CSRD steht für die Corporate Sustainability Reporting Directive 2022/2464: die EU-Richtlinie für die Nachhaltigkeitsberichterstattung von (bestimmten) Unternehmen. Diese Richtlinie wurde bereits am 16. Dezember 2022 im Europäischen Amtsblatt veröffentlicht und gab den Mitgliedsstaaten 18 Monate Zeit zur Umsetzung in nationales Recht. Diese Frist läuft also demnächst, konkret mit 6. Juli 2024, ab. Trotzdem ist noch immer kein offizieller Gesetzesentwurf verfügbar. Das stellte die Vortragende Eva-Maria Ségur-Cabanac beim Kapitalmarktrechtstag 2024 fest.
Dr. Ségur-Cabanac ist Partnerin bei der international tätigen Anwaltskanzlei Baker McKenzie in Wien und Teil des Leadership Teams der globalen Praxis von Baker McKenzie. Sie gab bei der Business Circle Conference ein „Update ESG“ zu den wesentlichsten Entwicklungen bei Nachhaltigkeitsthemen mit kapitalmarktrechtlichen Auswirkungen. Österreich hinkt bei der Umsetzung der CSRD im Vergleich ziemlich nach, haben doch die allermeisten anderen EU-Staaten zumindest einen Gesetzestext vorliegend oder gar schon beschlossen. In Österreich wird das Ganze als „Nachhaltigkeitsberichtsgesetz NaBeG“ bezeichnet.
Wer ist betroffen?
Spannend ist das Thema deshalb, weil die erste Gruppe von Unternehmen bereits für ihr Geschäftsjahr 2024 CSRD-konform reporten muss. Berichtspflichtig sind demnach „große“ EU-Unternehmen und Nicht-EU-Unternehmen, wenn sie an einem geregelten Wertpapiermarkt der EU gelistet sind. Was ist nun ein „großes“ Unternehmen? Wenn zwei von drei der folgenden „Schwellen“ zutreffen: Nettoumsatz ab 50 Millionen Euro p.a., Bilanzsumme ab 25 Millionen Euro, und mindestens 250 Arbeitnehmer im Jahresdurchschnitt.
Berichten müssen sie künftig zu zehn „Topics“, die von der EU-Kommission in ihrer delegierten Verordnung 2023/2772 namens European Sustainability Reporting Standards (ESRS) veröffentlicht worden sind. Diese Standards umfassen die fünf „Environment Topics“ Klimawandel, Umweltverschmutzung, Wasserressourcen, Biologische Vielfalt & Ökosysteme, sowie Ressourcennutzung & Kreislaufwirtschaft. Dazu die vier „Social Topics“ Eigene Belegschaft, Arbeitskräfte in der Wertschöpfungskette, Betroffene Gemeinschaften, sowie Verbraucher & Endnutzer; der zehnte Punkt ist das „Governance Topic“ Unternehmenspolitik. Diesen zehn Kategorien sind weiter in zahlreiche Sub-Topics mit noch mehr Detaillierungsgrad aufgeschlüsselt; z.B. Arbeitsbedingungen, Energie, Tierschutz…, die in eigenen KPIs (Key Performance Indicators) dargestellt & quantifiziert werden müssen.
Doppelt wesentlich
Diese Nachhaltigkeitsberichterstattung hat auf Basis des Prinzips der „doppelten Wesentlichkeit“ zu erfolgen. Heißt: Einerseits die „Wesentlichkeit der Auswirkungen“ der Unternehmenstätigkeit: Welche positiven und negativen Auswirkungen („Impacts“) ergeben sich auf die Nachhaltigkeitsaspekte? Und andererseits die „finanzielle Wesentlichkeit“: Welche, durch die Nachhaltigkeitsaspekte hervorgerufenen, Risiken und Chancen ergeben sich für das Unternehmen? Diese doppelte Wesentlichkeit (bewertet in der sog. „Wesentlichkeitsanalyse“) ist also auch „Filter“ für jene Informationen, die in den CSRD-Report aufgenommen werden müssen.
Aussichten
Und wer prüft dann das Ganze? Laut NaBeG-Entwurf: analog zur Prüfungspflicht gemäß § 268 UGB für den Abschluss und den Nachhaltigkeitsbericht: die Wirtschaftsprüfer bzw. WP-Gesellschaften. (Die Finanzmarktaufsicht FMA und die Prüfstelle für Rechungslegung OePR können Prüfungsschwerpunkte in der Nachhaltigkeitsberichterstattung festsetzen.)
Zwei Thesen wurden beim Business Circle Kapitalmarktrechtstag vertreten: These 1: Es wird zu einer „Konvergenz“ der „Wesentlichkeit gemäß CSRD“ und der Prospekt-Verordnung, Artikel 6 (1), kommen. These 2: US-Unternehmen werden sich nach der EU-CSRD richten. Auch weil das ihrem „SEC Filing“ dienlich sein kann.
Für die Unternehmen, die mit ESRS, CSRD, Taxonomie – und demnächst mit der CSDDD („Lieferkettenrichtlinie“) eingedeckt sind, hatte Ségur-Cabanac – auf Nachfrage des Autors dieses Artikels – eine Frohbotschaft: Es kommt keine „S-Taxonomie“ mehr. Zwar gab es einen Entwurf, aber den verfolge die EU-Kommission nicht mehr…
Der Autor: Mag. Manfred Kainz studierte Volkswirtschaftslehre & Finanzwissenschaften in Wien und in den USA. Berufliche Stationen: Industriellenvereinigung, EU-Kommission Brüssel, stv. Büroleiter & Wirtschaftspolitischer Berater von Österreichs Vizekanzler Erhard Busek, Bundesministerium für wirtschaftliche Angelegenheiten , Österr. Verband für Aktien-Emittenten und -Investoren, Wirtschaftsblatt Online/Börse Express, FinanzMedienVerlag, Umwelt-Journal, INARA Governance & Compliance u.a. Manfred Kainz befasst sich seit vielen Jahren mit den Themen Nachhaltigkeit & ESG am Finanz- und Kapitalmarkt.
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