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5. Austrian Sustainability Summit

Herausforderungen bei der ESG-Datensammlung: Nastassja Cernko, OeKB im Gespräch

Nastassja Cernko ist seit 2017 Nachhaltigkeitsmanagerin der OeKB-Gruppe. Wir sprechen darüber, warum ESG-Daten inzwischen so wichtig werden wie Finanzkennzahlen und welche Chancen und Risiken sich dadurch für die heimische Wirtschaft ergaben.

Business Circle: Sehr geehrte Frau Cernko, Sie sind bereits seit 2017 Nachhaltigkeitsmanagerin der OeKB-Gruppe, zu dieser Zeit war Nachhaltigkeit noch lange nicht ein so beherrschendes Thema wie heute. Was hat die OeKB dazu bewogen, so frühzeitig zu beginnen?
Nastassja Cernko: Die OeKB ist seit mittlerweile über 20 Jahren ein EMAS (Eco-Management and Audit Scheme) -registriertes Unternehmen und verbessert seither kontinuierlich die eigene Umweltleistung. Seit diesem Zeitpunkt gibt es auch die Nachhaltigkeitsberichterstattung, in der die weiteren Nachhaltigkeitsthemen des Sozialen und der Unternehmensführung sowie die diversen Berichtsstandards über die Jahre integriert wurden. Im Bereich der Export Services und der Entwicklungsfinanzierung führen wir neben der wirtschaftlichen Prüfung von Projekten schon seit Jahrzehnten eine Umwelt- und Sozialprüfung durch und messen die entwicklungspolitischen Effekte. Wir haben daher in der Bank sehr viel Know-how zu diesem Thema. Das sind alles sehr gute Voraussetzungen, um seit meinem Eintritt in der Bank viele weitere Meilensteine geschafft zu haben, wie die Entwicklung eines Sustainable Financing Frameworks für die regelmäßige Emissionen von Sustainability Bonds oder die Etablierung des OeKB > ESG Data Hubs mit dem österreichweiten Standard zur Sammlung von ESG-Daten.

BC: Welches sind die wichtigsten regulatorischen Anforderungen für heimische Unternehmen und wie kann der OeKB > ESG Data Hub dabei unterstützen?
Cernko: In den letzten Jahren haben sich einige Standards etabliert, die sowohl in der EU wie auch außerhalb diverser Richtwerte vorgeben. Ich denke hier an die Global Reporting Initiative (GRI), die Science Based Targets initiative (SBTi) oder auch ganz allgemein die 17 Ziele für Nachhaltige Entwicklung, kurz SDG (Sustainable Development Goals) der UN. In der EU und damit in Österreich verpflichtet die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD)und die damit geltenden European Sustainability Reporting Standards (ESRS) seit 2024 knapp 100 Unternehmen zur Nachhaltigkeitsberichterstattung über ausgewählte Nachhaltigkeitsaspekte. In den nächsten Jahren wird diese Richtlinie noch mehr Unternehmen betreffen. Auch das viel diskutierte sogenannte EU-Lieferkettengesetz (Corporate Sustainability Due Diligence - CSDDD) wird bei Umsetzung alle Unternehmen betreffen, die sich auf eine Art und Weise in einer Lieferkette befinden.
Um das europäische Klimaziel, nämlich bis 2050 der erste klimaneutrale Kontinent zu sein, zu erreichen, müssen Finanzströme in Richtung nachhaltige Investitionen gelenkt werden. Bei Finanzierungen spielen daher ESG-Daten eine immer wichtigere Rolle. Banken benötigen diese z.B. für die Risikobewertung und eigene Offenlegungspflichten. Mit dem OeKB > ESG Data Hub können Unternehmen ihre ESG-Daten anhand eines Fragebogens einfach sammeln und direkt mit ihrer Bank teilen. Der OeKB > ESG Data Hub wurde gemeinsam mit den österreichischen Banken entwickelt und ist immer an die aktuellen Anforderungen angepasst. Verweise auf regulatorische Referenzen zeigen den Unternehmen an, welcher relevanter Nachhaltigkeitsstandard mit der Beantwortung einer Frage am OeKB > ESG Data Hub erfüllt wird. Dadurch ist klar, welche Standards mit der vollständigen Beantwortung einer Frage erfüllt wird.

BC: Damit Nachhaltigkeit dauerhaft im Unternehmen verankert bleibt, muss sie als wirtschaftlicher Vorteil verstanden werden. Wo liegen die Chancen für österreichische Unternehmen speziell im produzierenden Gewerbe?
Cernko: Ein klarer Vorteil, der aus der Beschäftigung mit Nachhaltigkeit entsteht, ist neue Geschäftsmodelle zu entdecken und alte neu zu denken. Daraus ergeben sich unter anderem neue Produktionsmöglichkeiten, innovative Geschäftsmodelle oder auch Maßnahmen zu Einsparungen, wie beispielsweiße beim Energieverbrauch. Das ist ein klarer Wettbewerbsvorteil für Unternehmen, die schon jetzt beginnen sich mit dem Thema ESG zu beschäftigen. Die Auseinandersetzung mit ESG bedeutet für Unternehmen nicht nur, dass sie konkurrenzfähiger und zukunftsfit werden können, sondern dass sie auch Vorteile als Arbeitgeber haben. Nicht nur Kundinnen und Kunden sowie weitere relevante Stakeholder im Wirtschaftskontext, wie Kreditinstitute oder Versicherungen, fragen immer mehr nach belegbaren Nachhaltigkeitsaktivitäten, Zielsetzungen und Kennzahlen, sondern auch Mitarbeitende und potenzielle neue Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer erwarten sich dies von einem Arbeitgeber. Im Hinblick auf den in Österreich aktuell herrschenden Fachkräftemangel ein nicht außer Acht zu lassender Aspekt.

BC: Denken Sie, dass ESG-Daten so wichtig werden wie Finanzkennzahlen und welches wäre die wichtigste Konsequenz, die Unternehmen daraus zu ziehen haben?
Cernko: Finanzkennzahlen sind wesentlich, um die wirtschaftliche Gesundheit und Entwicklung bewerten zu können. Diese allein sind jedoch für eine umfängliche Bewertung nicht ausreichend. ESG-Daten liefern entscheidende Informationen, um sich wirklich ein Bild über die Stabilität und Zukunftsaussichten eines Unternehmens machen zu können. In der Nachhaltigkeitsberichterstattung und im Nachhaltigkeitsmanagement wird nicht umsonst nun von einer „doppelten Wesentlichkeit“ gesprochen: Einerseits hat jede wirtschaftliche Tätigkeit Auswirkungen auf Umwelt und Gesellschaft, die erkannt und gemanagt werden muss. Und andererseits haben gesellschaftliche und ökologische Belange Auswirkungen auf die finanzielle Entwicklung von Unternehmen. Die Entwicklungen in der Berichtslegung mit der CSRD, wo die nichtfinanziellen Kennzahlen Teil des Lageberichts werden, spiegeln genau dies wider: Finanz- und ESG-Kennzahlen sind die relevanten KPIs für Unternehmen. Daher sollten alle Unternehmen beginnen, ESG-Kennzahlen zu erheben, um diese mit ihren relevanten Stakeholdern teilen zu können. Dies gilt für alle Unternehmen, ob man bereits verpflichtet ist, einen Nachhaltigkeitsbericht zu erstellen, ihn freiwillig erstellt oder noch gar nicht erstellt hat. Die angesprochenen Regularien wie die CSRD oder die CSDDD für die Lieferkette treffen nämlich indirekt alle Unternehmen. Daher ist es auch wesentlich, dass Unternehmen wissen, welche ESG-Informationen für sie relevant sind. Ich kann nur allen Unternehmen raten, die noch nicht begonnen haben, sich mit diesem Thema zu beschäftigen; Fangen Sie so rasch wie möglich damit an!
Durch verschiedene Hilfestellungen und Vereinfachungen unterstützen wir mit dem OeKB > ESG Data Hub Unternehmen nicht-finanzielle Daten, also ESG-Daten, zu sammeln und zu teilen.

BC: „Tue Gutes und rede darüber“: Wie kann man die Daten aus der ESG-Datensammlung am besten für sein ESG Reporting nutzen und wie kann man damit belastbare Informationen herstellen, um sich gegen Greenwashing-Vorwürfe zu verteidigen?
Cernko: Wir sehen aktuell einige Beispiele, auch in Österreich, in dem Unternehmen ihre „green claims“, also eine vorrangig Marketing-bezogener Aussage zur Nachhaltigkeit eines Produktes oder einer Dienstleistung, zurückziehen müssen, da diese nicht belegbar sind. Viele der EU-Regulatorien zielen direkt oder indirekt genau darauf ab: durch gezieltes Sammeln und Aufarbeiten von Daten Vergleichbarkeit zu schaffen, diese zu überprüfen, und so nicht-finanzielle Leistungen mess- und belegbar zu machen. Wenn die ESG-Daten erst einmal strukturiert vorhanden sind, kann das Unternehmen sehen, wo es steht und welche weiteren Schritte es in Richtung Nachhaltigkeit einleiten kann. Auf dem OeKB > ESG Data Hub bieten wir dieses Feature an. Sobald diese Daten vorhanden sind, ist in einem nächsten Schritt die Kommunikation, z.B. in Form eines Nachhaltigkeitsberichtes oder auch durch die Prüfung der ESG-Daten durch externe PrüferInnen möglich.

Das Thema Nachhaltigkeit ist in der Mitte der Finanzwirtschaft angekommen

BC: Etwas Persönliches: Sie waren ja letzten Jahr Teilnehmerin am Business Circle Banken Summit. Im Lichte dieser Erfahrung: Worauf freuen Sie sich beim Sustainability Summit am meisten?
Cernko: Das Thema Nachhaltigkeit und ESG ist in der Mitte der Finanzwirtschaft angekommen. Das hat auch der letzte Banken Summit gezeigt. ESG betrifft nicht nur die Kreditinstitute selbst, z.B. welche regulatorischen Anforderungen und Veränderungen es u.a. im Bereich Offenlegung, Riskmanagement und Kreditvergabe gibt, sondern auch welche Auswirkungen diese ESG-Anforderungen auf unsere Kundinnen und Kunden in Folge haben. Die Verfügbarkeit von verlässlichen ESG-Daten seitens der Unternehmen ist daher von ganz zentraler Bedeutung. Viele Unternehmen befinden sich bei der Datensammlung jedoch erst am Anfang. Das ist auch den Banken bewusst. Umso mehr freue ich mich daher auf einen praxisnahen Austausch mit Vertreterinnen und Vertretern aus der österreichischen Wirtschaft. Solche Erfahrungswerte helfen uns, die Unternehmen beim Sammeln und Teilen der ESG-Daten, unter anderem direkt mit dem OeKB > ESG Data Hub, noch besser zu unterstützen.

BC: Abschließend: Sie werden ja zum ersten Mal bei uns als Speakerin auftreten, welche Botschaft möchten Sie vermitteln, was soll das Publikum mitnehmen?
Cernko: Auch wenn sich die (österreichischen) Unternehmen momentan vielen Herausforderungen stellen müssen, birgt eine strukturierte ESG-Datensammlung enorme Chancen. Unternehmen können in diesem Prozess Geschäftsrisiken und -chancen erkennen, und erhalten ein umfassenderes Bild über ihre Leistungen und Möglichkeiten, als wenn nur auf Finanzkennzahlen geachtet wird. Wir haben als Gesellschaft und Wirtschaftsakteure eine klare und herausfordernde Aufgabe in diesem Jahrhundert: die Transformation der Wirtschaft in Richtung Nachhaltigkeit. Dafür sind Daten ein Muss. Sie sind aber auch kein Selbstzweck, sondern sie sind Voraussetzung, um faktenbasiert Maßnahmen zu setzen, die diese Transformation zum Ziel haben. ESG ist somit gekommen, um zu bleiben! Worauf also warten? Ich kann nur empfehlen, dass spätestens jetzt mit der ESG-Datensammlung begonnen wird, um dann gezielte Aktivitäten setzen zu können. Und dafür können sich alle Unternehmen einfach am OeKB > ESG Data Hub kostenlos registrieren.

BC: Liebe Frau Cernko, wir danken Ihnen für dieses Gespräch und freuen uns, Sie zum Sustainability Summit zu begrüßen!

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Nastassja Cernko ist seit 2017 Nachhaltigkeitsmanagerin der OeKB-Gruppe und leitet seit 2021 das Group ESG Office. Der Fokus liegt darauf, Nachhaltigkeit in das Kerngeschäft zu integrieren, bestehende Aktivitäten weiterzuentwickeln und neue Maßnahmen, u.a. im Bereich Sustainable Finance zu initiieren. 2022 startete sie die Initiative des OeKB > ESG Data Hubs.
Beim Austrian Sustainability Summit am 21. / 22. März 2024 leitet Sie einen Workshop zum Thema „Herausforderungen bei der ESG-Datensammlung“

Fotos © Oreste Schaller & Business Circle

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