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Menschenrechtliche Sorgfaltspflichten im Einklang mit der CSRD – Interview mit Cornelia Gruber, EY

Cornelia Gruber ist Managerin Climate Change and Sustainability Services Managerin bei EY. Wir sprechen darüber, wie realistisch eine vollständige Transparenz globaler Lieferketten ist und was es bedeutet, dass europäische Unternehmen in Märkte operieren, deren Umwelt- und Arbeitsstandards nicht mit jenen der EU vergleichbar sind.

Business Circle: Sehr geehrte Frau Gruber, eingangs etwas Persönliches: Sie sind Managerin für Sustainability Services bei EY. Möchten Sie uns kurz skizzieren, wie Sie Ihr Weg dorthin geführt hat und warum Sie sich gerade dafür entschieden haben, sich dem Bereich „Menschenrechtliche Sorgfaltspflichten“ zu widmen?

Cornelia Gruber: Das Thema soziale Nachhaltigkeit zieht sich wie ein roter Faden durch meinen Lebenslauf. Warum? Weil es für mich schon immer offensichtlich war, dass Wirtschaft und Menschenrechte wieder näher zueinander finden müssen. Beruflich hat es mich dann von der Entwicklungspolitik über FAIRTRADE zu EY geführt, immer mit dem Bestreben, einen Beitrag dazu zu leisten, dass sich die Lebensbedingungen im Globalen Süden – am Ursprung unserer Lieferketten – verbessern. Was Entwicklungspolitik durch private oder öffentliche Spender:innen ermöglicht, wird durch FAIRTRADE durch den Einkauf von Rohstoffen geleistet.Hier liegt sehr oft das Paradox: die Materialien, die wir in Europa für unseren täglichen Bedarf benötigen, werden von Menschen gefördert und geschaffen, die selbst in großer Armut leben. Ein gutes Beispiel hierfür ist das Thema Kakao, wo nach wie vor Kinderarbeit in den afrikanischen Hauptanbaugebieten an der Tagesordnung steht. Durch neue ESG-Regularien wie die CSRD und die CSDDD müssen Unternehmen ihr Engagement für die Einhaltung der Menschenrechte offenlegen. Meine ganz persönliche Motivation ist es, Unternehmen auf ihrem Weg zu (sozial) nachhaltigerem Sourcing zu unterstützen und damit Arbeits- und Lebensbedingungen zu verbessern.

BC: Wie realistisch ist es, dass europäische Unternehmen globale Lieferketten wirklich vollständig durchleuchten können? Gibt es eine Grenze der praktischen Umsetzbarkeit?

Gruber: Die Frage müsste eigentlich lauten, wie viel sind uns Lieferketten wert, in denen Menschen- und Umweltrechte eingehalten werden.

Natürlich ist es äußerst herausfordernd für europäische Unternehmen, globale Lieferketten vollständig zu durchleuchten. Die Komplexität und Vielschichtigkeit der Lieferketten, unterschiedliche gesetzliche Standards und die begrenzte Kontrolle über entfernte Zulieferer setzen gewisse Grenzen. Jedoch ist heute bereits durch technische Lösungen, wie z.B. auch KI-gesteuerte Software, und auch öffentlich zugängliche Datenbanken sehr viel möglich. Risiken auf Länder und Branchenebene kann man mittlerweile kostenlos auf Knopfdruck recherchieren, auch wenn man die eigenen Lieferkette noch nicht bis ins letzte Detail eruieren kann. Möchte man menschenrechtliche Verbesserungen erzielen, kann man das als ersten Schritt auch über Branchennetzwerke oder Länderinitiativen erreichen, selbst wenn die eigenen Lieferketten (noch) nicht vollständig erforscht werden können.

Letztlich hängt die Realisierbarkeit von der Bereitschaft der Unternehmen ab, in entsprechende Maßnahmen zu investieren und die notwendigen Ressourcen bereitzustellen. Es ist eine Frage der Prioritäten und des Engagements für nachhaltige und ethische Geschäftspraktiken.

BC: Wie können Unternehmen sicherstellen, dass die geforderte Risikoanalyse nicht nur ein bürokratischer Mehraufwand wird, sondern tatsächlich wirksam ist? Das heißt, zu einer Verbesserung der globalen Arbeitsbedingungen führt?

Gruber: Eine Risikoanalyse alleine führt leider noch zu keinen Verbesserungen, sondern stellt nur den ersten, sehr wichtigen Schritt dar: Sie unterstützt Unternehmen dabei, ihre negativen Auswirkungen zu identifizieren, welche sie anschließend für die CSRD und auch CSDDD berichten müssen.

Daher ist es wichtig, aus dem Wissen der Risikoanalyse auch passende Ziele und Maßnahmen abzuleiten. Hier gibt es ein Schlüsselwort: Stakeholderbeteiligung. In der Entwicklung geeigneter Maßnahmen geht es darum, kultursensibel vorzugehen, lokale Gegebenheiten zu verstehen und den Geschädigten eine Stimme zu geben. In der Praxis haben sich hier Multistakeholder-Initiativen zwischen Unternehmen, NGOs und öffentlichen Einrichtungen sehr bewährt. Als Beispiel kann man hier die Fair Wear Foundation nennen, die sich dafür einsetzt Arbeitsbedingungen in der Textilbranche zu verbessern und dafür Markenanbieter, Fabriken, Arbeiter:innen, Gewerkschaften, NGOs und andere Branchenakteure an einem Tisch versammelt.

BC: Europäische Unternehmen sind oft auf Zulieferer aus Ländern angewiesen, in denen Arbeits- und Umweltstandards nicht auf EU-Niveau sind. Führt die CSRD dazu, dass sich Unternehmen gezwungen sehen, sich aus diesen Märkten zurückzuziehen, während chinesische oder indische Firmen einspringen?

Gruber: Ein Rückzug aus Märkten sollte stets als letzter Ausweg betrachtet werden. Sowohl die OECD-Leitlinien als auch die CSDDD betonen, dass Unternehmen zunächst Maßnahmen mit ihren bestehenden Geschäftspartnern ergreifen sollten. Das Ziel ist es bestehende Zulieferer zu unterstützen, damit diese nachhaltige Praktiken implementieren können. Durch diese Zusammenarbeit können Unternehmen nicht nur die Einhaltung von Menschenrechts- und Umweltstandards fördern, sondern auch langfristig positive Veränderungen in diesen Märkten bewirken. Dies trägt dazu bei, dass die Marktbedingungen verbessert werden, ohne dass chinesische oder indische Unternehmen die entstandenen Lücken füllen müssen. Ein solcher Ansatz stärkt die globale Lieferkette und fördert nachhaltige Entwicklung auf breiter Basis.

Langfristigwird dies zu einer höheren Transparenz und Glaubwürdigkeit in globalenLieferketten führen

BC: In vielen Ländern sind Korruption, intransparente Behörden und mangelnde Rechtssicherheit an der Tagesordnung. Wird die CSRD durch ihre detaillierten Anforderungen nicht ungewollt zu einem „Boost“ für fragwürdige Zertifikats- und Audit-Systeme?

Gruber: Es ist absehbar, dass einige Unternehmen versuchen werden, ihre Lieferketten durch kostengünstige Zertifikate und Audits "grün zu waschen". Mit der Einführung der CSDDD wird dies jedoch nicht mehr möglich sein, da eindeutig festgelegt ist, dass die Verantwortung für die Einhaltung von Sorgfaltspflichten nicht auf Zertifizierungsstellen übertragen werden kann. Unternehmen, die sich auf fragwürdige Zertifikate verlassen, müssen bei Verstößen mit erheblichen Sanktionen rechnen. Diese Regelung stellt sicher, dass Unternehmen ihre Verantwortung ernst nehmen und aktiv Maßnahmen ergreifen, um die Einhaltung von Menschenrechts- und Umweltstandards in ihren Lieferketten zu gewährleisten. Durch diese strengen Vorgaben wird verhindert, dass Unternehmen lediglich den Anschein von Nachhaltigkeit erwecken, ohne tatsächliche Verbesserungen zu erzielen. Langfristig wird dies zu einer höheren Transparenz und Glaubwürdigkeit in globalen Lieferketten führen.

BC: Sehen Sie eine Möglichkeit, Nachhaltigkeit und Menschenrechte in globalen Lieferketten zu verbessern, ohne europäische Unternehmen wirtschaftlich zu benachteiligen?

Gruber: Ja, es gibt Möglichkeiten, Nachhaltigkeit und Menschenrechte in globalen Lieferketten zu verbessern, ohne europäische Unternehmen wirtschaftlich zu benachteiligen. Eine Strategie besteht darin, nachhaltige Praktiken als Wettbewerbsvorteil zu nutzen. Europa ist nicht gerade für günstige Preise bekannt, stattdessen müssen europäische Unternehmen andere Marktvorteile nutzen – wie die Nachhaltigkeit. Zudem können Kooperationen mit lokalen Partnern und NGOs helfen, die Standards vor Ort zu verbessern. Dies stärkt nicht nur die Lieferkette, sondern auch das Ansehen und die Marktposition der Unternehmen.

BC: Abschließend: Sie werden jetzt zum ersten Mal bei uns vortragen (Glückwunsch dazu!) worauf freuen Sie sich am meisten und warum ist es in Ihren Augen wichtig, sich im Bereich Nachhaltigkeit und Lieferkettensorgfalt zu vernetzen?

Gruber: Ich freue mich sehr darauf, mich mit Fachexpert:innen auszutauschen, Best Practices und Lessons Learned zu teilen und gemeinsam weiteres Wissen aufzubauen. Gerade in diesem Bereich der sozialen Sorgfaltspflicht ist Vernetzung und die Zusammenarbeit enorm wichtig. Daher ist der Austausch mit Ihnen für mich von großer Bedeutung und ich freue mich auf die wertvollen Diskussionen und Erkenntnisse, die daraus entstehen werden.

BC: Liebe Frau Gruber, wir danken Ihnen für dieses spannende Gespräch und freuen uns, Sie zum Sustainability Summit zu begrüßen!

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