Digital Finance Forum x Hans Peter Pichler von FiveSquare im Interview
BC: Wie können Unternehmen spezifische AI-Use Cases für die Digitalisierung ihrer Finanzabteilung identifizieren und umsetzen?
Hier kann verschieden vorgegangen werden. Aber die Grundvoraussetzungen für das Einführen von KI-Anwendungen sind immer die gleichen. Zuerst muss Künstliche Intelligenz als Tool von sämtlichen involvierten Personen verstanden werden. Wissen ist dabei eine entscheidende Erfolgskomponente. Sind alle Personen an Bord, geht es darum, mögliche Potentiale für den Einsatz bei repetitiven Prozessen, Probleme oder noch ungelöste Vorgänge zu identifizieren. Die vielversprechendsten Potenziale werden im Anschluss zu Use Cases definiert, die im nächsten Schritt in einem Proof of Concept enden und dann als funktionierendes Tool in die Organisation integriert werden.
Spätestens bei der Umsetzung empfehlen wir die Hilfe von außen. Die meisten Unternehmen haben einfach nicht die Ressourcen – sei es Personal oder Zeit – um bestimmte Mitarbeiter:innen mit dem Umgang neuer Technologien zu schulen und abzustellen. Denn nur mit der Weiterbildung und entsprechenden Ressourcen können eine vorhandene IT oder andere Mitarbeiter:innen das Thema KI sinnvoll angehen.
BC: Welche besonderen Herausforderungen begegnen Unternehmen bei der Implementierung von KI in Finanzprozessen?
Sobald es um Finanzen geht, sind auch immer kritische Daten im Spiel. Egal ob Umsatzzahlen, Kundendaten oder ähnliches. Datensicherheit im Finanzsektor hat oberste Priorität. So müssen also auch neue Anwendungen maximale Sicherheit bieten und dabei möglichst nichts von ihrer Performance einbüßen.
Und natürlich müssen diese Lösungen auch flexibel anpassbar sein – genau auf die Bedürfnisse, die meine Finanzabteilung benötigt. KI Assistent, interne Wissensbasis auf Abruf oder ein Support-Chatbot – eine sinnvolle KI-Anwendung muss all das auf Abruf bieten.
Eine weitere große Herausforderung bei der Arbeit mit Finanzprozessen ist die Qualität der KI-Modelle. Ergebnisse müssen stimmen und nachvollziehbar sein. Genau das gelingt der KI nicht immer zu 100 Prozent und wenn doch, sollte die Anwendung nur unterstützend eingesetzt werden. Letzte Instanz stellt immer der User dar, der im Nachgang alles kontrolliert und dann die Freigabe erteilt.
BC: Wie kann die Zusammenarbeit von Menschen und AI in der Finanzabteilung optimal gestaltet werden?
So wie man sie auch in jedem anderen Sektor gestalten sollte – KI von Menschen für Menschen. Künstliche Intelligenz und sämtliche Anwendungen sollten immer den Zweck verfolgen, die Mitarbeiter:innen und User zu unterstützen, nicht anders herum und schon gar nicht der Wegrationalisierung folgen. Fokus sollte hierbei auf der Aufklärung liegen, was die KI überhaupt kann – und was sie eben auch nicht kann. Wie oben bereits erwähnt, unterstützt mich die KI-Anwendung in extrem vielen Bereichen, sodass ich nur noch die Entscheidungsfindung vor mir habe. Doch viele überschätzen solche Anwendungen auch und haben Angst, bald keine Aufgabe mehr zu haben. Das ist nicht der Fall.
Der Einsatz ist relativ simpel: egal ob als Browserapp, Programm auf dem Rechner oder als mobile App auf dem Smartphone – die KI-Anwendung kann an die Vorlieben der User angepasst werden und der Zugriff auf allen Geräten möglich gemacht werden – so erreichen wir gleichzeitig eine höhere Akzeptanz im gesamten Unternehmen.
BC: Welche Vorteile können durch den Einsatz von AI in der Finanzabteilung geschaffen werden, und welche Ängste müssen überwunden werden?
Durch die Automatisierung und Übernahme repetitiver und einfach Aufgaben findet eine enorme Entlastung der Mitarbeiter:innen auf sämtlichen Ebenen statt. Das schafft Zeit und Ressourcen für die Übernahme neuer Task oder der besseren Bearbeitung priorisierter Aufgaben.
Durch den Einsatz gut entwickelter Systeme können wir ebenfalls Fehlerquoten durch maschinelle Prüfung deutlich verringern. Gerade bei repetitiven und langwierigen Aufgaben machen Menschen Fehler. Gebe ich einem System feste Vorgaben und ein klares Muster, kann dieses System die Aufgaben deutlich schneller und präziser erledigen, wenn es um große Datenmengen geht.
Zuletzt kann die KI dabei helfen, schneller risikoreiche oder verdächtige Aktivitäten im Finanzbereich zu erkennen und Alarm zu schlagen.
All diese Vorteile bringen uns aber nichts, wenn wir den Menschen nicht die Ängste vor neuen Technologien nehmen – allen voran das große Job-Thema. Wir entwickeln KI von Menschen für Menschen. Die Technologie wird niemanden den Job kosten, viel mehr unterstützen und den Job einfacher gestalten. Auf lange Sicht wird Künstliche Intelligenz sogar mehr Jobs schaffen und dabei helfen, völlig neue Wirtschaftszweige entstehen zu lassen.
Danach kommen meist die Datenschutzbedenken. Die sicherste Lösung: Anwendungen entwickelt und gehosted in Europa. Diese müssen DSGVO-konform sein und unterstehen den höchsten Sicherheitsstandards weltweit was den Datenschutz angeht. Und mit dem kommenden EU AI Act legt Europa sogar noch eine Schippe drauf und macht den Einsatz und die Nutzung von KI zwar aufwändiger – aber auch deutlich sicherer. Es lohnt sich also, auf nationale und europäischen Lösungen zu bauen.
Zu guter Letzt sind da die Qualitätsbedenken: gibt mir die KI auch die richtige Antwort? Die Lösung ist simpel. Es braucht hochwertige und vollständige Daten, um ein Modell sauber zu trainieren. Hier können die Mitarbeiter:innen selber dabei mitwirken, dass Modell an ihre eigenen Maßstäbe anzupassen.
BC: Inwieweit ist natürliche Intelligenz notwendig, um die Leistungsfähigkeit von künstlicher Intelligenz in Finanzprozessen zu maximieren?
Ohne den Menschen bringt mir die beste Künstliche Intelligenz nichts. Wir sind noch lange nicht an dem Punkt, wo die KI komplett übernehmen könnte – und das wird auch noch sehr lange dauern, wenn es überhaupt passieren wird. Wir können der Künstlichen Intelligenz Aufgaben geben, ihr zeigen was richtig und was falsch ist, aber wirklich selbstständig denken kann sie eben noch nicht. Und genau hier braucht es die natürliche Intelligenz, um das volle Potential zu entfalten.
Wir geben der KI den Input, den diese braucht, um bestimmte Aufgaben zu erledigen. Ohne den menschlichen Input ist das System verloren. Das bedeutet aber auch gleichzeitig, dass die Personen den Umgang mit solchen Anwendungen lernen müssen. Ohne den entsprechenden Input aus der jeweiligen Fachabteilung, kann das System nicht die Qualität liefern, die es eigentlich könnte. KI Projekte sind also keineswegs reine IT-Sache und diese muss gemeinsam mit dem Finanzbereich Hand in Hand greifen, um qualitativ hochwertige Lösungen zu schaffen.
Hier stehen auch die Unternehmen in der Bringschuld, Mitarbeiter:innen die entsprechenden Förderungen und Weiterbildungsmaßnahmen zur Verfügung zu stellen, um den Einsatz von KI gut vorzubereiten.
Gleiches gilt auch bei der Kontrolle solcher Anwendungen. Sei es die korrekte Ausgabe bestimmter Dinge oder die Einhaltung ethischer Grundsätze. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass man die KI nicht automatisch laufen lassen sollte, wie Microsoft es mit ihrem ersten interaktiven Chatbot getan haben. Die Grundsätze bleiben gleich. Sei es die Einteilung durch die KI in Kreditwürdige und Kreditunwürdige Personen etwa: hier muss um jeden Fall verhindert werden, dass die KI – warum auch immer – eine Einteilung nach Geschlechtern oder Hautfarbe vornimmt. Und das geht nur durch die Kontrolle unabhängiger Personen, die die Anwendung regelmäßig überprüfen.
BC: Warum und wie kann auch der Mittelstand die digitale Transformation der Finanzabteilung erfolgreich bewältigen?
So wie jedes andere Unternehmen auch. Das ist das tolle an Künstlicher Intelligenz und Lösungen wie KARLI. Diese Anwendungen sind maximal skalierbar und können daher vom Kleinunternehmen über KMU´s bis hin zu großen Unternehmen angewendet werden.
Speziell für den Mittelstand ist es wichtig, besser heute als morgen loszulegen, denn die Vorteile überwiegen ganz klar beim Einsatz von KI. Der Wettbewerb ist bereits groß und Innovation und Technologie haben noch auf nie auf uns gewartet. Entscheidend ist, wie oben bereits erwähnt, die richtige Vorbereitung des Unternehmens und der Mitarbeiter:innen vorzunehmen. Durch hohe Skalierbarkeit können Lösungen bereits in kleinem Rahmen große Wirkung zeigen. Und wenn die kleineren Projekte erstmal erfolgreich sind, kann mit größeren und komplexeren nachgezogen werden, um den richtig großen Mehrwert zu schöpfen.
Und Möglichkeiten wie das hosten in der Cloud machen den teuren Kauf eigener Hardware obsolet und geben die Möglichkeit, versch. Szenarien auszuprobieren und den perfekten Use Cases herauszuarbeiten.
KI-Lösungen sind im Endeffekt einfach und super schnell implementiert, wenn die Rahmenbedingungen stimmen.
Über den Autor:
Hans Peter Pichler präsentiert in seiner Keynote beim Digital Finance Forum 2024 am 17. / 18. Oktober zum Thema "KI Journey: Von der Theorie zur Praxis – Der Weg zu erfolgreichen AI Use Cases" einen Leitfaden für Unternehmen, der Good Practices und Herausforderungen beleuchtet, den richtigen Ansatz für AI Use Cases erläutert sowie Erfahrungen, Strategien und den Umgang mit Pain Points teilt.