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Vienna Legal Innovation ´25

Marktumschau Legal Tech Tools: Ein Check mit Daniella Domokos

Daniella Domokos ist studierte Diplomjuristin, Legal Tech Expertin und Legal Innovator. In unserem Gespräch tauschen wir uns darüber aus, welche Kennzahlen sinnvoll sind, welche Herausforderungen Change-Management birgt und warum echte Innovation nicht von Technologie, sondern von den richtigen Daten und Fragen abhängt.

Business Circle: Welche wichtigen Trends im Bereich Legal Tech beobachten Sie derzeit? Gibt es Technologien oder Anwendungen, die besonders vielversprechend sind?

Daniella Domokos: KI Anwendungen insbesondere in Form von GPT-Wrapper sind allgegenwärtig und es gibt kaum  noch einen relevanten seriösen Player, der nicht irgendeine KI-Integration aufweist. Die reine Integration von einem GPT-Modell sagt aber nichts über die Qualität und Mehrwert dieser Produkte aus. Besonders vielversprechend sind für mich weniger die Technologien selbst sondern die Organisationen, die qualitativ hochwertige Daten haben und es schaffen diese mittels Technologie nutzbar zu machen. Garbage in, garbage out.

Ich habe aber natürlich ein paar persönliche Favorites, die eine solide technologische Basis und Know-How aufgebaut haben, auf die man gut und sicher aufbauen darf. Dazu gehören Jaasper, Legora (vorher Leya) und Lawlift, falls ich konkret welche benennen soll.

BC: Gibt es andererseits veraltete Konzepte oder Ansätze in der Legal Tech-Welt, die über Bord geworfen werden könnten? Wo sehen Sie das größte Innovationspotenzial?

Domokos: Ich finde, dass jeder technische Ansatz seine Daseinsberechtigung hat, solange die Hauptkriterien: Kunden-und Problemzentrierung sowie Compliance und IT-Sicherheit gewährleistet sind. Viele Wege führen nach Rom und damit auch zum gewünschten Ergebnis. Auch eine rein Excel-Makro-basierte Lösung kann einen enormen Mehrwert in der passenden Organisation stiften, wobei gerade Excel in der Regel massiv unterschätzt wird. Anbieter von isolierten Lösungen beziehungsweise die ohne technische Schnittstellen (APIs) sollten sich möglicherweise etwas Gedanken machen. Vielleicht haben diese Lösungen aber so starke Lock-In-Effekte, dass auch die fehlende Verknüpfbarkeit zu keinen (wirtschaftlichen) Problemen führen wird.

Das größte Innovationspotenzial sehe ich im Zuhören und Fragen stellen. Und das fehlende Zuhören und keine-Fragen-stellen ist ein Ansatz, den man gerne über Bord werfen könnte. Es wird enorm viel (Innovations)Potenzial dadurch liegen gelassen, dass Projekte und Produkte für vermeintliche Probleme von vermeintlichen Nutzer:innen gebaut werden, ohne ehrlich miteinander zu sprechen und den status quo ordentlich vermessen zu haben. Das beste KI-Tool kann mein Problem auch nicht lösen, wenn es mein Problem gar nicht erst kennt und nicht daraufhin ausgerichtet wurde. Vielleicht sind 300-seitige-Verträge nicht mein Problem, sondern eher, dass ich den Vertrag nie oder nur zu spät bekomme, weil die Prozesse nicht vorhanden sind oder weil die Kolleg:innen gar nicht wissen, dass ich den Vertrag hätte prüfen müssen.

Make or buy: Es kommt darauf an

BC: Lohnt es sich für Kanzleien oder Unternehmen, eigene Legal Tech-Lösungen zu entwickeln, oder sind Standardlösungen der bessere Weg? Und welche Faktoren spielen bei der Entscheidung zwischen „Make or Buy“ die entscheidende Rolle?

Domokos: Auf diese Frage gibt es nur eine richtige Antwort: es kommt darauf an. Wie sieht die eigene IT-Kompetenz aus und gibt es genügend freie Ressourcen? Hier ist es wichtig zu berücksichtigen: IT-(System)Administration und IT-Entwicklung sind nicht das Gleiche. Außerdem sollte man sich die Frage stellen wie die eigene Datenlage aussieht. Hat man Spezialwissen, das man nutzbar machen kann oder angelt man in einem weitestgehend leeren Teich?  Zu berücksichtigen ist außerdem, dass Eigenentwicklung  für gewöhnlich teurer ist und mit der reinen Entwicklung ist die Arbeit auch noch nicht getan. Man ist selbst für die Wartung, Pflege z.B. der  Sicherheitspatches sowie die Weiterentwicklung auch noch verantwortlich. Dazu kommen Schulungen, Helpdesk etc. Man lernt aber enorm viel dazu und kann möglicherweise auch neue Geschäftsmodelle erschließen beziehungsweise zur Verfügung stehendes Wissen anderweitig fruchtbar machen. All das ist aber langwierig und dauert für gewöhnlich länger als extern einzukaufen.

Sofern keinerlei oder nur beschränkte IT-Entwicklungsressource zur Verfügung steht und auch nicht eingestellt werden soll stellt sich diese Frage vermutlich auch nicht. Das gleiche gilt, wenn man kein Sonderwissen hat bzw. dieses Sonderwissen nicht in digitaler maschinenlesbarer Form zur Verfügung steht. Auch die Zeit ist ein relevanter Faktor oder die Regulatorik. Schließlich gibt es regulatorische Fristen die einer Eigenentwicklung aus zeitlicher Perspektive im Weg stehen können.

Standardlösungen mögen zwar nicht 100% meine Bedürfnisse erfüllen, ich muss mich aber in der Regel um kaum etwas kümmern. Außerdem haben Anbieter von Standardlösungen mehr Möglichkeiten und (Finanz)kraft, innovative Lösungen umzusetzen und die bestehenden Lösungen weiterzuentwickeln. Außerdem setzen Anbieter von Standardlösungen irgendwann Marktstandards und bieten eine gewisse Sicherheit und Stabilität (wenn man die klare Abhängigkeit ausblendet).

BC: Welche Kennzahlen sind aus Ihrer Sicht entscheidend, um den Erfolg eines Legal Tech Tools messbar zu machen?

Domokos: Das kommt entscheidend darauf an wie eine Organisation bzw. das Projektteam für sich Erfolg definiert. Und diese Definition sollte sich aus dem Problem ableiten, das man mit dem Tool lösen möchte. Möchte man z.B. ein Kapazitätsproblem und Engpässe lösen, dann ist bereits die reine Aktivität und das Lösen des Engpasses ein Erfolg für sich. Möchte man Kosten sparen, muss man wissen welche Kosten und in welchem Umfang. Vor allem braucht es hier eine realistische Analyse vorab, um später nicht enttäuscht zu sein. Wird das Legal Tech Tool zu Marketingzwecken eingeführt lässt sich das sicherlich durch Umfragen z.B. zur Markenbekanntheit oder mittelbar durch die Anzahl der generierten Leads messen. Das LegalTech Tool bzw. die Einführung dessen kann Research & Developmentzwecken, Weiterbildungszwecken, Neugierde und Interesse und zahlreiche weitere Gründe haben.

BC: Wie lässt sich ein Break-even zwischen Wartungsaufwand, Anpassung und Pflege eines Legal Tech Tools gegenüber der tatsächlich eingesparten Zeit und Effizienzsteigerung berechnen?

Domokos: Im Bereich Controlling gibt es zahlreiche etablierte Methoden, z.B. die Balanced Scorecard von Norton & Kaplan. Hier kann man sich gut an der Wirtschaftsinformatik orientieren, ohne sich neue Methoden ausdenken zu müssen. Wichtig dabei zu berücksichtigen ist jedoch, dass neben objektiven harten KPIs auch subjektive Kriterien das Ergebnis beeinflussen können. Diese Metriken und Kriterien definiert man idealerweise vorab z.B. im Rahmen einer Nutzwertanalyse im Rahmen der Entscheidungsfindung bzw. Caseberechnung. Sie sollten gut dokumentiert sein, um sie später erneut genauso heranziehen zu können. Die Herausforderung bezüglich subjektiver Kriterien ist, dass man im Rahmen von solchen Projekten immer dazulernt, man wird schlauer und stellt möglicherweise fest, dass Eingangs getroffene Annahmen sich nicht bestätigt haben. Das ist absolut normal und gehört dazu und sollte entsprechend nicht negativ geahndet werden. Um Subjektivität aus dem Weg zu gehen empfiehlt sich eine gründliche Analyse vorab, z.B. bezüglich der Dauer für diverse Tätigkeiten, wenn das Ziel des Projekts die Effizienzsteigerung ist. Diese Analysen verlangen aber ein Fingerspitzengefühl und intensives Changemanagement.

BC: Welche Entwicklungen erwarten Sie für Legal Tech in den nächsten fünf Jahren?

Domokos: Man neigt ja dazu die kurzfristige Perspektive zu überschätzen und längere Zeiträume zu unterschätzen. Entsprechend hätte ich 2017 nicht gedacht, dass wir 2025 immer noch über Themen sprechen, die sich aus einer gewissen protektionistischer Haltung des Berufsstandes ergeben. Ich würde mir entsprechend wünschen, dass in den nächsten 5 Jahren die technische Affinität der Branche weiter ansteigt und dass man Technologieprojekte initiiert, um bekannte Probleme zu lösen anstatt eine bestimmte Technologie einsetzen zu können. Gleichzeitig erwarte ich eine fortgeschrittene Marktkonsolidierung und den Zusammenschluss einzelner Player, die für sich genommen nicht überleben aber zusammen als Allianz enorme Wirkung entfalten könnten. Der (finanzielle) Druck auf die Rechtsdienstleistungsbranche wird sicherlich weiter ansteigen und es werden weitere Player geben die mutig neue Wege gehen. Diesen Playern wünsche ich, dass sich ihr Mut auszahlt.

BC: Abschließend: Wir gehen jetzt schon seit einiger Zeit ein Stück gemeinsamen Weges, was ist für Sie das Besondere an Business Circle Konferenzen, insbesondere der „Legal Innovation?“

Domokos: Es gibt mittlerweile zahlreiche Veranstaltungen im Bereich LegalTech und Innovation, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Ich schätze das Format Vienna Legal Innovation einerseits, weil es die beste und effizienteste Gelegenheit ist, sich mit dem österreichischen Netzwerk zu treffen. Gleichzeitig werden hier die ehrlichsten Gespräche geführt, Schmerzen und echte Herausforderungen aus dem Business adressiert und gleichzeitig Hoffnung, Kompetenz und Inspiration innerhalb des deutschen Sprachraumes transferiert. Die Veranstaltung ist somit klein aber sehr fein und hat für mich die ideale Größe, um mit beinahe allen Teilnehmenden ein Gespräch führen zu können. Das schätze ich sehr.

BC: Liebe Frau Domokos, danke für dieses tolle Feedback! Wir freuen uns, Sie wieder zur „Vienna Legal Innovation“ zu begrüßen.

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