Business Circle: Sehr geehrte Frau DI Prechtl-Grundnig, Sie sind seit 2020 Geschäftsführerin des Dachverbandes Erneuerbare Energie Österreich EEÖ. Was ist für Sie das Schöne an Ihrem Beruf, oder darf man sagen an Ihrer Berufung?
Martina Prechtl-Grundnig: Berufung ist ein großes Wort! Wenn man damit meint, dass meine Arbeit für mich nicht nur ein Job ist, sondern auch mit Leidenschaft und Überzeugung verbunden ist, dann ist es eine Berufung. Wobei ich denke, dass wir alle berufen sind, uns für eine Transformation unseres Lebens- und Wirtschaftssystems stark zu machen. Weil es um die Absicherung unserer Zukunft geht, um Klimaschutz, um langfristige Versorgungssicherheit und um unseren Wohlstand. Das betrifft Jede und Jeden! Ich arbeite gerne an dieser positiven Zukunft.
BC: Vielleicht sind nicht alle mit der Tätigkeit des EEÖ vertraut, wie würden Sie die Arbeit des Verbandes in drei Sätzen umschreiben?
Prechtl-Grundnig: Wir vertreten als Dachverband die gesamte erneuerbare Energiewirtschaft in Österreich in den Bereichen Strom und Wärme. Somit sind wir die österreichische Vertretung der Energiewende. Als solche bringen wir uns aktiv ein, wenn es darum geht, die Energiezukunft zu gestalten und mit den notwendigen rechtlichen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen zu versehen.
BC: Etwas Allgemeines: Wie schaffen wir es, Krisenresistenz, Wohlstandserhalt und Bewahrung der Lebensumwelt miteinander zu kombinieren?
Prechtl-Grundnig: Darauf gibt es für mich eine klare Antwort: durch die Umstellung unserer Energieversorgung auf erneuerbare Ressourcen!
BC: Zur Windkraft: Wenn zu viel Wind weht, entsteht zu viel Strom, wenn zu wenig Wind weht, muss zugekauft werden: Was ist in Ihren Augen der derzeit vielversprechendste Ansatz zur Lösung des Speicherproblems?
Prechtl-Grundnig: Das Energiesystem der Zukunft unterscheidet sich in mehreren Punkten deutlich von dem, wie wir es bisher kannten. Damit es funktioniert, gibt es nicht den einen Ansatz oder die eine Lösung, sondern das Zusammenspiel mehrere Dinge. Zum einen muss die Bereitstellung von Energie auf mehrere Beine gestellt werden. Da brauchen wir eine Mischung aus Windenergie, Sonnenstrom, Wasserkraft und Energie aus Biomasse, Biogas und Geothermie. In der Strombereitstellung kann durch einen guten Mix an Technologien schon ein Ausgleich der Lastprofile geschaffen werden. So ergänzen sich beispielsweise Wind und Sonne recht gut. Wir brauchen so viel wie möglich an erneuerbarem Strom im Stromsystem, und durch Speicherung kann dieser Strom dann auch zeitlich verlagert und für den Verbrauch verschoben werden. Auch bei der Speicherung stehen mehrere Möglichkeiten zur Verfügung, die es gilt, kombiniert einzusetzen: etwa die Pumpspeicherkraftwerke, die Batteriespeicher in den Haushalten, aber auch in Zukunft die Speicherung in Form von Wasserstoff. Und was es in einem modernen Energiesystem noch braucht, ist umfassende Digitalisierung und die Nutzung von Flexibilisierungspotentialen – etwa, dass Energieverbräuche, dort wo möglich, zeitlich verlagert werden. Ein solch flexibles Verbrauchsverhalten kann auch finanzielle Vorteile bieten.
BC: Solar- und Windkraftanlagen haben derzeit eine Lebensdauer von ca. 25 Jahren. Dann müssen sie entsorgt, bzw. recycelt werden, wird das in die Nachhaltigkeitsüberlegungen ausreichend mit einberechnet?
Prechtl-Grundnig: Natürlich, das ist NICHT der blinde Fleck, wie von manchen in den Raum gestellt! Wie auch in allen anderen Bereichen gelten hier strenge Maßstäbe hinsichtlich Kreislaufwirtschaft. Ich sehe insgesamt in der Recyclingwirtschaft viele Fortschritte und interessante Entwicklungen, die für unser Wirtschaften insgesamt von enormer Bedeutung sind.
Entwicklung in der Bundesrepublik Deutschland: Learnings für Österreich
BC: Die Bundesrepublik Deutschland hat sich vom Wirtschaftsmotor zum Wachstumsschlusslicht gewandelt, gibt es daraus Learnings für Österreich?
Prechtl-Grundnig: Es gilt jedenfalls, genauer hinzusehen, wo die wirtschaftspolitischen Fehlentwicklungen in Deutschland lagen, um nicht dem Fehlschluss aufzusitzen, dass da erst in den letzten Jahren die Fehler passiert sind. Es liegt beispielsweise einige Jahre zurück, dass die aufstrebende Herstellung von Photovoltaikanlagen in Deutschland ‚abgedreht‘ wurde. In der Automobilindustrie in Deutschland war man zu lange auf den guten alten deutschen Verbrennungsmotor stolz und hat die Entwicklungen hin zur Elektromobilität lange Zeit ignoriert. Selbst der Schwenk der deutschen Autohersteller zur Elektromobilität blieb verhalten und konzentrierte sich auf das Luxussegment, anstatt auf ein Produkt für die breite Masse zu setzen. Da hat man viel verschlafen und anstatt adäquat und vorwärts gerichtet zu reagieren, gibt es Kräfte, die versuchen, unaufhaltsame Entwicklungen zu bremsen, um ihre fossilen Geschäftsmodelle noch eine Zeitlang aufrecht zu erhalten. Das ist falsch eingesetzte Energie. Im Bereich der Wärmewende wurde in Deutschland massives Negativ-Campaining betrieben und davon haben wir uns in Österreich mitreißen lassen. Politische Verantwortungsträger haben dann gegen rechtliche Klarheit beim Ausstiegspfad aus fossilen Energien gestimmt, was keine ausreichend stabile Grundlage für unternehmerische Entscheidungen bietet.
Als Learnings würde ich also formulieren, dass es wichtig ist, in wirtschaftspolitischen Entscheidungen vorwärts gewandt zu sein, sich beispielsweise nicht der Rettung vom Verbrennungsmotor zu verschreiben, an dessen glorreiche Zukunft nicht einmal die Automobilindustrie selbst glaubt. Außerdem braucht die Wirtschaft einen klaren und stabilen Rahmen. Für den braucht es gerade jetzt herausragenden politischen Gestaltungswillen und Mut.
BC: Abschließend: Sie werden zum ersten Mal bei uns vortragen, worauf freuen Sie sich am meisten bei der Konferenz?
Prechtl-Grundnig: Auf einen spannenden Austausch mit Akteuren aus verschiedenen Bereichen.
BC: Sehr geehrte Frau DI Prechtl-Grundnig, vielen Dank für dieses spannende Gespräch. Wir freuen uns, Sie zum Renewables meet Industry Exchange zu begrüßen!
DI Martina Prechtl-Grundnig hat 2020 die Geschäftsführung des Dachverbandes Erneuerbare Energie Österreich EEÖ übernommen. Von 2002 bis 2007 war sie Geschäftsführerin des Energieparks Bruck an der Leitha, bis sie 2007 die Geschäftsführung von Kleinwasserkraft Österreich, der Interessensvertretung der österreichischen Kleinwasserkraftbranche, übernahm. Von 2010 bis 2013 war sie auch Geschäftsführerin der KÖ Wasserkraft Service GmbH. Beim Renewables meet Industry Exchange am 20. Juni 2024 ist sie Teil einer Paneldiskussion zum Thema „Stärkung des Industriestandorts Österreich: Gemeinsam für die nachhaltige Energietransformation“