Business Circle: Sehr geehrter Herr Dr. von Alemann, Sie sind Head of Legal Tech & General Counsel bei Join, können Sie uns kurz Ihren Weg beschreiben, der Sie dorthin geführt hat?
Sven von Alemann: Ich habe anfangs eine klassische juristische Laufbahn genommen: nach drei Jahren Großkanzlei bin ich auf die Inhouse-Seite gewechselt und habe als Senior Legal Counsel für Rechtsabteilungen verschiedener Größen gearbeitet, zuletzt bei SAP Hybris. Grund für den Inhouse-Wechsel war damals schon, dass ich näher an den Business-Entscheidungen dran sein wollte. Während der Zeit bei SAP habe ich nebenbei einen Executive MBA im Entrepreneurship an der TU München gemacht und da mein Weg zu SAP über den Kauf des Scale-ups Hybris erfolgte, den ich aus Inhouse Sicht mitberaten habe, war das Interesse an Unternehmertum in mir geweckt. Der logische Schritt war dann, in dem Bereich zu gründen, in dem ich mich am besten auskenne und der auch gleichzeitig viel Potential hat: Legal Tech. Ab 2016 habe ich mich daher ganz diesem Thema verschrieben und zunächst das mehrfach ausgezeichnete Startup rfrnz mitgegründet und geführt, das schon 2016 eine Plattform für die Vertragsanalyse mit KI entwickelt hat. Nach einer Station bei KPMG Law und der Beratung im Bereich Legal Operations bin ich bei Join mitverantwortlich für die Weiterentwicklung und den Vertrieb unserer CLM-Lösung LEDOX365. Zusätzlich verantworte ich die rechtlichen Themen und bleibe so auch juristisch in der Praxis und up-to-date.
BC: Was sind die besonderen Herausforderungen als Legal Counsel in einem Unternehmen, welches eine Vorreiterrolle in der Digitalisierung hat?
von Alemann: Das Spannende aber auch Herausfordernde der Arbeit in einem innovativen Unternehmen ist sicherlich, dass man mit Rechtsfragen in Berührung kommt, die neu und manchmal noch nicht abschließend geklärt sind. Als jemand, der gleichzeitig für Business und Legal verantwortlich ist, habe ich hier oft zwei Hüte auf, um nicht zu sagen eine gespaltene Persönlichkeit: geschäftliche Chancen nutzen und gleichzeitig die rechtlichen Risiken erkennen und lösen. Diese Sichtweise hilft Kunden, die genau die gleiche Herausforderung haben.
BC: Stichwort SchremsII: Wie gehen Sie mit dem Spannungsfeld von M365 und Datenschutz um? Insbesondere im globalen Business?
von Alemann: Unsere Kunden haben M365 bei sich ja schon implementiert und setzen es tagtäglich ein. Unsere Lösung nutzt die M365 Plattform, um die Funktionen eines CLM darin zu implementieren. Die Grundentscheidung für Microsoft 365 ist dann schon gefallen und wir denken, dass ein starkes Datenschutz- und Compliance-Konzept ein wichtiger Baustein von M365 ist.
BC: Mit welchen Kennzahlen kann man den Erfolg eines CLM-Systems messen?
von Alemann: Die wichtigste Kennzahl für den Erfolg eines CLM ist die User Adoption. Die Lösung muss sich nahtlos in die Prozesse der Nutzer einfügen und als Werkzeug in den Hintergrund treten. Ist dies der Fall, wird es gerne und umfassend genutzt. Dann kann erreicht werden, dass die Time-to-signature sinkt, die Transparenz erhöht wird und die Rechtsabteilung insgesamt entlastet wird.
Das Nicht-Eintreten von rechtlichen Risiken ist einfach schwieriger zu vermitteln als der Gewinn eines großen Kunden
BC: Daran anschließend eine Frage, welche Inhousejuristen immer beschäftigt: Wie kommunizieren Sie Ihre Erfolge und gegenüber Stakeholdern und dem Vorstand?
von Alemann: Inhouse-Juristen galten lange als reine Kostenstelle und hatten daher immer die Schwierigkeit, ihre Erfolge im Unternehmen zu kommunizieren. Das Nicht-Eintreten von rechtlichen Risiken ist einfach schwieriger zu vermitteln als der Gewinn eines großen Kunden. Dies hat sich mit dem Aufkommen von Legal Operations etwas gewandelt. Vermehrt werden Kennzahlen erhoben und es wird etwa betrachtet, wie lange es bis zu einem Vertragsschluss dauert oder wie viele Verträge mit welchem Vertragswert abgeschlossen werden. Auch die Zufriedenheit der Fachabteilungen mit der Zusammenarbeit der Rechtsabteilung wird teilweise schon mit einem Net Promoter Score (NPS) ermittelt. So kann der Wertbeitrag der Rechtsabteilung zum Gesamterfolg des Unternehmens messbar gemacht und auch besser kommuniziert werden.
BC: Etwas Allgemeiner: Wenn Sie es sich aussuchen könnten, wären Sie lieber eine Woche lang Justizminister oder eine Woche lang Bildungsminister und welches Projekt würden Sie als erstes angehen?
von Alemann: Ich glaube der langfristige Impact kann als Bildungsminister noch größer sein. Hier geht es darum, dem Nachwuchs gleiche Chancen zu bieten und das Rüstzeug an die Hand zu geben, um später einen erfüllenden Beruf zu ergreifen. Als Projekt liegt mir Inklusion sehr am Herzen und ich würde versuchen durch gemeinsame Projekttage und einen regelmäßigen Austausch das gegenseitige Verständnis und eine aktive Teilhabe zu fördern.
BC: Abschließend etwas Persönliches: Wir gehen jetzt schon seit einiger Zeit ein Stück gemeinsamen Weges, was ist für Sie das Besondere an Business Circle Konferenzen?
von Alemann: Die Business Circle Konferenzen sind tatsächlich ein fester Bestandteil unserer Jahresplanung geworden. Dies hat mehrere Gründe: perfekte Organisation, starkes inhaltliches Konzept, tolle Venues und ein immer wieder super Mix an Teilnehmenden bei den Veranstaltungen. Wir freuen uns auch in diesem Jahr wieder auf den Austausch mit den KollegInnen aus Österreich und der dortigen lebhaften Legal Tech- und Legal Operations-Szene.BC: Lieber Herr von Alemann, wir danken Ihnen für dieses Gespräch und freuen uns, Sie wieder in Wien zu begrüßen!
RA Dr. Sven von Alemann, LL.M., MBA ist Head of Legal Tech & General Counsel der Join GmbH mit mehr als 15 Jahren Berufserfahrung im IT- und Technologierecht. Er wurde an der Universität Hannover promoviert, hält einen LL.M. der University of Canterbury (NZ) und einen Executive MBA der Technischen Universität München und war unter anderem CEO der Plattform „rfrnz“ für die automatisierte Analyse von Verträgen für Rechtsanwälte mit Hilfe von künstlicher Intelligenz, Senior Manager bei KPMG Law und Senior Legal Counsel bei SAP Hybris. Er veröffentlicht und hält regelmäßig Vorträge zu Innovationen und neuen Technologien auf dem Rechtsmarkt. Bei der Vienna Legal Innovation ´24 am 16. / 17. April 2024 ist er Gastgeber eines Espresso-Talks zum Thema „6 Erfolgsfaktoren für eine erfolgreiche Einführung eines Microsoft 365-basierten CLM in einem globalen Unternehmen“