Nachhaltigkeit als Gamechanger: Interview Sanela Terko
Sanela Terko ist Partnerin bei BDO. Ihr Tätigkeitsschwerpunkt liegt in der Prüfung und Beratung im Bereich Nachhaltigkeitsmanagement und -berichterstattung. Im Vorfeld des 3. Austrian Sustainability Summit hat sie uns ein Interview gegeben, in dem wir über Finanz- und Nachhaltigkeitskennzahlen und Sustainability Reporting sprechen.
Business Circle: Sehr geehrte Frau Mag. Terko! Sie kennen ja die Business Circle RECON und den TAX Circle: Werden im Corporate Reporting Ihres Erachtens nach Nachhaltigkeitsdaten so wichtig wie Finanzkennzahlen?
Sanela Terko: Aus meiner Sicht dürfte die Bedeutung von Nachhaltigkeitsinformationen mit Blick auf die nächsten zwei, drei Jahre sogar jene der Finanzkennzahlen übertreffen. Wir beobachten schon jetzt, dass das Augenmerk verstärkt auf dem Aufbau bzw. der Erweiterung von Datenerhebungsprozessen zu Umwelt, Soziales und Governance liegt. Eine zeitnahe Befassung ist jedenfalls zu empfehlen, um den umfassenden Neuerungen zur Nachhaltigkeitsberichtspflicht, die ab dem Geschäftsjahr 2025 mehr als 2.000 Kapitalgesellschaften in Österreich erfassen wird, nachzukommen. Dafür ist es primär erforderlich Governancestrukturen, Steuerungsprozesse, Risikomanagement- und Kontrollsysteme, also sämtliche Instrumente, die wir bislang routinemäßig von der Finanzberichterstattung kennen, künftig auf die Nachhaltigkeitsberichterstattung anzuwenden. ESG-Skills werden wohl zur unverzichtbaren Kompetenz in Finanzabteilungen und im Controlling, denn der Nachhaltigkeitsbericht rückt auf Augenhöhe mit dem Finanzbericht.
BC: Etwas Allgemeines: Wie schaffen wir es, Krisenresistenz, Wohlstandserhalt und Bewahrung der Lebensumwelt miteinander zu kombinieren?
Terko: Die Transparenz über unternehmerisches Handeln ist für mich wesentlicher Pfeiler einer nachhaltig orientierten Wirtschaft. Einer Wirtschaft, der es gelingt, multiplen Krisen, der drohenden Klimakatastrophe und zunehmender Ressourcenknappheit proaktiv zu begegnen. Nachhaltigkeit als Leitmotiv des Wirtschaftens ist nicht neu, neu ist jedoch der Handlungsdruck, der von politischer und gesellschaftlicher Seite aufgebaut wird. Entscheidender Hebel dabei ist die Finanzierung: Nachhaltig orientierte Unternehmen erhalten nunmehr leichteren Zugang zu Kapital. Herausfordernd ist diese großangelegte Transformation allemal, umso wichtiger erscheint es mir, die Chancen zu sehen. Unternehmen können durch eine nachhaltige Positionierung vielfältigen Nutzen ziehen. Nachhaltigkeit lohnt sich, beispielsweise beim Employer Branding. Wer Fachkräfte sucht, profitiert von einer nachhaltigen Unternehmensphilosophie. Gerade die Generation Z legt immer größeren Wert auf ökologische Orientierung und attraktive Arbeitsbedingungen.
BC: Sie sind Mitglied der AFRAC-Arbeitsgruppe „Sustainability Reporting“, woran arbeiten Sie hier gerade?
Terko: Zuletzt war ich als Mitglied der AFRAC-Arbeitsgruppe „Sustainability Reporting in die Kommentierung der Entwürfe der Europäischen Nachhaltigkeitsberichterstattungsstandards (European Sustainability Reporting Standards (ESRS Set 1)) eingebunden.
Nachhaltigkeitsinformationen werden wichtiger als Finanzkennzahlen
BC: Wenn Nachhaltigkeitsdaten so wichtig wie Finanzkennzahlen werden, dürften Bilanzfälschungen und entsprechende Skandale nicht lange auf sich warten lassen. In der Vergangenheit gab es einige, sei es Enron oder Wirecard. Wie könnte ein ESG Reporting-Skandal aussehen, wo sehen Sie die größten Risiken?
Terko: Wenn das „G“ nachhaltig im Unternehmen verankert ist, wenn Kompetenzen auf sämtlichen Ebenen vorhanden und wirksame ESG-Risikomanagementsysteme implementiert sind, dann können Nachhaltigkeitsrisiken entsprechend adressiert werden. Ein umfassendes Risikomanagement, wie wir es von der traditionellen Finanzberichterstattung kennen, ist auch für ESG gefordert. Sollte ein Nachhaltigkeitsbericht unvollständig oder fehlerhaft sein, könnte in letzter Konsequenz – analog zur Finanzberichterstattung – strafrechtliche Belangbarkeit zu prüfen sein. Vor diesem Hintergrund ist der Nachhaltigkeitsbericht künftig in der Erstellung analog einer Bilanz oder Gewinn- und Verlustrechnung zu behandeln. Um „Greenwashing“ zu verhindern, ist es von Bedeutung vergleichbare und verlässliche Nachhaltigkeitsinformationen sicherzustellen, die branchenspezifisches Benchmarking ermöglichen. Mit den European Sustainability Reporting Standards (ERSR), den harmonisierten europäischen Berichtsstandards, sind wir hier auf einem guten Weg.
BC: Was können heimische Unternehmen heute schon tun, um sich auf eine externe inhaltliche Prüfpflicht vorzubereiten?
Terko: Der Zeitrahmen bis zur ersten verpflichtenden externen Prüfung des Nachhaltigkeitsberichts ist –angesichts der ambitionierten Neuerungen – recht eng bemessen. Vor allem Unternehmen, die bisher noch keinen solchen Bericht erstellt haben, sollten zeitnah die „Fitness“ der Gesellschaft mit den geforderten Anforderungskriterien abgleichen. Dazu zählen insbesondere große Kapitalgesellschaften, die ab dem Geschäftsjahr 2025 berichtspflichtig sein werden, eine externe Prüfung erfolgt dann im Jahr darauf. Hier ist meine Empfehlung an Unternehmer:innen: Machen Sie sich noch heuer auf den Weg, setzen Sie sich mit der Nachhaltigkeit Ihres Geschäftsmodells auseinander, definieren Sie die wesentlichen ESG-Themen, befassen Sie sich mit Erfassungs- und Dokumentationssystemen und wirken Sie auf „prüffeste Informationen“ hin – die Zeit drängt. Denn gerade auf Unternehmen, die bislang noch nicht zur ESG-Berichterstattung verpflichtet waren, kommt erfahrungsgemäß erheblicher Aufwand zu: Für die Erstellung des Berichts sind vielfach Informationen nötig, die bislang kaum erhoben und strukturiert wurden. Prozesse zur Sammlung und Aufbereitung der relevanten Daten sollten möglichst zeitnah eingerichtet werden, um eine belegbare Datenbasis für den eigentlichen Bericht zu schaffen.
Nachhaltigkeit als Gamechanger
BC: Welches wäre das wichtigste Learning, das Ihr Publikum aus Ihrem Vortrag mitnehmen soll?
Terko: Wir müssen Nachhaltigkeit als „Gamechanger“ verstehen: Es werden nicht nur die Spielregeln der Rechnungslegung gänzlich neu geschrieben, sondern jene der europäischen Wirtschaft. Nachhaltigkeit durchdringt sämtliche Organisationsebenen und muss auch entlang der Wertschöpfungskette betrachtet werden – daher sind klare Verantwortungen notwendig. Von der strategischen Ausrichtung über das Reporting, bis zu Anreizstrukturen in der Vergütung und Awareness in der Unternehmenskultur, vieles ist neu zu denken und zu leben. Aus meiner Sicht sind die starke Einbindung der Führungsebene sowie die organisatorische Verankerung der Steuerung von Nachhaltigkeit entscheidende Erfolgsfaktoren. Maßgeblich für eine gelungene Transformation des Unternehmens wird insbesondere der „tone from the top“ sein. ESG-Expertise wird in diesem Zusammenhang ein zunehmend bedeutenderes Kriterium in den Anforderungsprofilen für Management und Aufsichtsrat werden – mit dem Ziel Nachhaltigkeit ganzheitlich im Unternehmen zu institutionalisieren.
BC: Liebe Frau Terko, wir danken Ihnen für das Gespräch und freuen uns, Sie zum Austrian Sustainability Summit zu begrüßen!
StB Mag. Sanela Terko, CPA, ist Partnerin bei BDO. Ihr Tätigkeitsschwerpunkt liegt in der Prüfung und Beratung im Bereich Nachhaltigkeitsmanagement und -berichterstattung. Sie ist Mitglied der AFRAC-Arbeitsgruppe „Sustainability Reporting“ sowie der Arbeitsgruppe „Nachhaltigkeitsberichterstattung“ des Fachsenats der Kammer der Steuerberater:innen und Wirtschaftsprüfer:innen. Beim 3. Austrian Sustainability Summit gibt sie einen Impuls-Talk zum Thema "Governance im Fokus – Policies und ESG-Transformation im Vorstand und Aufsichtsrat – Was gilt es zu beachten!"