Die nunmehr 13-jährige Geschichte der Jahrestagung begann mit Kartellen und Korruption, heute sprechen wir über wir ESG, Geopolitik, Sanktionen,… Das Themengebiet wird breiter und die Aufgaben wachsen immer weiter. Genau so wie die Konferenz, die jetzt fast 180 Compliance Officer in Stegersbach vereinigte.
Der Gesetzgeber scheint davon auszugehen, dass mehr Regeln die Menschen besser machen. Die Vorstellung: Wenn alles geregelt ist, wird alles gut. Doch ein mündiges Compliance Management muss dagegen halten: Es sind nicht mehr Regeln, die wir brauchen, sondern Werte und Moral. Regeln allein können keinen inneren Kompass ersetzen – sie zeigen lediglich Grenzen, während Werte Orientierung geben.
Geopolitische Verschiebungen verdeutlichen, dass der Westen nicht mehr global tonangebend ist. Vor 40 Jahren stellten die EU und die USA noch 75 % des Welt-BIPs. Heute sind es weniger als 50 %. Länder wie China und Indien sind hungrig nach Wohlstand, oft ohne Rücksicht auf Umwelt oder Menschenrechte. Diese Dynamik verändert auch Compliance – von einer westlich geprägten Regelkultur hin zu einer globalen Anpassung an neue Verhältnisse.
Wie sichern wir unsere Werte, ohne sie anderen aufzuzwingen? Werte wie Ehrlichkeit, Transparenz und Integrität müssen uns leiten. Doch statt starre Regeln zu schaffen, brauchen wir „clevere Compliance“, die auf Hausverstand basiert: Regeln, die Werte fördern und gleichzeitig wirtschaftlich praktikabel bleiben.
Helmut Böck: Warum der Wert der amerikanisch-europäischen Zusammenarbeit Bestand haben muss!
Dr. Helmut Böck ist ein österreichischer Diplomat und Botschafter. Er ist offiziell als Ständiger Vertreter Österreichs bei den Vereinten Nationen in Wien akkreditiert.
Die Präsidentschaftswahlen sind vorbei, und das Ergebnis steht fest. Als Diplomaten und Compliance-Experten ist es wichtig, die internationalen Gepflogenheiten zu wahren und sich entsprechend zu verhalten – das sollte klar sein. Im ORF und anderen Medien gab es viele Berichte über das Wahlsystem der USA, aber weniger über die Hintergründe der beiden Kandidaten. Ein spannender Punkt ist, wie viel Protest in der Wahlentscheidung der Trump-Wähler steckt. Natürlich gibt es auf beiden Seiten treue Anhänger – man denke etwa an die Unterstützung der „Swifties“ für Harris. Viele geben der Biden-Administration für Versäumnisse in der Wirtschafts- und Innenpolitik die Schuld. Trump, der sich als erfolgreicher Geschäftsmann inszeniert, punktet bei Wählern, die sich von ihm konkrete Ergebnisse versprechen. Wie wirken sich die Wahlen auf die internationale Zusammenarbeit aus? Man hat in den Ministerien bereits Szenarien durchgespielt, wie eine zweite Amtszeit von Trump aussehen könnte. China, das gewohnt ist, in längeren Zeiträumen zu planen, verfolgt diese Entwicklungen ebenfalls genau. Besonders kritisch bleibt die US-Haltung zu Klimaabkommen und der WHO, wo künftige Zusammenarbeit unsicher erscheint
Einblicke in die größte Strafrechtsreform seit 15 Jahren – Auswirkungen auf die Compliance
Mag. Simone Petsche-Demmel (petsche-demmel pollak Rechtsanwälte) gab spannende Einblicke in die aktuelle Strafrechtsreform.
Ein kontroverses Thema dabei ist der Zugriff auf private Daten: So konnte Europol durch die Überwachung von Chats und den Einsatz von Trojanern bereits Terrorgefahren abwehren – ein klares Beispiel für das öffentliche Interesse an Sicherheit. Doch es gibt Grenzen: Die Polizei darf nicht einfach umfassend auf alle Daten eines Smartphones zugreifen, da dies tief in die Privatsphäre der Betroffenen eingreift. Auf dem Handy befindet sich heutzutage schließlich die gesamte Persönlichkeit eines Menschen, inklusive privater Fotos und sensibler Informationen. Technisch geht es um die Sicherstellung von Handys als Datenträger. Wichtig ist hierbei eine klare Trennung: Wird das Gerät selbst als Corpus Delicti beschlagnahmt, oder geht es um die Daten darauf? Ein unkontrollierter Zugriff auf alle Daten und Fotos, unabhängig von ihrem Bezug zur Ermittlung, darf nicht erfolgen. Die Staatsanwaltschaft muss vorher präzise definieren, welche Daten für welchen Zeitraum und zu welchem Zweck relevant sind. Betroffene sollten außerdem ein Mitspracherecht haben, um ihre Rechte zu wahren.
Ein weiteres Ziel der Reform ist die Beschleunigung von Verfahren. Simone Petsche-Demmel betonte, dass gutes Compliance-Management immer eine Balance findet: Es geht darum, Verantwortung zu übernehmen und Sicherheit sowie Kontrolle mit dem Interesse an Freiheit und Vertrauen in die Integrität des Einzelnen abzuwägen. Sie hofft, dass der Gesetzgeber diese Herausforderung erfolgreich meistert.
Keynote: Compliance Management effektiv kommunizieren und das ganze Team mit ins Boot holen, Max Schmiechen, Hornbach
Compliance hat nicht immer das beste Image: Für viele ist es ein unbeliebtes Stiefkind – wichtig, aber alles andere als sexy. Häufig sieht man Compliance als reinen „Kostenfaktor“: „We are the fee earners, you are the fee burners“ – ein verbreitetes Vorurteil. Wenn keine Probleme auftreten, fragt man sich, was Compliance eigentlich macht. Kommt es jedoch zu einem Vorfall, wird schnell die Schuld zugeschoben – selbst wenn alles korrekt ablief. Doch in Krisen zeigt sich die wahre Stärke von Compliance: Plötzlich sind alle froh, dass die Abteilung existiert, und es gibt endlich die nötige Unterstützung und Budgets. Doch was passiert, wenn die Krise vorbei ist? Schnell kommt der CFO und fordert Einsparungen. Hier ist clevere Kommunikation gefragt, um Projekte und Budgets langfristig zu sichern.
Wie Compliance attraktiv wird:
Compliance darf nicht nur im Krisenmodus funktionieren. Vielmehr sollte es als integraler Bestandteil von Employer Branding und Unternehmensstrategie wahrgenommen werden. Ein positiver Zugang zu Compliance lässt sich schaffen, indem man proaktiv Mehrwert liefert: klare Handlungsempfehlungen, benutzerfreundliche Kodizes und effektive Vernetzung mit internen Stakeholdern. Wichtig ist auch, Schulungen sinnvoll zu gestalten – weg von Standardlösungen hin zu interaktiven Formaten, die Praxisnähe und Spaß vermitteln. Max Schmiechen gab abschließend noch eines mit auf den Weg: Wenn Compliance zu stark reguliert wird, sinkt das Mitdenken des Teams („ist ja eh alles vorgegeben“). Deshalb sollte man bei der Gestaltung von Compliance-Richtlinien auf Benutzerfreundlichkeit achten.
„Ich will nicht umkommen, ich will hochkommen“: Abend-Keynote mit Benedikt Böhm
Wussten Sie, dass statistisch gesehen 80 % der Bergsteiger beim Abstieg verunglücken, weil sie sich beim Aufstieg zu sehr verausgabt haben und dann am Gipfel denken „Yeah, geschafft!!“ und unvorsichtig werden? Benedikt Böhm verriet uns im Rahmen der Abend Key-Note auf der Compliance now! einige Geheimnisse seines Erfolges. Er war Teil der Nationalmannschaft im Skibergsteigen – einer Sportart, die bei den nächsten olympischen Winterspielen ins Programm aufgenommen wird. Noch vor 20 Jahren war Skibergsteigen ein echter Nischenmarkt mit einem Weltmarktvolumen von gerade einmal 30 Millionen Euro – eine „Nische der Nische der Nische“. Die Vision war jedoch nicht nur, eine Marke zu entwickeln, sondern durch diese Marke den gesamten Markt mitzugestalten. Menschen neigen dazu, sich langfristig zu unterschätzen, aber kurzfristig oft zu überschätzen. Das zeigt sich besonders bei Marken: Bei Dynafit wurde klar, wie sehr sich eine Community gegenseitig verstärken kann, wenn man gemeinsam an Zielen arbeitet.
80 % Erfolg durch gute Vorbereitung, 20 % durch Flexibilität.
Ungewissheit löst oft Angst aus. Die beste Antwort darauf: Klarheit schaffen. Angst in der Situation selbst ist meist weniger überwältigend als die Angst davor. Um Klarheit zu erreichen, hilft ein strukturierter Ansatz: Angst visualisieren, Daten analysieren, Schritte definieren. Ein gutes Team zeichnet sich dadurch aus, dass die Angstfaktoren bei jedem woanders liegen. So kann man sich gegenseitig stützen und stärken. Am Ende unseres Lebens werden wir uns nicht daran erinnern, wie sehr wir in unserer Komfortzone verweilt haben. Was uns prägt, sind die Momente, in denen wir über uns hinausgewachsen sind.
Und falls ihr mal in Tirol seid – schaut vorbei auf einen guten Kaffee! ☕
(Benedikt Böhm)
Danach wurde es noch einmal feurig, trotz des langsam einsetzenden Schneefalls.
Den nächsten Morgen eröffnete Markus Jüttner (DICO e.V. / Universität Heidelberg):
"Compliance zwischen brauchbarer Illegalität und unbrauchbarer Legalität"
Max Weber sah Bürokratie einst als positiv: Sie garantiert, dass Regeln unabhängig von Personen bestehen, und schafft Stabilität für Unternehmen und Staaten. Doch wie alles Schöne und Gute kann auch Bürokratie übertrieben werden – etwa, wenn Regeln wichtiger werden als Menschen oder Kunden. Heute scheint der Unternehmer oft als „Hilfsorgan des Staates“ zu agieren, beispielsweise wenn von ihm erwartet wird, Menschenrechte in anderen Ländern durchzusetzen – eigentlich eine staatliche Aufgabe, nicht die eines mittelständischen Maschinenbauers. Doch wie lange kann ein Unternehmen gegenüber dem Staat compliant bleiben, wenn dieser die wirtschaftliche Grundlage angreift? Ein viraler Kommentar von Dr. Theodor Weimer, des Vorstandsvorsitzenden der Deutsche Börse AG brachte dies auf den Punkt: Es gibt eine Grenze, an der Regelkonformität scheitert, wenn Regeln selbst die Basis bedrohen. Während die USA pragmatisch handeln („Do what you have to do, then hire some lawyers to clean up the mess“), setzt Europa immer stärker auf starre Vorschriften. Und aufstrebende Länder wie China und Indien pflegen oft einen ganz anderen Umgang mit Regularien. Es bleibt die Herausforderung, Regeln sinnvoll einzusetzen, ohne die Dynamik von Unternehmen und Innovationen zu ersticken.
Abschluss und Zusammenfassung mit DDr. Alexander Petsche
Alexander Petsche appelierte abschließend an die Verantwortung der Compliance Officer
Komplexität kann man nicht einfach aussitzen. Genauso wenig, wie man ohne Führerschein Auto fahren oder ohne medizinisches Studium operieren kann, kann man sich den Herausforderungen im Bereich Compliance entziehen. Compliance ist kein „Easy Job“. Gestern hatten wir mit Benedikt Böhm jemanden, der die „Todeszone“ durchquert – wortwörtlich. Dieser Mensch hat nie gejammert, sondern sich der Herausforderung gestellt und daran sogar Freude gefunden. Genau diese Einstellung ist gefragt: Seien Sie mutig, fokussieren Sie sich und lassen Sie sich nicht einschüchtern. Sie können das. Der Vorwurf, Compliance bremse den Vertrieb aus, ist kein Argument, das uns aufhalten sollte. Wir setzen Standards und machen Unternehmen besser.
Danke, dass Sie dabei waren! Die Stimmung war großartig, und das macht den Unterschied.
Die nächste „Compliance now!“ findet statt am 20./21. November 2025