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Kreislaufwirtschaft: Jetzt das Ruder herumreißen!

Von Dr. Thomas Jakl und DI Andreas Tschulik, Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie: In 80 Tagen um die Welt? Nein, bloß etwas mehr als 70 Tage benötigte Ellen Mc Arthur für ihre Weltumsegelung im Jahre 2004. Alleine steuerte sie Ihren Trimaran und stellte damit den Weltrekord im Einhandsegeln auf. 6 Jahre danach kündigte sie die Gründung einer Stiftung an, die sich dem Thema „Kreislaufwirtschaft“ widmen sollte.

Die Eindrücke, die sie während ihrer Fahrten gewonnen hatte, sollen Mc Arthur dazu inspiriert haben. Umrunden – Kreislauf – Kursänderung – Ruder Herumreißen – man kann sich das schon zusammenreimen. Die Ellen Mc Arthur Foundation (EMAF) hat sich seitdem mit ihren glasklaren, fundierten und besonders anschaulichen Analysen und Darstellungen zu einem Think Tank entwickelt, der ohne Zweifel Themenführerschaft genießt, wenn es um die Entwicklung des Leitbildes einer „Circular Economy“ geht.

Kreislaufwirtschaft ist Klimaschutz

Beim Weltklimagipfel in Sharm el Sheik, ließ Miranda Schnitger, federführend für Klimafragen bei EMAF zuständig, bei einem gemeinsam mit der in Wien ansässigen UNIDO organisierten Veranstaltung aufhorchen: „Wir müssen endlich damit Schluss machen, uns ausschließlich damit auseinanderzusetzen, wo wir die Energie für unser System herkriegen – wir müssen uns dringend damit befassen, wie wir das System ausrichten; wie wir produzieren und wie wir konsumieren.“
In der Tat führt in Lösungsansätzen für die Klimakrise meist eine direkte Linie zur „Energiewende“, also zur Umstellung unseres Systems auf regenerierbare (letztlich sonnengespeiste) Quellen. Damit wird die Gesamtproblematik aber – und das ist die Essenz von Frau Schnitgers Statement – auf die Versorgungsaspekte der „Energiewende“ reduziert. Die „Bedarfsseite“, also wofür wir Energie einsetzen, wird zumeist außen vorgelassen – ein gravierender Fehler. Denn nahezu die Hälfte des Problems spielt sich genau hier ab. Die von EMAF erhobenen Befunde lassen sich heute zu einem in der Fachwelt unbestrittenen Konsens verdichten: „Wir müssen uns endlich um jene 45% an Emissionen kümmern, die ihre Wurzeln in unseren aktuellen Produktions- und Konsummustern haben. Eine Entwicklung hin zu einer Kreislaufwirtschaft, die weg führt vom derzeitigen linearen Modell von „Abbau – Produktion – Entsorgung“ ist eine essentielle Voraussetzung, um diese Emissionen im Sinne einer umfassenden Klimapolitik zu reduzieren“, sagt Miranda Schnitger.

„Overshoot“ Day – erst zu Weihnachten

10 Tage vor Ostern war es heuer so weit. Das war unser ganz persönlicher „Earth Overshoot“ Day, an dem unsere Volkswirtschaft das Budget an Ressourcen, das ihr zustünde, um einen langfristig aufrechterhaltbaren Lebensstil zu verwirklichen, aufgebraucht hat. Für den Rest des Jahres leben wir quasi „auf Pump“ – so als hätten wir nicht einen Planeten zur Verfügung, sondern deren vier. Kreislaufwirtschaft geht von den Bedürfnissen der Gesellschaft (Wohnen, Mobilität, Ernährung, Bildung, industrielle Produktion ...) aus, stellt sie nicht in Frage, sondern sucht nach Wegen, diese Bedürfnisse mit optimiertem Einsatz an Ressourcen zu decken. Am 7. Dezember hat der Ministerrat die Strategie für ein zirkuläres Österreich beschlossen. Ihre langfristige Zielsetzung ist es, (bis 2050) unseren Overshoot Day vom Osterhasen Richtung Christkind zu verlagern – ein massiver Übergang („Transition“), der einer massiven Umgestaltung („Transformation“) bedarf. Kürzerfristige (bis 2030) Zielsetzungen der Strategie setzen voraus, dass Österreich beim Einsatz seiner Ressourcen und auch bei den schon vorhandenen „Kreislauf-Elementen“ seiner Volkswirtschaft zunächst einmal europäisches Durchschnittsniveau erreicht. Nur ein Achtel unseres aktuellen Wirtschafts- und Lebensstils entspricht dem Charakter einer Circular Economy, in der Güter wo immer möglich und sinnvoll durch Dienstleistungen ersetzt werden, möglichst lange genutzt (Reparaturfreundlichkeit!) und erst dann, wenn keine Nutzungsmöglichkeit mehr besteht, einer möglichst hochwertigen Wiederverwertung zugeführt werden.
Apropos Wiederverwertung: Ja, auch Recycling ist ein wichtiger Teil der Kreislaufwirtschaft und trägt diese ja auch schon im Namen. Aber kein Recycling ohne Trennung, Sammlung, Transport, Aufbereitung und Neuverarbeitung. Und diese Schritte können selbst ressourcenintensiv sein. Daher sind in einer Kreislaufwirtschaft jene Ansätze zur Deckung von Bedürfnissen zu favorisieren, die ganz ohne Produkte auskommen („Anything as a service“), oder die benötigten Güter möglichst effizient einsetzen und deren Qualität bestmöglich erhalten, ehe der dann unvermeidliche Weg Richtung Recycling eingeschlagen wird. Ja, die leere Alu-Bierdose, Alu-Kaffeekapsel oder PET-Flasche (etwa fürs stille Wasser) wird – wenn sie richtig entsorgt wird – dem Recycling zugeführt. Die Lösungen für eine Kreislaufwirtschaft erster Klasse heißen aber: Bier aus der Pfandflasche, Espresso ganz ohne Kapsel und: Stilles Wasser kommt bei uns erstklassig aus der Leitung.

Ein Anliegen der Gesellschaft als Ganzes

Nicht nur bestehende rechtliche Verpflichtungen (etwa zur getrennten Sammlung von Alttextlilien) müssen nun beherzt umgesetzt werden. Um Industrie und Gewerbe bei der Entwicklung von kreislauffähigen Geschäftsmodellen und Verfahren zu unterstützen, werden auch Mittel aus dem eben beschlossenen „Transformations – Budget“ (5.7 Milliarden Euro bis 2030) eingesetzt werden. Die Umstellung großindustrieller Verfahren wie der Produktion von Stahl oder Zement auf regenerierbare Energieträger und optimierte Ressourceneffizienz bedingt massive Investitionen. Jeder Euro, der uns der Kreislaufwirtschaft näher bringt, ist auch ein halber Euro für den Klimaschutz. Nur ein konkretes Beispiel: Gegenwärtig wird die Krumbachbrücke im Bregenzerwald mit einer Technologie saniert, die nur ein Viertel an Beton gegenüber dem Standardverfahren benötigt. „Straßensanierung anstatt Beton“ zu verkaufen sollte demnach ein über die Bauwirtschaft hinausstrahlendes, beispielgebendes Geschäftsmodell für viele Branchen sein. Es geht darum, die Leistung des Produktes ins Zentrum zu stellen, anstatt das Produkt selbst. So entstehen Geschäftsmodelle, bei denen effizienter Ressourceneinsatz ein ökonomisch (!) motiviertes Ziel in der gesamten Wertschöpfungskette darstellt. Sie werden von Energieversorgern (diese Verkaufen etwa „Beleuchtung“ anstatt Strom) oder Chemieunternehmen erfolgreich umgesetzt – müssen aber nun breit über alle Sektoren konzipiert werden. Hier soll die Forschungs – und Technologie Initiative für Kreislaufwirtschaft ansetzen. Der (mittlerweile 300.000 mal beanspruchte!) Reparaturbonus soll zur Triebfeder für den für die Werterhaltung von Gütern so wichtigen Wirtschaftssektor werden. Eine Strategie haben wir nun – ihr Erfolg wird an der praktischen Umsetzung zu messen sein.

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Die Autoren:

Dr. Thomas Jakl ist Biologe und Erdwissenschaftler. Stv. Leiter der Sektion V für Umweltschutz und Kreislaufwirtschaft im Umweltministerium (BMK). Seit 1997 Leiter der dortigen Abteilung für Chemiepolitik und Biozide; Aufsichtsratsvorsitzender der BALSA (Bundesaltlasten-Sanierungsgesellschaft); Aufsichtsrat der Umweltbundesamt GmbH; Chair Governing Board „PARC“ – Partnerhsip on Risk Assessment of Chemicals (Horizon Europe Vorhaben) sowie Lektor an der Medizinischen Universität Wien.

DI Andreas Tschulik ist Leiter der Abteilung für betrieblichen Umweltschutz im BM für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie.

Am 14. Februar 2023 sprechen beide im Rahmen des 1. Austrian Circular Economy Exchange zum Thema "Impuls aus der Politik: Die Reise zu einem zirkulären Vorzeigeland"

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