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Vienna Legal Innovation ´25

Regulatory Monitoring mit Hilfe von KI automatisieren – Interview mit Bernhard Landrichter von gesetzefinden.at

Bernhard Landrichter ist Co-Founder von gesetzefinden, einem Legal Start-Up aus Wien. Wir reden darüber, wie KI-basierte Tools juristische Arbeitsabläufe revolutionieren, Zeit sparen und Compliance effizienter machen. KI in der Rechtsbranche kann mehr als nur „Chatbots“.

Business Circle: Sehr geehrter Herr Landrichter, gesetzefinden.at kann man ja mit Fug und Recht noch als Start-Up bezeichnen. Was war die Motivation, das Unternehmen zu gründen und welche waren die wichtigsten Meilensteine bisher?

Bernhard Landrichter: Eigentlich hat alles mit der Idee angefangen, den demokratischen Zugang zu Recht in Österreich zu verbessern. Das Ganze ist dadurch entstanden, als mein Co-Founder Christian bei einer Umsiedelung Fragen zu seinem Mietvertrag hatte, diese jedoch nicht selbst recherchieren konnte… das RIS bietet ja bekanntlich nicht die Laien-freundlichste Benutzeroberfläche. Die Grundidee, eine Plattform bereitzustellen, die rechtliche Informationen einfach zugänglich und nützlich macht, verfolgen wir bis heute - nur unser Geschäftsmodell hat sich laufend weiterentwickelt. Die strategische Entscheidung uns auf die Entwicklung anwendungsspezifischer KI-LegalTech-Tools zu fokussieren, sowie der Launch unserer SaaS Monitoring Lösungen (Judikatur- sowie Regulatory-Monitoring), waren sicherlich die größten und wichtigsten Meilensteine bisher.

BC: Wie entstand die Idee, KI für das Regulatory Monitoring einzusetzen? Gab es eine konkrete Marktlücke, die Sie erkannt haben? Und wie unterscheidet sich Ihr Ansatz von traditionellen Lösungen, wie sie früher angeboten wurden?

Landrichter: Unser erstes KI-Tool hat sich auf den Bereich der Judikatur konzentriert und war somit in einer gewissen Form der Vorläufer zum Gesetzesmonitoring. Der Einsatz von KI bietet sich hier einfach an, da die qualitativ hochwertigen juristischen Daten, die wir haben, in einer Form verarbeitet werden können, sodass sie einen zielgerichtet Mehrwert für die Endanwender:innen liefern. Generell betonen wir aber immer, dass ein gutes KI-System zumindest zu 50% aus traditionellem Code besteht. Alle unsere Tools wurden in enger Zusammenarbeit mit Unternehmen (auf der Nachfrageseite) und juristischen Partnern (auf der Entwicklungsseite) entwickelt. Beim Regulatory Monitoring gab es den konkreten Wunsch nach einem Tool, das Unternehmen dabei hilft den Überblick über neue Regulierungen und Gesetzesänderungen zu behalten. Die Marktlücke ist dadurch entstanden, dass ein Anbieter seinen Service in Österreich eingestellt hat. Was früher von diesem Anbieter manuell abgebildet worden ist, haben wir mit unserer Lösung in das digitale Zeitalter katapultiert - effizient, nutzerfreundlich, und komplett automatisiert. Die Hauptunterscheidungsmerkmale, neben der KI-Automatisierung, liegen in Zusatzfeatures wie individuellen Handlungsempfehlungen, und einem Audit-Log, dies ermöglicht es den gesamten Workflow als IKS aufzusetzen. Einfach gesagt: Statt nur Informationen zu liefern, gibt das System präzise To-dos für die Umsetzung. Weiters werden alle Aktivitäten im System dokumentiert, sodass sich das Unternehmen bei Prüfungen oder Audits absichern kann.

BC: Welche Herausforderungen mussten Sie bei der Entwicklung des Tools bewältigen? Waren die rechtlichen oder die technischen Hürden die größere Herausforderung?

Landrichter: Mitunter einer der größten Herausforderungen war es die Entwicklung des Tools ausreichend voranzutreiben, neben der laufenden Abwicklung unserer Auftragsprojekte. Dadurch, dass wir derzeit immer noch komplett gebootstrapt sind, waren diese Projekte für uns zur Querfinanzierung der Produkte notwendig. Das verzögerte unter anderem die Fertigstellung unserer Datenschnittstelle zum EUR-Lex, führte aber auch dazu, dass wir unsere Expertise im Legal-Tech Bereich immer weiter vertiefen konnten. Somit kann man definitiv sagen, dass die technischen Hürden die größere Herausforderung darstellen, auch wenn sie letzen Endes rechtliche Daten betreffen.

BC: Können Sie uns ein konkretes Beispiel nennen, wie Ihr System juristische Arbeitsabläufe in Unternehmen effizienter machen und dementsprechend für die Rechtsabteilung Zeit und Ressourcen sparen kann?

Landrichter: Viele Unternehmen führen diese Monitoring Prozesse derzeit noch manuell durch, was enorm viel Zeit beansprucht, oder lagern sie sehr teuer aus. Beides nicht optimal! Unternehmen, die unser Tool nutzen, erhalten relevante Informationen in Echtzeit (sobald die Änderung im BGBl. ist), in zusammengefasster Form inklusive spezifischer Handlungsempfehlungen für den eigenen Geschäftsbereich. Ich nehme hier am besten ein aktuelles Beispiel zur Hand: Im Q4 letzten Jahres gab es Änderungen in der Bundesarbeitsstättenverordnung, die festgelegt haben, dass Fluchtwege in Gebäuden künftig mit mind. 30 Lumen ausgeleuchtet sein müssen. Während sich Rechtsabteilungen ohne unserem Tool durch erstmal durch die Novelle durchkämpfen müssten, die potentiell mehrere hundert Seiten hat, um dann in weiterer Folge abzuleiten was für das Unternehmen relevant ist und welche Handlungen gesetzt werden müssen, profitieren unsere Kund:innen von präzisen Reports die genau das liefern, was es umzusetzen gilt: “Tausche die Lampen, falls notwendig!”. Jurist:innen müssen sich also am Ende des Tages nicht mehr mit mühsamen, manuellen Recherchearbeiten quälen, sondern können ihre Kompetenzen dort zum Einsatz bringen, wo sie einen Mehrwert bringen. Zugleich ersparen sich Unternehmen teure Beratungsleistungen Dritter, da unser Tool deutlich effizienter arbeitet und dementsprechend günstiger ist.

BC: Und wie sieht andererseits Ihre Zusammenarbeit mit Kanzleien aus? Wird das Tool von Anwälten als Ergänzung oder als potenzieller Ersatz und damit als Konkurrenz für klassische Beratung wahrgenommen?

Landrichter: Grundsätzlich arbeiten wir gerne mit Kanzleien zusammen, vor allem was das Testen und die Feinabstimmung unserer Tools betrifft. Einer unserer engsten Kooperationspartner ist CERHA HEMPEL, die mit uns auch eine Entwicklungspartnerschaft für das Tool eingegangen sind. Während unser Tool grundsätzlich komplett automatisiert läuft, haben Unternehmen die Möglichkeit eine weiterführende und individuelle Rechtsberatung in Bezug auf regulatorische Änderungen zu erlangen. Diesen Teil übernimmt dann CERHA HEMPEL, wird aber auch direkt im System abgebildet. Kurz gesagt: In Bezug auf das Regulatory Monitoring sind Kanzleien nicht unsere Zielgruppe, für das Judikatur Monitoring schon - hier ergeben sich auch schöne Synergien für Anwält:innen.

KI kann die menschliche Entscheidungskompetenz nicht ersetzen und soll das auch nicht

BC: Wie sieht es aus im Spannungsfeld zwischen manuellen Compliance-Prozessen und KI-gestützten? Wo wird immer noch ein Mensch drauf schauen müssen, was darf man nicht allein der Technik überlassen?

Landrichter: Wichtig zu verstehen ist, dass die KI die menschliche Entscheidungskompetenz nicht ersetzen kann, und das auch nicht soll. KI eignet sich hervorragend, um Relevantes von Irrelevantem zu trennen, Muster zu erkennen und Routineaufgaben zu automatisieren. Wo es aber um juristische Einzelfallabwägungen oder komplexere Unternehmenskontexte geht, bleibt der Mensch unverzichtbar. Unser Ansatz folgt dem Human-In-The-Loop-Prinzip: Die KI liefert strukturierte, verständliche Informationen und konkrete Handlungsvorschläge – die endgültige Entscheidung trifft aber ein Mensch.

BC: Abschließend: Was ist die Botschaft Ihres Beitrages auf der „Vienna Legal Innovation ‘25“, was wollen Sie im Mindset des Publikums verändern? Beziehungsweise, was müsste im Nachhinein herauskommen, damit Sie sagen können „Das hat sich gelohnt!“?

Landrichter: Wir wollen zeigen, wie KI-gestützte Technologien den Rechtsbereich nachhaltig transformieren können – nicht als Ersatz für Jurist:innen, sondern als Werkzeug zur Effizienzsteigerung. Was das Publikum betrifft wollen wir die Perspektive hinsichtlich KI erweitern und aus dem klassischen “Chatobot-Denken” ausbrechen. Wenn wir es schafffen, die Awareness für anwendungsspezifischen KI-Lösungen zu steigern, dann haben wir unseren Beitrag geleistet und können mit einem fröhlichen Gesicht nach Hause gehen.

BC: Sehr geehrter Herr Landrichter, wir danken Ihnen für dieses Gespräch. Visionär und horizonterweiternd – das wird bei Ihrem Auftritt auf der „Vienna Legal Innovation ‘25“ sicher noch sehr spannend.

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