Echte „Nachhaltigkeit“ versus „Greenwashing“: Im Gespräch mit Clemens Hasenauer
Auch wenn Einigkeit darüber besteht, dass gegen Klimawandel und Umweltzerstörung etwas getan werden muss, so ist es doch keinesfalls klar, was.
Die abschließende Podiumsdiskussion der RuSt widmet sich heuer diesem Thema. Mit dem fachlichen Leiter Dr. Clemens Hasenauer haben wir über Nachhaltigkeit versus Greenwashing, steigende Energiekosten und deren Implikationen für Unternehmensjuristen und Wirtschaftsanwälte gesprochen.
Business Circle: Sehr geehrter Herr Dr. Hasenauer, Sie begleiten die RuSt jetzt fast seit Beginn an. Letztes Jahr haben wir im Abschlusspodium über Wirecard und die Folgen gesprochen, im Jahr zuvor über die Auswirkungen von COVID-19. Sehen Sie in Bezug auf „Nachhaltigkeit versus Greenwashing“ hier etwas grundsätzlich Anderes im Sinne einer langfristigen Umgestaltung oder denken Sie eher, dass wir 2023 wieder über ein ganz neues Thema sprechen werden?
Clemens Hasenauer: Es ist mir eine große Freude, auch dieses Jahr wieder die rechtliche Leitung der RuSt zu übernehmen! COVID-19 wird uns sicher noch einige Zeit beschäftigen, aber Nachhaltigkeit ist definitiv das bestimmende Thema der kommenden Jahrzehnte. Hand in Hand mit dem wachsenden Bewusstsein für den Klimaschutz steigt auch der Druck für Unternehmen, sich möglichst nachhaltig zu präsentieren. Dass diese vermeintliche Nachhaltigkeit nicht immer der Realität entspricht, versteht sich von selbst. Die Themen Klimaschutz und Greenwashing werden uns mit Sicherheit auch bei zukünftigen Tagungen wieder begegnen.
BC: Hinsichtlich Europas Vorreiterrolle im Klimaschutz als Advantage gegenüber anderen Kontinenten: China zum Beispiel kümmert sich herzlich wenig um Klimaziele, wie kann Europa da einen Vorteil generieren?
Hasenauer: Der wohl größte Vorteil ist die verbesserte Lebensqualität für uns alle. Aber auch wirtschaftlich gesehen, zahlt sich Klimaschutz sicherlich aus: Ich bin überzeugt, dass nachhaltige Produkte europäischer Unternehmen auch weltweit in Zukunft immer stärker nachgefragt werden. Zusätzlich ist es aber wichtig, dass Europa auch weiterhin weltweit als „Botschafter“ für den Klimaschutz auftritt, denn uns muss klar sein, dass wir diese Herausforderung nicht alleine stemmen können.
BC: Durch CO2-Bepreisung und Taxonomie induzierte hohe Energiekosten könnten die Inflation weiter anheizen, wäre es nicht Zeit, hier zurückzutreten oder zumindest zu bremsen?
Hasenauer: Es steht außer Streit, dass die galoppierende Inflation und die explodieren Energiekosten für viele Menschen und die Industrie eine enorme Herausforderung darstellen. Dennoch sollte man die langfristigen Ziele nicht aus den Augen verlieren: Denn ohne Klimaschutz werden sich die Lebensbedingungen für uns alle massiv verschlechtern. Es ist daher wichtig, das Beschlossene auch tatsächlich umzusetzen, aber durch kurzfristige Maßnahmen sicherzustellen, dass akute Belastungen entsprechend abgefedert werden.
BC: Staatliche Regulierung und Eingriffe in die Marktwirtschaft werden durch die jetzt anstehenden Veränderungsprozesse sicher nicht geringer werden. Wie könnte in Ihren Augen eine Überprüfung von Effizienz und Nutzen der Taxonomie-Maßnahmen aussehen, und wer könnte diese durchführen?
Hasenauer: Klimaschutzmaßnahmen sind von der Politik festzulegen, laufend zu evaluieren und von dieser bei Bedarf auch nachzuschärfen. Abseits des Politischen gibt es aber auch die juristische Dimension – Stichwort „Klimaklagen“. Es sind bereits einige Verfahren vor österreichischen und europäischen Gerichten anhängig und es bleibt mit Spannung abzuwarten, inwieweit effektiver Klimaschutz auch vor Gericht eingefordert werden kann.
BC: Wer entscheidet im Zweifelsfall eigentlich, ob „Greenwashing“ vorliegt?
Hasenauer: Ziel muss es zunächst natürlich sein, dass der Konsument selbst eine informierte Entscheidung treffen kann. Ein neuer Richtlinienentwurf der EU-Kommission hat etwa das Ziel, die Verbraucherrechte vor diesem Hintergrund zu stärken. Durch ein verschärftes Wettbewerbsrechts und neue Informationspflichten der Hersteller soll sichergestellt werden, dass der Konsument vor unberechtigten „Greenclaims“ geschützt wird und informierte Entscheidungen etwa in Bezug auf „green labels“ treffen kann. In letzter Konsequenz sind es aber die Gerichte, die derartige Fälle zu beurteilen haben.
Spezielle Greenwashing-Tatbestände auf einer „Schwarzen Liste“
BC: Welche Ansprüche können aus Greenwashing entstehen?
Hasenauer: Hintergrund von Greenwashing ist meist das Ziel, sich einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen. Das entscheidende Werkzeug gegen derartige Aussagen ist somit das Wettbewerbsrecht. Wenn ein Produkt etwa als „naturbelassen“ beworben wird, obwohl chemische Zusatzstoffe enthalten sind, so kann dies gegen das Irreführungsverbot des § 2 UWG verstoßen, sodass grundsätzlich Unterlassungsansprüche, Begehren auf Urteilsveröffentlichung oder Geldstrafe denkbar sind. In Zukunft soll es auch spezielle Greenwashing-Tatbestände auf der sogenannten „Schwarzen Liste“ geben. Dies würde bedeuten, dass vage Aussagen über vermeintlich „grüne Eigenschaften“ eines Produkts per se verboten sind, sofern sie nicht konkret nachgewiesen werden. Des Weiteren bietet auch das allgemeine Zivilrecht Schutz vor Greenwashing, so sind unter Vertragspartnern wohl etwa Ansprüche aus Gewährleistung oder eine Irrtumsanfechtung denkbar.
BC: Daran anschließend: Was bedeutet das speziell für Unternehmensjuristen und Wirtschaftsanwälte?
Hasenauer: Klimaschutz ist eine Querschnittsmaterie und spielt eine Rolle in sämtlichen Rechtsgebieten. Es ist wichtig, aktuelle Entwicklungen stets im Auge zu behalten und den Klimaschutz immer mitzudenken. Auch die Mandanten unserer Kanzlei wünschen sich immer mehr Beratung im Bereich Nachhaltigkeit.
BC: 2018 war der Marktanteil für Greenbonds bei ~1%, wie ist er derzeit und was erwarten Sie in den kommenden 5 Jahren?
Hasenauer: An den Entwicklungen bezüglich Greenbonds ist erkennbar, welchen Stellenwert das Thema Nachhaltigkeit mittlerweile auch bei der Geldanlage einnimmt. Greenbonds haben ausschließlich die Finanzierung umweltfreundlicher Projekte zum Zweck. Für 2022 wird von Analysten im Vergleich zu 2021 ein Wachstum um 25% auf ein Volumen von insgesamt 500 Milliarden Euro erwartet. Europa nimmt bei der Emission grüner Anleihen eine Vorreiterrolle ein, insbesondere das Aufbaupaket NextGenerationEU wirkt hier als Treiber. Auch die Republik Österreich hat vor Kurzem die erste „grüne“ Bundesanleihe emittiert. Ich gehe davon aus, dass sich der Trend hin zu grünen Investments auch in den kommenden Jahren fortsetzen wird.
BC: Sehr geehrter Herr Dr. Hasenauer, wir danken Ihnen für dieses Gespräch und freuen uns schon auf die RuSt 2022!
RA Dr. Clemens Hasenauer, LL.M., MBA ist Managing Partner bei CERHA HEMPEL in Wien. Tätigkeitsschwerpunkte: M&A-Transaktionen, Gesellschafts-, Übernahme-, Kapitalmarktrecht & Umgründungen. Er leitet das auf M&A und Übernahmen spezialisierte Corporate Transactions Department. Er ist seit Beginn an der RuSt verbunden, deren fachlicher Leiter er seit 2018 ist.
Zur "RuSt in Rust"