Stefan Perklin leitet den Fachbereich People and Organisation bei PwC Österreich, im Interview sprechen wir über die großen Herausforderungen des Jahres 2024 (KI, Rezession, Inflation, War for Talents…), wie HR dazu beitragen kann, diese zu bewältigen und welche Rolle die gelebte Unternehmenskultur dabei spielt.
BC: Sehr geehrter Herr Perklin, Sie sind People and Organisation Leader bei PwC Österreich, möchten Sie eingangs kurz den Weg skizzieren, der Sie dorthin geführt hat.
Stefan Perklin: Ich begann meine Karriere bei PwC im Jahr 2002 im Financial Services. Nach mehreren Jahren im Bereich Financial Services entschied ich mich für eine Veränderung und übernahm 2018 interimistisch die Leitung der Payroll-Outsourcing-Abteilung im Bereich People and Organisation. Das hat mir so viel Freude bereitet, dass ich mich 2019 entschied, vollständig in den Bereich zu wechseln.
Die HR Beratung an sich ist ein äußerst umfangreiches, interessantes und stets dynamisches Feld. Daher war es für mich folgerichtig, seit 2024 nun auch den Bereich Workforce Transformation aufzubauen. Mit diesem jungen, engagierten Team ist es spannend, vorhandene Produkte beim Kunden zu etablieren, neue Produkte zu entwickeln, sie zu testen und auf den Markt zu bringen. Es ist eine äußerst aufregende Zeit.
BC: Künstliche Intelligenz, unklare wirtschaftliche Aussichten, Inflation, War for Talents….Was ist in ihren Augen im kommenden Jahr die größte Herausforderung für das HR-Management und warum?
Stefan Perklin: Die größten Challenges sind die (A) Integration von KI im Berufsalltag, (B) der Fachkräftemangel und die daraus resultierende (C) Neuverhandlung von Arbeitsleistung.
(A) Integration von KI erfordert einen konkreten Mentalitätswechsel hin zu Flexibilität, Offenheit und Lernbereitschaft, damit alle Mitarbeitende in Organisationen für die neuen Technologien und Automatisierungen gewonnen werden können. Dazu muss die HR vermehrt auf leicht zugängliches Upskilling setzen: Mitarbeitende, auch ältere, digital fit machen sowie Führungskräften die benötigten neuen Skills für das Führen hybrider Teams.
(B) Der Fachkräftemangel erfordert gezielte Retentionsmaßnahmen, wie hochdifferenzierte Entwicklungsangebote und eine starke Arbeitgebermarke (Employer Brand), die nach innen und außen strahlt.
(C) Die Neuverhandlung von Arbeitsleistung wird durch die beiden oben genannten Treiber ausgelöst. Die Integration von KI verändert Prozesse, Strukturen und Herangehensweisen und stellt die Sinnhaftigkeit/Purpose von Tätigkeiten (und Berufen: Buchhaltung, Übersetzung ect) in Frage. Plus, ab 2025 arbeiten vier Generationen in Unternehmen (Alpha, Z, Y, X) zusammen mit jeweils anderen Erwartungen & Ansprüchen an Arbeit und Leistung. Da werden konkrete HR-Maßnahmen für Cross Generational Working notwendig. Vor allem der Begriff „Produktivität“ wird herausgefordert und einen Mindset-Shift anregen.
BC: Woran erkennt man in einer schwierigen Situation, ob die Unternehmenskultur funktioniert oder nicht?
Stefan Perklin: „Am Ende“ steht eine mögliche höhere Fluktuationsrate in einem Team, einem Bereich oder dem gesamten Unternehmen. Doch bevor es zu solchen drastischen Konsequenzen kommt, gibt es während der schwierigen Zeiten bestimmte Anzeichen, die auf den Zustand der Unternehmenskultur hinweisen. Diese "Moments that matter" umfassen vor allem die Qualität der Kommunikation, die Bereitschaft zur Übernahme von Verantwortung und die Innovationsfähigkeit. Im Detail heißt das:
• Kommunikation: Klare, offene und zeitnahe Kommunikation in schwierigen Zeiten ist entscheidend. Informationen sollten transparent geteilt werden, um Unsicherheit zu minimieren. Ein Sub-Indikator ist der Flurfunk: Hier stellt sich die Frage, ob der informelle Informationsaustausch (Flurfunk) stärker ausgeprägt ist als die interne Unternehmenskommunikation. Der Flurfunk ist nicht steuerbar und besteht aus Gerüchten, Emotionen und Widersprüchen, da ihm das ganze Bild fehlt. Wenn das Unternehmen einheitlich Fragen zur eigenen Wetterlage, zur eigenen Entwicklung (Vision) und zur eigenen Haltung (Werte) klar und verständlich beantworten kann, dann können sich Mitarbeitende auch in schwierigen Situationen orientieren. Sprache und Information sind also ein klares Zeichen einer funktionierenden Unternehmenskultur, die Orientierung und Identifikation ermöglicht.
• Verantwortungsübernahme und Engagement: Die Bereitschaft der Mitarbeitende und Führungskräfte, Verantwortung zu übernehmen und klare Entscheidungen zu treffen, ist ein weiterer Indikator für eine funktionierende Unternehmenskultur. Dies gelingt besonders gut in einem Umfeld des Vertrauens. Innovationsbereitschaft und Werteorientierung: Auch in Zeiten von Veränderung oder Unsicherheit ist die Konsistenz des Verhaltens mit den Unternehmenswerten entscheidend. Das Unternehmen sollte seinen Werten treu bleiben, selbst wenn es schwierig wird, um Innovation und eine langfristige Ausrichtung zu fördern.
Unternehmenskultur messbar machen
BC: Kann man eine funktionierende Unternehmenskultur überhaupt messen und wenn ja, mit welchen Kennzahlen?
Stefan Perklin: Ja, es ist durchaus möglich, eine funktionierende Unternehmenskultur zu messen, und es gibt verschiedene Methoden des Kultur-Assessments sowie Ansätze zur bewussten Steuerung der Kultur. Deshalb ist es auch so notwendig mit der Unternehmensleitung zu definieren, welche Kultur für die kommende Unternehmensphase entscheidend ist.
Unternehmenskultur ist eine komplexe Mischung aus Werten, Normen, Überzeugungen und Verhaltensweisen, die die Arbeitsumgebung und Beziehungen innerhalb eines Unternehmens beeinflussen.
Indikatoren für die Unternehmenskultur könnten beispielsweise folgende sein:
• Führungs(kultur) und -stil: Wie werden Führungsaufgaben wahrgenommen und ausgeführt?
• Teamzusammenarbeit, Flexibilität, Vertrauen: Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit im Team? Gibt es Flexibilität und Vertrauen unter den Mitarbeitenden?
• Mitarbeitende Engagement, Zufriedenheit: Hierzu können Mitarbeiterumfragen, Krankheitsstände, Fluktuationsraten sowie Leistungsindikatoren wie Produktivität und Zielerreichung herangezogen werden.
• Unternehmenswerte: Sind die Unternehmenswerte bekannt und werden sie im täglichen Handeln der Mitarbeitenden gelebt?
• Arbeitsumgebung (Work-Life-Balance, Überstunden, Präsenz): Wie gestaltet sich die Arbeitsumgebung in Bezug auf Work-Life-Balance, Überstunden und Präsenz der Mitarbeitenden?
• Artefakte, Rituale, Symbole: Hierzu gehören sichtbare Elemente wie beispielsweise die Teilnahme an Unternehmensveranstaltungen oder das Bekenntnis zu bestimmten Werten
BC: Was kann das Management Board und insbesondere das HR-Management dazu beitragen, dass eine positive Kultur auch authentisch gelebt wird? Einen voluminösen Code of Conduct zu schreiben, wird allein nicht ausreichen.
Stefan Perklin: Vom Management Board ausgehend muss Klarheit über Unternehmenswerte & Unternehmensvision bestehen, sodass das HR Management ebenso einheitlich, verständlich und zielgruppenorientiert kommunizieren kann. Erst mit dem Wissen, wofür die Organisation steht (Werte) und wohin sie steuert (Vision), geben sie Mitarbeitenden einen Rahmen vor, innerhalb dessen sie sich bewegen können. Das formt in Folge Führung und Zusammenarbeit. Die Konzentration auf die Führungsfähigkeiten ist dabei der Dreh- und Angelpunkt.
BC: HR- und Compliancemanagement könnten sich in Zukunft immer mehr berühren und überschneiden, nicht nur im Bereich Forensik, könnten da neue Tätigkeitsprofile entstehen? Und wie könnte man sich jetzt schon darauf vorbereiten, insbesondere hinsichtlich Weiterbildung und Qualifikation?
Stefan Perklin: Wir sehen schon heute, dass erste Überschneidungspunkte bzw. Aspekte sowohl HR als auch Compliance betreffen. Die zunehmende Komplexität der Unternehmensumgebung und die steigenden Anforderungen an Compliance könnten zu einer verstärkten Integration von HR- und Compliancemanagement führen. Wichtig ist, dass Compliance in Zukunft stärker ein Dienstleister (und kein „Feind“ mehr) sein wird. Diese Themen zahlen stark auf die Employer Brand ein und so werden Compliance Themen als Investition in die Mitarbeitendenbindung interpretiert werden. Zukünftig sind hier z.b. folgende denkbar.
Ethik und Integrität: Positionen, die sich um Awareness- und Fachschulungen von Mitarbeitenden, die Einhaltung ethischer Standards und die Unterstützung von Whistleblower-Programmen drehen. Nicht zuletzt auch wegen der neuen ESG Regulatorik, die nun auf uns zukommt.
Arbeitsrecht und Compliance: Hier haben schon spätestens seit Corona neue Themen wie „Remote“ und Workation Einzug erhalten.
Künstliche Intelligenz: Gerade Grundlagen-Know how wird in Zukunft die KI übernehmen und der Mensch wird übergeordnet – auf einer Meta-Ebene – die Zusammenhänge klarlegen müssen. Diese neue Sicht-und Denkweise wird sich in neuen Jobs wieder finden.
Vielfalt und Inklusion: Es könnten neue Positionen entstehen, die sich darauf konzentrieren, sicherzustellen, dass HR-Praktiken und -Programme die Vielfalt fördern und diskriminierungsfrei sind. Dies könnte die Entwicklung von Vielfalts- und Inklusionsstrategien, Schulungen zu Sensibilisierungsthemen und die Überwachung von Inklusionsinitiativen umfassen und so sicherstellen, dass die Anforderungen der EU-Regulatorik eingehalten werden.
BC: Abschließend: Sie kennen die Pop ja schon auseigener Erfahrung, was ist für Sie das Besondere an diesem Format?
Stefan Perklin: Das PoP-Du hat mir von Anfang an gefallen und dadurch haben sich in der Vergangenheit immer sehr interessante Gespräche mit den hochkarätigen Teilnehmenden ergeben. Das verleiht der Veranstaltung eine einzigartige Atmosphäre und on top dazu gibt es noch die legendäre PoP Party.
BC: Sehr geehrter Herr Perklin, wir danken Ihnen für dieses Gespräch und freuen uns, Sie auf der PoP zu begrüßen!
Stefan Perklin leitet den Fachbereich People and Organisation bei PwC Österreich. Mit seinem Team berät er Unternehmen in allen Themenstellungen rund um Personalverrechnung und Workforce Transformation, mit Fokus auf People (Culture, Leadership & Development), Sustainability (Equal Pay, DEI) und Analytics (Compensation & Benefits, Performance Management).
Sein Schwerpunkt liegt darauf, Personalabteilungen für die organisatorischen und kulturellen Veränderungen durch u.a. innovative Technologien und deren erfolgreiche Integration in den Arbeitsalltag zu unterstützen. Er begann seine Karriere bei PwC Österreich im Jahr 2002 und beschäftigt sich aktuell intensiv mit der Transformation der Arbeitswelt (New Work) sowie mit dem Einsatz künstlicher Intelligenz (KI) in der Personalverrechnung. Auf der PoP am 18. / 19. April 2024 ist er Teil einer Podiumsdiskussion zum Thema „Die Schlüsselrolle der HR bei der Bewältigung von komplexen Herausforderungen“.