Business Circle: Sehr geehrter Herr Feilmair, Sie sind als Partner bei E+H in den Bereichen Corporate/M&A und Real Estate tätig. Warum haben Sie sich gerade in diesem Bereich spezialisiert und wie war Ihr bisherigen Berufsweg dorthin?
Johannes Feilmair: Wenn ich ehrlich bin, kann ich nicht behaupten, dass ich schon während meiner Studienzeit gezielt darauf hingearbeitet habe, ein M&A Anwalt in einer Großkanzlei zu werden. Vielmehr hat mich schon immer eine starke Affinität zu wirtschaftlichen Themen begleitet. Während meines Studiums war ich als Studienassistent am Institut für Steuerrecht tätig und entdeckte auch ein Interesse an gesellschaftsrechtlichen Fragen. Diese Kombination aus Interessen führte mich zu Beginn meiner Karriere als Konzipient im Bereich M&A, eine Entscheidung, die ich bis heute keineswegs bereue. Als M&A Anwalt bin ich regelmäßig in spannende Transaktionen involviert und fungiere als erste Anlaufstelle und Schnittstelle zu anderen Fachbereichen. Neben der engen Mandatsbeziehung schätze ich besonders die Vielfalt der rechtlichen Fragestellungen, mit denen ich konfrontiert werde.
BC: Halten Sie es für notwendig, dass bei M&A-Transaktionen stärker auf ESG-Due Diligence geachtet wird? Welche besonderen Risiken könnten entstehen, wenn diese Aspekte nicht ausreichend berücksichtigt werden?
Feilmair: Unter 'Due Diligence' versteht man einen strukturierten Untersuchungs- und Prüfungsprozess, um alle relevanten Informationen über den zu erwerbenden Kaufgegenstand zu sammeln und zu bewerten. Dies umfasst die Analyse finanzieller, rechtlicher, steuerlicher, wirtschaftlicher, technischer und anderer Aspekte, um potenzielle Risiken und Chancen aufzudecken. Die Form und der Umfang der Due Diligence hängen im Wesentlichen von der jeweiligen Transaktion und des potentiellen Risikoausmaßes ab.
Der Fokus lag lange Zeit primär auf wirtschaftlichen, rechtlichen und operativen Aspekten sowie unmittelbaren finanziellen Erfolgen, weshalb ESG-Themen, besonders aus Kostengründen, nicht im Mittelpunkt standen. Zudem fehlten lange Zeit einheitliche rechtliche Standards, verbindliche Sorgfaltspflichten und entsprechende Sanktionen. Langfristige ESG-Ziele, die kurzfristig keinen direkten wirtschaftlichen Nutzen bieten, wurden daher oft vernachlässigt. Dies kann aktuell und auch in Zukunft nicht nur zu Reputationsrisiken führen, sondern auch zu regulatorischen, finanziellen und möglicherweise rechtlichen Problemen, insbesondere im Hinblick auf Berichtspflichten und Sanktionen.
BC: Was wäre denn ein typisches Due Diligence Finding, welches den Verlauf der Transaktion noch einmal empfindlich stören kann?
Feilmair: Die Palette der möglichen Due Diligence Findings, also spezifische im Rahmen der Due Diligence Prüfung identifizierte Risiken oder Mängel, hängen natürlich stark von der Art der Transaktion und der Branche ab. Als Transaktionsanwalt können typische Findings wie Change-of-Control Klauseln, die einen Vertragspartner bei Änderung der Eigentümerverhältnisse zur Kündigung des Vertrags berechtigen, fehlender oder unzureichender rechtlicher Schutz geistigen Eigentums oder Kontaminationen erhebliche Auswirkungen auf den Wert des zu erwerbenden Kaufgegenstands haben. Diese Findings könnten die Transaktion empfindlich beeinträchtigen oder sogar dazu führen, dass sie scheitert, wenn sie nicht behoben oder saniert werden. Zusätzlich können auch monetär bewertbare Mängel wie unbezahlte Steuern oder andere messbare Schäden den Kaufpreis des Kaufgegenstands beeinflussen und zu nachträglichen Verhandlungen zwischen Käufer und Verkäufer führen.
BC: Für den Fall, dass im Rahmen der gründlichen steuerlichen Prüfung (Tax Due Diligence) Mängel sichtbar werden, die den legalen Rahmen möglicherweise überschreiten: Wie sollte der Käufer damit umgehen?
Feilmair: Das hängt in erster Linie immer von der Art des Mangels ab. Konkrete Mängel, die im Rahmen der steuerlichen Due Diligence identifiziert werden, können je nach Schwere und (steuer)rechtlichen Konsequenzen beispielsweise durch eine typische Steuerfreistellung (Tax-Indemnity) im Kaufvertrag abgedeckt werden. Potentiell eintretende Mängel, deren Eintritt aber ungewiss ist (sogenannte Black Box Risiken), können im Rahmen einer allgemeinen Tax-Warranty im Kaufvertrag abgedeckt werden. In jedem Fall gilt es aus der Sicht des Käufers zu beachten, welchen Haftungsfonds der Verkäufer aufweist und ob eine Absicherung der Ansprüche des Käufers durch Mechanismen wie W&I Insurance, Patronatserklärung einer bonitätsstarken Konzerngesellschaft, Kaufpreisrückbehalt oder Treuhandschaft möglich ist.
Legal Tech in Due-Diligence Prozessen
BC: Inwiefern nutzen Sie in der M&A-Beratung heute schon KI-gestützte Systeme für Due-Diligence Prozesse? Und welche Entwicklungen erwarten Sie hier zukünftig?
Feilmair: In den vergangenen Jahren haben wir uns intensiv mit verschiedenen Legal-Tech-Lösungen beschäftigt und diese im Rahmen von Due-Diligence Prozessen getestet, wie beispielsweise die Automatisierung von Dokumenten (Erkennen einzelner Klauseln in Verträgen etc.). Unseres Erachtens blieben diese Lösungen allerdings bislang hinter den Erwartungen zurück. Hingegen sehr vielversprechend sind die von uns gegenwärtig getesteten KI-gestützten Systeme, und wir gehen derzeit davon aus, dass diese in Zukunft relativ flächendeckend zum Einsatz kommen werden. Als Gründungsmitglied des Legal Tech Hub Europe ermöglichen und fördern wir bereits seit Jahren Innovationen in der Rechtsbranche, um den sich wandelnden Anforderungen der Mandanten (insbesondere das steigende Datenvolumen gepaart mit dem branchentypischen hohen Zeit- und Effizienzdruck) gerecht zu werden.
BC: Gibt es so etwas wie eine Checkliste, allgemeine Tipps beziehungsweise Best Practices, die Ihrer Meinung nach bei der Durchführung von Due Diligence immer beachtet werden sollten, um zumindest gröbere Überraschungen zu vermeiden?
Feilmair: Ja, von Anfang an ist eine gründliche Strukturierung und Koordination des Due Diligence-Prozesses und der beteiligten Due Diligence Teams sowohl aus Sicht des Verkäufers als auch des Käufers unabdingbar. Dies umfasst die klare Gliederung und möglichst vollständige Befüllung des Datenraums sowie den notwendigen Informationsaustausch zwischen Verkäufer, Käufer und ihren Beratern, insbesondere im Rahmen des Q&A-Prozesses. Aus der Sicht des Käufers kann dabei eine Liste der angefragten Dokumente helfen, um bereits im Vorfeld der Due Diligence jene Themen abzustecken, die für die konkrete Transaktion aus Käufersicht typischerweise erwartet werden. Aus der Sicht des Verkäufers kann je nach Umfang und Größe der Transaktion eine Vendor Due Diligence, also eine vom Verkäufer durchgeführte Prüfung und (deskriptive) Darstellung des Kaufgegenstands in Form eines Legal Fact Books für potenzielle Bieter ein wichtiger Faktor sein.
In jedem Fall ist es empfehlenswert, dass sämtliche Berater-Teams (insbesondere auch die einzelnen mit der Due Diligence beauftragten Berater auf Käuferseite, wie zB Steuerberater und Rechtsanwälte oder bei grenzüberschreitenden Transaktionen die DD-Teams der involvierten Jurisdiktionen) möglichst eng und bestens abgestimmt zusammenarbeiten, um einerseits Mehraufwand (sowohl Zeit- als auch Kostenfaktor) zu vermeiden und andererseits dem Mandanten ein schlüssiges und in-sich-abgestimmtes Endprodukt liefern zu können.
BC: Letztes Jahr, also 2023 war Ihre erste RuSt, möchten Sie Ihren Eindruck von der Konferenz mit uns teilen?
Feilmair: Ich hatte bereits zuvor ausschließlich Positives über die RuSt gehört und konnte mich im letzten Jahr selbst davon überzeugen. Die Fachvorträge waren durchweg auf einem hohen Niveau, und der Austausch mit den Teilnehmern aus den unterschiedlichsten Bereichen, insbesondere das Wiedersehen alter Studienkollegen, kam nicht zu kurz. Daher freut es mich umso mehr, dass ich für die diesjährige RuSt eingeladen wurde, einen Fachvortrag zu halten.
RA Johannes Feilmair, LL.M., ist Partner bei E+H Rechtsanwälte GmbH und in den Bereichen Real Estate und Corporate/M&A tätig. Er verfügt über umfassende Erfahrung in der Begleitung von in- und ausländischen Mandanten bei komplexen M&A- und Immobilientransaktionen, bei großvolumigen infrastrukturnahen PPP-Projekten und bei Transaktionen im Bereich der erneuerbaren Energien. Im Immobilienrecht liegt ein besonderer Schwerpunkt seiner Tätigkeit bei Joint-Ventures in der Quartiersentwicklung. Johannes Feilmair ist Autor und hält regelmäßig Vorträge zu gesellschafts- und immobilienrechtlichen Themen. Im Rahmen der RuSt ist er am 17. Oktober 2024 zusammen mit Bettina Matzka, KPMG Gastgeber eines Workshops zum Thema „Typische Due Diligence Findings aus der Praxis“.