Das Banking von morgen
Sabine Bothe ist seit Jänner 2023 Global Head of People and Culture der Erste Group und Erste Bank Österreich in Wien. Im Vorfeld des Banking Summit Vienna und der Power of People haben wir sie zum Interview gebeten. Was eine erfolgreiche HR-Arbeit im Bankensektor ausmacht und wie man als Arbeitgeber die besten Talente für sich gewinnt, lesen Sie im folgenden Interview:
BC: Sie sind seit Jänner als Global Head of People and Culture bei der Erste Group und Erste Bank Österreich. Wie gestaltet sich diese Rolle und wo sehen Sie Ihre zentrale Verantwortlichkeit?
Wir gestalten das Banking von morgen. Das geht nur durch Menschen, die engagiert sind, die richtigen (auch digitalen) Skills haben, die Neues lernen und ausprobieren (können), die ein Umfeld vorfinden, in dem sie wachsen können. Die Talente von morgen wollen von inspirierenden Leadern begleitet werden. Mit Begriffen wie Rolle und Verantwortung kann ich wenig anfangen. Eher damit, dass „People und Culture“ sich als Möglichmacher und Veränderungsgestalter versteht.
BC: People and Culture: Wenn man unter People die klassische HR Arbeit subsumiert – was bedeutet für Sie Culture? Welche Bedeutung kommt dieser zu und wie zeigt sich das in Ihrer täglichen Arbeit?
People and Culture statt HR ist mehr als eine Umbenennung. People und Culture sind für uns untrennbar verbunden. Unser Ziel ist es, die Kolleg:innen und Führungskräfte der Erste Group im Business und in der Transformation zu unterstützen und motivieren, um ein phantastisches Unternehmen mit viel Haltung und Purpose noch besser zu machen.
Es bedeutet weniger klassische HR-Mechanismen, fixe Strukturen und Vorgaben, dafür mehr Zuhören, flexible Lösungen finden, gemeinsam Ideen umsetzen und so die Erste Group zu einer noch besseren Arbeitgeberin zu machen.
BC: Banken haben ja gemeinhin den Ruf sehr hierarchisch und streng strukturierte Organisationen zu sein. Wie passt das Ihrer Meinung nach zu einer heranwachsenden Workforce, die immer mehr nach Freiheit, Flexibilität und Sinnstiftung in Ihrer Arbeit strebt und deren Motivationslevel weniger stark von finanziellen oder Statusanreizen getrieben ist?
Wir als Erste Group sind stark zukunftsgerichtet in allem, was wir tun. Das geht nur, wenn wir das auch nach innen leben. Wir stehen für Haltung, einen klaren Purpose und ich persönlich bin ein Riesenfan von #glaubandich. Fragen wie „Wie geht es dir bei uns in der Erste Group?“, “Würdest du deine Arbeitgeberin weiterempfehlen?“ als Basis zum Halten von großartigen Mitarbeiter:innen, treibt uns an.
Banken, sind hierarchisch und langweilig? Das spüre ich nicht, vielmehr sind Banken heute eine spannende Arbeitgeberin inmitten der digitalen Transformation. Teilweise arbeiten wir agil und haben verstanden, dass Lernen, Retention, digitale Skills, Entwicklungsmöglichkeiten und noch vieles mehr die Zukunft sind.
Follow-Up: Je nach Unternehmen entsteht die Unternehmenskultur entweder organisch oder wird top-down vorgegeben. Wie sehen Sie die Rolle einer HR-Abteilung in diesem potentiellen Spannungsfeld?
Ich sehe das nicht als Spannungsfeld. Der Begriff Kultur umfasst geschriebenen und ungeschriebenen Werte und Regeln aller Menschen im Unternehmen. Wenn das aber im Management nicht gelebt wird, kann man sich auch den „Bottom-Up“ Kulturwandel sparen. Und umgekehrt kann HR viel dafür tun, dass gelebte Kultur auf gute Führung trifft.
Denn People und Culture hilft beim Zuhören und Verstehen. Über Umfragen, Daten, Plattformen, Workshops und mehr helfen wir dabei, aufzuzeigen, wo das Unternehmen genauer hinsehen muss. Außerdem gestalten wir selbst Kultur: „HR Prozesse“, die auf Eigenverantwortung setzen und sich nicht wie Prozesse anfühlen sind gelebte Kultur. Sind wir da schon? Nein, aber wir arbeiten dran. Und außerdem stoßen wir das Denken über Leadership, Talent und Entwicklung an. Wir denken gerade Nachfolgeprozesse und Führungsprinzipien neu, denn die Bank der Zukunft braucht exzellente Leader.
Überall hört man vom War for Talents. Selbst in Krisenzeiten und drohender Rezession gibt es viele Unternehmen, die Probleme haben Mitarbeiter:innen zu halten bzw. neue Talente zu finden. Glauben Sie dies ist mitunter durch Fehleinschätzungen oder Versäumnisse in vielen Führungsstäben begründet? Falls ja, welche? Falls nein – wo sehen Sie die Ursachen für die aktuelle Situation. Wie begegnen Erste Group und Erste Bank dieser Herausforderung?
Auch wir haben aktuell in Österreich rund 300 offene Stellen, obwohl wir einer der Top-Arbeitgeber:innen in Österreich und CEE sind. Das reicht nicht mehr.
Vielmehr müssen Führungskräfte mehr denn je „Talentmagnete“ sein. Nur ein Unternehmen mit Führungskräften, die Talente anziehen, statt abzustoßen, wird in der Lage sein, Talente zu halten und weiterzuentwickeln. Das wird wichtiger denn je.
Als Erste Group und Erste Bank ruhen wir uns nicht auf unseren Image-Lorbeeren aus, sondern arbeiten gerade an einem neuen Talent- und Nachfolgeansatz, der auch Leadership in unserer Gruppe neu definiert. Wir schauen noch mehr auf das Engagement unserer Mitarbeiter:innen und hören hier noch mehr als sonst hin.
Und als Vorreiterin im digitalen Banking wollen wir auch Vorreiterin in der Entwicklung der Skills unserer Mitarbeiter:innen sein. Denn wer lernen und sich weiterentwickeln kann, von tollen Leadern umgeben ist und wem immer neue Möglichkeiten offenstehen, der wird nirgendwo sonst arbeiten wollen.
Am Banking Summit Vienna sprechen sie über u.a. über Retention als neues Recruiting– ohne zu viel vorwegzunehmen, was kann man sich darunter vorstellen und wie spielt das in die „Bank der Zukunft“ hinein?
Wenn ich einen leeren Arbeitsmarkt habe, hat das auch was Gutes. Ich schaue mehr auf die, die ich schon im Team habe. Wenn ich gute Talente verliere, kann ich sie wahrscheinlich nicht so einfach nachbesetzen. Umso mehr muss ich erkennen, wo ungewollte Fluktuation droht oder etwas anders gesagt – wo und warum Menschen nicht mehr gerne bei uns arbeiten. Unternehmen, die sich mit Retention beschäftigen, werden noch bessere Arbeitgeberinnen.
Wenn auf dem Markt keine Talente zu finden sind, muss ich mehr ins Re- und Upskilling sowie ins Lernen investieren, um die Bank der Zukunft zu bauen. Denn dafür braucht es insbesondere digitale, IT- und Daten-Skills.
Sie tragen diese im Frühjahr sowohl am Banking Summit Vienna als auch bei unsere großen HR-Konferenz PoP-Power of People vor. Gibt es Dinge betreffend Kultur oder auch Individuen, die die HR-Arbeit im Bankwesen von anderen Branchen unterscheidet?
Es gibt viel mehr Gemeinsamkeiten als ich dachte. Wir stehen mit der Skill-Transformation wie viele andere Branchen auch vor einer riesigen Herausforderung. Data Analytics, AI und Co. werden Anforderungen und Profile verändern. Retention, Engagement, Leadership und vieles mehr sind in allen Branchen wichtig.
Zum Abschluss: Welche generellen Trends und Innovationen werden, Ihrer Meinung nach die HR-Abteilungen über die nächsten Jahre begleiten?
HR-Tech neu zu denken wird essentiell sein. Wenn ich die digitale Transformation unterstützen will, muss HR vor der eigenen Haustür kehren und digital, einfach und menschenzentriert werden. Und wir werden dabei noch einige „Bürokratiemonster" loswerden müssen.
Führungskräfte zu Talentmagneten weiterzuentwickeln, Karrierewege neu zu denken und Lernen im Unternehmen auf allen Ebenen zu verankern, wird auch immer wichtiger werden.
Und schließlich Skills und Engagement als neue Währungen im Unternehmen zu etablieren und beides nachhaltig verbessern. Das wird die neue Champions League.
Dr. Sabine Bothe
Global Head of People & Culture , Erste Group and Erste Bank Austria
Sabine Bothe ist seit 1/2023 Global Head of People and Culture der Erste Group und Erste Bank Österreich in Wien. Den größten Teil ihrer Karriere hat sie bei der Deutschen Telekom AG verbracht, zuletzt als Geschäftsführerin Personal bei Magenta Telekom in Wien und als Senior Vice President Employee Journey im Headquarter in Bonn.