeugen wird kriminellen Akteuren kaum Einhalt geboten – das zeigt sich insbesondere im Bereich der Geldwäsche- und Betrugserkennung. Eine zukunfts- sowie tragfähige und proaktive Compliance-Kultur, welche so bald als möglich implementiert und gelebt werden muss, wird daher von Finanzinstituten gefordert.
BC: Nachhaltigkeit ist in aller Munde, aber wie kann man sicherstellen, dass die von Ihnen entwickelten Compliance-Strategien nicht nur kurzfristige Regelkonformität gewährleisten, sondern auch langfristig einen Mehrwert bieten?
Hou: Mit unserem Commitment zu Compliance of the Future stellen wir kontinuierlich die Frage nach dem „So What?“ und übersetzen regulatorische Anforderungen in pragmatische, zukunftsfähige und wirksame Lösungen für unsere Kunden. Ein Schwerpunkt dabei ist, die ganzheitliche Steuerung relevanter Financial-Crime-Risiken auf Basis eines präventiven Risikomanagements, das eine End-to-End-Prozessperspektive verfolgt und den gezielten Einsatz von Daten priorisiert. Dieser Fokus auf Daten sowie auf ein effektives Risikomanagement erlauben es uns, Muster und Anomalien frühzeitig zu erkennen, wodurch potenzielle Risiken frühzeitig identifiziert und geeignete Maßnahmen rechtzeitig ergriffen werden können. In diesem Kontext verstehe ich, regulatorische Anforderungen als Leitfaden zur Erkennung und Handhabung von Risiken; ein effektives, präventives Risikomanagement geht jedoch einen Schritt weiter und ermöglicht uns, stets proaktiv zu agieren.
BC: Welchen Vorteil können digitale Technologien bieten, um Risiken im Bereich Financial Crime Compliance effizienter zu managen?
Hou: Der Einsatz digitaler Technologien im Bereich Financial Crime Compliance bietet den Vorteil, Risiken zum einen schneller und effizienter, und zum anderen und (viel wichtiger) präziser und effektiver identifiziert und eingedämmt werden können. Mittlerweile geläufig ist der Einsatz Künstlicher Intelligenz für die Automatisierung von Prozessen und die Reduzierung von false positives im Transaktionsmonitoring bzw. -screening. Besonders im Bereich der Echtzeitüberwachung gewinnt KI zunehmend an Bedeutung, etwa bei der Erkennung komplexer Muster in großen Datenmengen zur Unterstützung von Netzwerk- und Kundenanalysen sowie zur Authentifizierung und Identifizierung zur Prävention von fraudulenten Aktivitäten. Dies führt gleichzeitig zu einer besseren Skalierbarkeit, und mittel- und langfristig zu einer Senkung der Kosten der Maßnahmen zur Bekämpfung von Finanzkriminalität.
BC: Sie definieren sich bei fink. als „andere Art“ der Beratung, agil und praxisnah. Möchten Sie vielleicht ein Erfolggsstory mit uns teilen, wie Ihre Kunden von diesem Beratungsansatz besonders profitieren konnten?
Hou: In einem Projekt haben wir eine internationale Bank dabei unterstützt, auf einer Big Data-Plattform einen Transaction Monitoring Analytics-Use Case aufzusetzen. Unser ganzheitlicher Ansatz begleitete den Kunden von der Identifikation und Definition der relevanten Use Cases bis hin zur technischen Umsetzung. Ein wesentlicher Aspekt unserer Arbeit war die Begleitung der Transformation der Financial Crime-Mitarbeitenden. Wir haben sicherstellt, dass die Fähigkeiten des Kunden nicht nur erweitert und deutlich verbessert wurden, sondern auch, dass die Mitarbeitenden zu einer modernen, auf Daten gestützten Arbeitsweise befähigt wurden. Wir sind überzeugt, dass die Kombination aus modernster Technologie und gezielter „User Adoption“ – also gut ausgebildeten und gecoachten Mitarbeitenden – der Schlüssel für eine effektive Financial Crime Compliance ist. Durch unsere Unterstützung konnte das Team nicht nur die Compliance-Anforderungen erfüllen, sondern auch seine gesamte Arbeitsweise im Bereich Financial Crime transformieren. Das Ergebnis war eine signifikante Steigerung der Effizienz und ein verbessertes Verständnis für die Nutzung von Daten in der Prävention von Wirtschaftskriminalität.
Die Compliance-Abteilung nicht nur als Hüter regulatorischer Anforderungen
BC: Damit Compliance wirksam ist, darf sie nicht nur als bürokratische Hürde gesehen werden. Wie schaffen Sie bei fink. den Spagat zwischen einer praktischen „hands-on“ Mentalität und dem bloßen bürokratischen „Abhaken“ regulatorischer Anforderungen?
Hou: Vielen Dank für diese Frage – damit greifen Sie unsere zentrale Ambition auf. Unser Ziel bei fink. ist es, Compliance nicht nur als bloße bürokratische Pflicht, sondern als echten Mehrwert für das Unternehmen zu verankern. Dabei stützen wir uns an unseren zwei Leitprinzipien: Transformation und Business Enablement – gestützt auf unsere Branchenexpertise. Diese Prinzipien bedeuten für uns, dass wir Compliance nicht nur kurzfristig und taktisch denken und umsetzen, sondern strategisch und zukunftsfähig gestalten. Wir sehen die Compliance-Abteilung nicht vorrangig als Hüter regulatorischer Anforderungen, sondern als wichtigen Treiber des Unternehmens, der wertvolle Daten und ein umfassendes regulatorisches Wissen mitbringt und so die strategische Entwicklung vorantreiben kann. Um die Balance zwischen einer praktischen „hands-on“-Mentalität und dem bloßen Abhaken von Anforderungen zu schaffen, setzen wir zudem auf Transparenz und Klarheit in unseren Prozessen. Unsere Vision ist eine Compliance, die das Unternehmen nicht nur schützt, sondern resilient, wachstumsfähig und zukunftssicher macht.
BC: Abschließend: Das wird Ihr erster Auftritt auf der „Compliance now!“. Warum ist es für Sie so wichtig, dass sich Compliance-Officer untereinander vernetzen?
Hou: Finanzkriminalität kann nur durch die enge Zusammenarbeit aller Akteure, die mit ihrer Bekämpfung betraut sind, wirksam eingedämmt werden. Die Vernetzung und der kontinuierliche Austausch von unterschiedlichen Perspektiven und Ideen erweitert und vertieft unser Wissen, und ermöglicht die gemeinsame Entwicklung von best practices. Gleichzeitig wird auch die Kooperation nachhaltig gestärkt.
BC: Sehr geehrte Frau Hou, wir danken Ihnen für dieses Gespräch und die profunden Einblicke.
Lisa Hou, LL.M. ist Senior Managerin und Team Lead Compliance bei X1F fink. Sie verantwortet den Bereich Financial Crime Compliance in der DACH-Region und berät Finanzinstitute bei der Umsetzung regulatorischer Vorgaben durch die Implementierung nachhaltiger Compliance-Strategien mit einem Fokus auf das Management von Risiken und den Einsatz digitaler Technologien.