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Gesundheitsökosysteme statt Silos - Interview mit Paul Kressnik

Paul Kressnik wird im Rahmen des Digital Health Circle Vienna 2023 mit weiteren Expert:innen einen Workshop zum Thema „Gesundheitsökosysteme statt Silos“ leiten.

In diesem Workshop geht es darum, den Kommunikationsschwierigkeiten zwischen Gesundheitsdienstler:innen, Konzernen und Startup-Unternehmen auf den Grund zu gehen und neue Lösungsansätze hierfür zu erarbeiten.

Zu diesem Thema und was die Startup-Medtech-Szene gerade beschäftigt, haben wir ihm einige Fragen gestellt:

Business Circle: Weltweit gibt es circa 7000 Sprachen – welche ist die richtige für den Gesundheitsbereich?

Paul Kressnik: Sprache an sich ist ein Mittel von vielen, um Informationen zu transportieren und zu vermitteln, global gesehen wird es nie DIE EINE Sprache geben, sondern es wird Pluralismus herrschen.

Im „kleinen“ Kreis innerhalb des Gesundheitssystems, wenn wir über Probleme, Ängste und Lösungen sprechen, sollte immer die Sprache gewählt werden, bei der sich alle Beteiligten am Wohlsten fühlen, analog zum klassischen Arzt - Patientendialog. Der Fokus sollte darauf liegen, Erwartungen und Bedürfnisse zu vermitteln und auch einmal den eigenen Standpunkt verlassen und andere Sichtweisen einnehmen und akzeptieren.

BC: Was sind die größten Herausforderungen in der Kommunikation zwischen den unterschiedlichen Playern im Gesundheitswesen?

Paul Kressnik: Naiv gesehen, sollte die Herausforderung nicht größer sein als in jedem anderen Bereich.

Aber wie so oft steckt der Teufel im Detail. Startups sind getrimmt, schmale vertikale Lösungen zu entwickeln und diese auch zu kommunizieren. GDAs werden täglich von größeren Problemen konfrontiert und einzelne schmale Lösungen beheben nicht das große Problem.

BC: Was ist Dein Ansatz, wie diese Herausforderungen zu überwinden sind?

Paul Kressnik: Verständnis auf beiden Seiten schaffen und einfordern. Aus eigener Erfahrung muss man im Gespräch die große Vision skizzieren und erst später die aktuelle, schmale Lösung besprechen. Zu Beginn handelt es sich hierbei nie um ein klassisches Verkaufsgespräch, sondern es wird immer gemeinsam an der Lösung und am gemeinsamen Verständnis dessen gearbeitet.

BC: Welche Rolle spielt Digitalisierung im Gesundheitsweisen dabei? Macht sie die Herausforderungen in der Kommunikation größer oder kleiner?

Paul Kressnik: Wir wissen, dass Digitalisierung eine Lösung ist. Digitalisierung ist ein sehr breiter Begriff und im Alltag schwer verständlich, vor allem weil Pflege und Behandlung immer eine analoge Tätigkeit bleiben werden - und das ist auch gut so.

Digitale Lösungen sollen mühsame manuelle Tätigkeiten erleichtern, z.B. Dokumentation. Bei der Einführung solcher Lösungen werden aber meist zusätzliche Schritte in einem bereits mühsamen Prozess ergänzt und ohne gute Unterstützung bei der Einführung wird man gewohnte Prozesse nicht ändern.

BC: Die Startup-Szene ist im Moment etwas gezeichnet von einer Insolvenzwelle. Wie siehst Du den Status Quo? Wird diese Krise aus Deiner Sicht anhalten oder haben wir das Schlimmste bereits hinter uns?

Paul Kressnik: Ich glaube, dass die Krise noch nicht vorbei ist. Produkte aus dem asiatischen Raum drängen mittlerweile in den europäischen Raum, die Medizinprodukte Zertifizierung nach MDR ist mittlerweile ein verstandenes Problem und wirkt nicht mehr so abschreckend wie zur Zeit des Inkrafttretens im Mai 2021.

Die Anschlussfinanzierungen für die Marktdurchdringung nach der Marktzulassung in Österreich sind noch dürftig und Anreize für Venture Capital sind auch ungenügend. Ich hoffe, dass es keine weiteren Startups mehr trifft, ich befürchte aber, dass wir noch nicht über den Berg sind.

BC: Jede Krise hat gleichzeitig auch ihre Chancen – welche Chancen könnten sich daraus ergeben?

Paul Kressnik: In Zeiten der Krise kommt es immer zu Veränderungen. Dies sehen wir bei Startups, indem sie versuchen, früher profitabel zu werden. Auf der anderen Seite lesen wir seit Jahren den Begriff des Fachkräftemangels und dieser manifestiert sich mittlerweile auch schon massiv im Gesundheitsbegriff. Sei es durch Überlastung des medizinischen Personals oder den Ausfall von Interventionen. Hier ergibt sich aus meiner Sicht eine klare win-win Situation für beide Seiten, denn durch frühzeitige Kooperationen können Startups beim profitabel werden unterstützt werden und unsere gute medizinische Versorgung aufrechterhalten und vielleicht noch verbessert werden.

Welche Rolle spielt Health Pioneers in dieser turbulenten Phase?

Paul Kressnik: Health Pioneers sieht sich hier als Dialogpartner für Startups, GDAs und die österreichische Politik. Wir sammeln die Herausforderungen und Wünsche der digitalen Gesundheitsunternehmen und kommunizieren diese an die österreichische Politik. In diesem Sinne haben wir das letzte Jahr intensiv mit Stakeholdern gesprochen und werden demnächst unsere Ergebnisse dazu veröffentlichen.

Aber soviel sei schonmal verraten, getreu unseren Kernforderungen “Finanzierung – Projekte – Gesetze” setzen wir uns für folgende Aspekte ein:

  • eine Stärkung der Wachstumsfinanzierung
  • innovationsfreundliche Monetarisierungs- und Erstattungsmodelle
  • Regulatory Sandboxes
  • den Zugang zu Sekundärdaten
  • und ein Überarbeiten und Neudenken des aktuellen gesetzlichen Rahmens, das wir intern liebevoll “ASVG 2.0” nennen.

Interviewpartner:

Paul Kressnik ist Vorstandsmitglied von Healthpioneers und seit mehreren Jahren in der österreichischen Medtech-Szene unterwegs. Healthpioneers ist ein Interessenverband österreichischer Digital Health Startups mit dem Ziel Finanzen, Förderungen und Projekte für Startups zu ermöglichen, um das österreichische Gesundheitssystem wieder als Vorreiter zu positionieren.

Veranstaltungstipp:
Digital Health Circle Vienna | 27. / 28. November 2023, Wien

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