Als Nicht-Jurist Verträge verstehen und gestalten – Interview mit Dr. Franz Brandstetter
Der Jurist und Unternehmensberater Franz Brandstetter ist ein Urgestein als Business Circle – Vortragender. Wir haben mit ihm über Vertragsgestaltung im Wandel der Zeit gesprochen und darüber, wie Unternehmen ihre Risiken gering halten.
Business Circle: Sehr geehrter Herr Dr. Brandstetter, Sie begleiten Business Circle jetzt schon seit bald 20 Jahren als Vortragender zum „Vertrags-Know-how für Nicht-Juristen“, welche waren die wichtigsten Entwicklungen und Veränderungen in dieser Zeit?
Dr. Franz Brandstetter: Lassen Sie mich anders antworten, die wichtigste Konstante war, dass wir von Business Circle und unseren Projektleiterinnen hervorragend unterstützt werden und als Trainerteam sehr lange unverändert geblieben sind. Als Trainerteam arbeiten wir nach wie vor sehr gut und gerne zusammen, sind gut aufeinander abgestimmt und entwickeln auch das Seminar laufend weiter.
Die wichtigsten Veränderungen waren die Standardisierungen im Rechtsbereich und allgemein die Digitalisierung, die auch die Arbeit im Rechtsbereich verändert.
BC: Werden Verträge in Zukunft nur noch von Legal Bots gestaltet oder gibt es Bereiche, in denen menschliches Zutun unabdingbar bleiben wird?
Brandstetter: (lacht): diese Frage hat Richard Susskind, in seinem Buch „The End of Lawyers?“, schon 2008 gestellt. Werden wir, wie die Scherenschleifer und die Kesselflicker, aussterben? Nein, werden wir nicht. Die Wertschöpfungskette ändert sich, für Standards werden Kunden in Zukunft nicht bereit sein, viel Geld zu bezahlen, aber maßgeschneiderte Beratung wird immer Wert haben.
BC: Was könnte sich außer fortschreitender Digitalisierung innerhalb der nächsten 5 Jahre für Rechtsabteilungen noch ändern?
Brandstetter: Es werden sich weiterhin Berufsbilder entwickeln, für die eine solide Rechtsausbildung eine gute Basis ist. Der Datenschutzbeauftragte war zuletzt ein solcher Beruf, davor alles was im weitesten mit Compliance zu tun hatte. Die Westfälische-Hochschule, an der ich seit 2019 als Dozent tätig bin, hat sich genau darauf spezialisiert, Rechtskundige für rechtsnahe Berufe auszubilden.
BC: Gibt es so etwas wie eine Faustregel, ab wann ein nicht juristisch vorgebildeter Manager in der Vertragsgestaltung einen Rechtsberater zu Rate ziehen sollte? Gibt es da außer dem Finanziellen noch andere Kriterien?
Brandstetter: Sicher gibt es auch qualitative Kriterien, zB Outsourcing Verträge oder vieles was mit Software zu tun hat.
Viel wichtiger erscheint mir aber, Rechtsexpertise frühzeitig in der strategischen Ausrichtung eines Unternehmens einzubinden und in Projekten unterzubringen. Auch halte ich die Einbeziehung in die Produktentwicklung oder das Risikomanagement durchaus für wertschöpfend. Entscheidend ist immer, dass der Mehrwert größer ist als die Kosten.
BC: Was sind die typischen Fehler, die bei der Vertragsgestaltung passieren können, wenn man nicht juristisch vorgebildet ist?
Brandstetter: Ui, da reicht der Platz nicht. Als ich noch die Rechtsabteilung von UTA Telekom geleitet habe, hatten wir ein Dokument namens „Sternstunden der Vertragserrichtung“. Falsche Vorlagen und Muster, unklare Wortwahl, falsche Vorstellung davon, was geregelt werden muss und was ohnehin vom Gesetzgeber geregelt ist. Die Frage ob Dienst- oder Werkleistungen angeboten werden, und vieles mehr.
Wir müssten moderner werden aber das wird wohl nicht passieren
BC: Durch den Lockdown sind zahlreiche Lieferketten unterbrochen worden, hatten sich Unternehmen in Österreich Ihrer Erfahrung nach gegenüber solcher „force majeure“ ausreichend abgesichert?
Brandstetter: Kann ich ehrlich gesagt nicht beurteilen, aber ich möchte schon hinterfragen, wie Lockdown sicher unsere Rechtsordnung ist. Unser ABGB ist mehr als 200 Jahre alt und wir haben noch viele Originalregelungen aus 1811, das erkennen Sie als Leser sofort an der Sprache zB die Unklarheiten Regelung lautet: „bey zweyseitig verbindlichen Verträgen wird eine undeutliche Aeußerung zum Nachtheile desjenigen erkläret, der sich derselben bedienet hat.“ Hier müssen wir, auch wenn man damit keine Wahlen gewinnt, moderner werden. Das wird aber wohl nicht passieren.
BC: „Na, wir werden schon keinen Richter brauchen“: wann sollte man als Unternehmen vor Gericht ziehen, wann ist es eher günstiger, eine außergerichtliche Einigung zu suchen?
Brandstetter: Unternehmer sollten sich von vornherein Klarheit verschaffen, wie ein Prozess funktioniert, wie lange er dauern kann und was die internen und externen Aufwendungen dafür in etwa sein werden. Dann können sie ihre Prozessrisiken möglichst gering halten, um Gerichtsverfahren grundsätzlich zu vermeiden. Es gibt ja Branchen, in denen ein Rechtsstreit einfach dazugehört, aber auch solche, wo das wirklich die Ausnahme ist. Alternativen dazu wären etwa alternative Streitbeilegung und Schiedsvereinbarungen.
Im internationalen Geschäft muss man sich natürlich auch fragen, ob die Rechtswahl "österreichisches Recht" das richtige Instrument ist, um Vertragsrechte durchzusetzen. Hier sind wir in Österreich schon sehr nachlässig. Modernere Rechtsordnungen, etwa das UN Kaufrecht, werden in der Regel ohne weitere Diskussion ausgeschlossen. Innerhalb Europas gibt es Länder, die sehr darauf achten, dass auch die Rechtsordnung am Laufenden bleibt. In Holland wurde etwa das Zivilrecht Ende der 90iger Jahre komplett adaptiert.
BC: Möchten Sie uns abschließend noch ein besonderes Highlight aus Ihrer Vortragstätigkeit bei uns mitteilen?
Brandstetter: Wir Referenten und auch der Inhalt sind ja vorgegeben und trotzdem ist jedes Seminar anders. Es sind die TeilnehmerInnen, die den Unterschied ausmachen.
Ein besonderes Highlight in unserem Seminar ist das Seminar-Quiz und, dass am Ende immer die Sieger gekürt werden. Ich finde großartig, wie sehr hier mitgefiebert und die Sieger gefeiert werden.
Dr. Franz Brandstetter ist Jurist und Unternehmensberater. Er verfügt über langjährige Erfahrung als Unternehmensjurist und Rechtsabteilungsleiter und versteht Recht als eine Chance, die es im Unternehmen zu nutzen gilt. So ist er selbst als Unternehmensjurist tätig, unterstützt Unternehmen bei der Einrichtung und Optimierung von Rechtsabteilungen und bei der Standardisierung und Verwaltung von Verträgen. Seit 2004 gestaltet er bei Business Circle das Seminar "Vertrags-Know-how für Nicht-Jurtisten", das seitdem 54 Durchführungen erlebt hat, weit über 750 Teilnehmerinnen und Teilnehmer begeistern konnte und sich dynamisch mitentwickelt.
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