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Vienna Legal Innovation ´25

KI, Urheberrecht und Medien – eine rechtliche Gratwanderung: Interview mit Isabella Zündel und Anna Grobelscheg von der Styria Media Group

Im Interview geben zwei Rechtsexpertinnen Einblicke, wie sich Rechtsabteilungen in Medienunternehmen auf den digitalen Wandel einstellen und warum der Austausch zwischen Legal und Tech immer wichtiger wird.

Business Circle: Sehr geehrte Frau Zündel, sehr geehrte Frau Grobelscheg, Sie gehören beide zur Konzernrechtsabteilung der Styria Media Group. Möchten Sie uns eingangs kurz erläutern, wie Sie Ihr Weg dorthin geführt hat?

Isabella Zündel: Mein beruflicher Werdegang startete ganz klassisch in einer Rechtsanwaltskanzlei, in der ich bis zur Eintragungsfähigkeit auch blieb. Ursprünglich hatte ich aber einen gänzlich anderen beruflichen Traum und habe ein musisch/künstlerisches Studium an der Kunstuniversität Graz verfolgt. Aus sogenannten Vernunftsgründen studierte ich parallel aber auch Jus. Schließlich hat sich zwar die Vernunft durchgesetzt, doch mit meinem Eintritt in die Styria Media Group AG im Jahr 2007 ist es mir gelungen auch meine juristische Tätigkeit nahe an kreativen Schaffungsprozessen ausüben zu können. Dies ist gleichzeitig eine Motivation Lösungen für die Umsetzung von Vorhaben zu finden, auch wenn sie nicht bereits hundertfach erprobt sind. Die Tatsache, dass ich seit beinahe 18 Jahren Teil der Styria Media Group bin, beweist, dass es bei uns nie langweilig wird.

Anna Grobelscheg: Ich bin seit nun bald 3 Jahren Teil der Rechtsabteilung der Styria Media Group. Zuvor war ich 4,5 Jahre als Unternehmensjuristin in einem internationalen Konzern in der Halbleiterbranche tätig. Zur Styria Media Group hat mich insbesondere meine Spezialisierung und Begeisterung für die Bereiche des IP- und IT-Rechts geführt. Denn Fragestellungen aus genau diesen Rechtsgebieten beschäftigen mich tagtäglich in meiner Funktion als Legal Counsel aufgrund des breiten Portfolios in der operativen Geschäftstätigkeit unserer Konzerngesellschaften. Dabei macht es mir auch insbesondere Spaß interdisziplinär mit Kolleg:innen mit einem technischen, journalistischen oder kreativen Background zusammenzuarbeiten.

BC: Bei Ihrer Arbeit in einem der größten österreichischen Medienkonzerne: Wie erleben Sie die aktuellen urheberrechtlichen Herausforderungen durch den Einsatz von KI?

Isabella Zündel: Spätestens seit dem öffentlichen Launch von Chat-GPT im Jahr 2022 scheint das Thema „KI“ in aller Munde zu sein. Auch wir in der Konzernrechtsabteilung bemerkten seither einen Anstieg an Anfragen in Zusammenhang mit diesem Themenblock. Uns beschäftigt hierbei sowohl die aktive als auch die passive Seite des Einsatzes von KI. Aktiv im Sinne der eigenen Nutzung von KI-basierten Lösungen bzw. derer Ergebnisse, passiv im Sinne des Schutzes unserer eigenen, veröffentlichten Inhalte vor der Verwendung zum Zwecke des Trainings von KI-Modellen kommerziell tätiger Dritter. Insbesondere Zweiteres ist für einen Medienkonzern, dessen Hauptprodukte bzw. -dienstleistungen immaterialgüterrechtlich geprägt sind, essentiell.

Vorlesefunktion als Praxisbeispiel

BC: Können Sie uns ein Beispiel aus Ihrer Praxis für den aktiven Einsatz von KI in der operativen Tätigkeit der Konzerngesellschaften der Styria Media Group nennen?

Anna Grobelscheg: Ein innovatives Beispiel aus unseren Medientöchtern ist die erst kürzlich ausgerollte neue Vorlesefunktion für die Online-Artikel auf der Website von “Die Presse“. Das Besondere hierbei ist, dass mithilfe der KI-Technologie eines externen Dienstleisters die Stimme einer Mitarbeiterin, nämlich der “Die Presse“-Audio-Leiterin, sozusagen „geklont“ wurde. Das Ergebnis bietet einen tollen Mehrwert für Abonnent:innen von “Die Presse“, welche ausgewählte Online-Artikel nun mithilfe einer qualitativ hochwertigen Vorlesefunktion auch auditiv genießen können. Wir haben das Projektteam von “Die Presse“ sowohl bei den Vertragsverhandlungen mit dem externen Dienstleister als auch bei einigen immaterialgüterrechtlichen Umsetzungsfragen unterstützt. Auch im Online-Angebot von Kleine Zeitung wurde eine eigene KI-Vorlesestimme ausgerollt. An dieser Stelle wollen wir allerdings nicht zu viel verraten, denn genauere Ausführungen zu diesem Use Case, wie auch zu weiteren Use Cases aus unserer Praxis, folgen bei unserem Vortrag auf der Vienna Legal Innovation '25.

BC: Nun betreffend die von Ihnen ebenfalls angesprochene passive Seite: Welche präventiven rechtlichen Maßnahmen können gesetzt werden, um das Training Dritter KI-Modelle mit den eigenen, öffentlich im Internet aufrufbaren Inhalten zu unterbinden?

Anna Grobelscheg: Möchte man das Training von KI-Modellen durch kommerzielle Anbieter – zur Klarstellung: damit sind keine forschungsorientierten begünstigten Einrichtungen gemeint – mit den eigenen Inhalten urheberrechtlich unterbinden, lohnt sich ein Blick in § 42h Abs 6 UrhG. Diese Bestimmung eröffnet Rechteinhaber:innen von Werken oder Leistungsschutzgegenständen, zu denen Dritte rechtmäßig Zugang haben, die Möglichkeit, eine Vervielfältigung dieser Werke durch Dritte zum Zwecke des Text- und Data-Minings für den eigenen Gebrauch mithilfe eines maschinenlesbaren Nutzungsvorbehalts ausdrücklich zu verbieten. Dieser Nutzungsvorbehalt greift allerdings nur dann, wenn der damit einhergehende Inhalt zum gegebenen Zeitpunkt urheberrechtlich oder leistungsschutzrechtlich geschützt ist. Was Text- und Data-Mining für den eigenen Gebrauch im Sinne dieser Bestimmung bedeutet sowie Ansätze, wie der Nutzungsvorbehalt in der Praxis umgesetzt werden kann, werden wir ebenfalls in unserem Vortrag erörtern.

BC: Was würden Sie sich von der Gesetzgebung in diesem Zusammenhang wünschen?

Isabella Zündel: Im Zuge der letzten großen Urheberrechtsnovelle hat mit § 76f UrhG das Leistungsschutzrecht für Presseveröffentlichungen Einzug in das Urheberrechtsgesetz gefunden, was die rechtliche Position der Presseverlage insbesondere gegenüber großen Tech-Anbietern gestärkt hat. Auch wenn man öffentlicher Berichterstattung bereits entnehmen kann, dass erste vertragliche Kooperationen zwischen großen KI-Unternehmen, wie etwa OpenAI, und Medienhäusern über die Nutzung von News-Content abgeschlossen werden, wäre es rechtspolitisch wünschenswert, dass das Thema der Nutzung von Presseveröffentlichungen in oder in Zusammenhang mit KI-Diensten eine eigene dezidierte urheberrechtliche Regelung erhält. Dieses Thema hat nicht zuletzt auch eine wesentliche gesellschaftliche Bedeutung.

BC: Noch abschließend etwas Allgemeines zum Thema „Legal Innovation“: Offenes Mindset, Lust am Experimentieren, Fehlerkultur: Was sollten sich Juristen von IT-lern am ehesten abschauen?

Anna Grobelscheg: Ich habe mich in den vergangenen Jahren wiederkehrend mit dem Thema „Open Source Software“ beschäftigt. Hierbei hat mich generell das Mindset der Open Source-Bewegung beeindruckt – nämlich, grob heruntergebrochen, unter einer Open Source Lizenz zur Verfügung gestellten Software-Code gemeinsam weiterzuentwickeln und wiederum Wissen, einschließlich Erkenntnissen zu Fehlern, zu teilen, daran zu wachsen und zum Schluss das beste gemeinsame Ergebnis zu erzielen. Auch wenn man das auf die Juristerei natürlich so nicht eins zu eins überstülpen kann, kann man sich Wesenszüge davon für seinen Arbeitsalltag abschauen, wie etwa das Teilen von individuellen Erfahrungen im eigenen Team um als Gruppe bei künftigen ähnlich gelagerten Fällen agiler reagieren zu können.

Isabella Zündel: In unserem Arbeitsalltag mehren sich die Themen, die ohne zur Hilfenahme von IT-Spezialisten gar nicht lösbar sind. Auch eine Vielzahl von Rechtsvorschriften stellen quasi eine Querschnittsmaterie von Recht und IT dar. Daher würde es sicher Sinn machen, wenn Juristen und IT-ler einen intensiveren Austausch pflegen würden. Vielfach arbeitet man in verschiedenen Abteilungen nebeneinander her und man betrachtet einander als völlig andere Spezies. Dabei verbindet uns eine Sache jedenfalls. Beide werden wir mit Problemstellungen konfrontiert und es ist unsere Aufgabe, für diese einen Lösungsweg zu finden.

BC: Sehr geehrte Frau Zündel, sehr geehrte Frau Grobelscheg, wir danken Ihnen für dieses aufschlussreiche Gespräch und freuen uns, Sie zur Vienna Legal Innovation ’25 zu begrüßen

© Fotos: MM Produktion/Georg Aufreiter

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